Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Danke, Standard & Poor’s!

Danke, Standard & Poor’s!

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Blumige Worte fand der heimische Boulevard, als Österreich ein A verlor und auch acht andere europäische Staaten von der Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) her­abgestuft wurden. Da beklagt die „Kronen Zeitung“, dass die Europäer sich noch so sehr bemühen können – „die anonymen Finanzrichter in ihren gläsernen Türmen in New York gießen stets wieder Öl ins Feuer“. Sind sie nicht unheimlich, diese „Herren der Welt“? „Wer kennt schon ihre Namen oder Gesichter?“, fragt das Kleinformat bange.

Die „Krone“ ist beileibe nicht allein, wenn sie in den Ratingagenturen den Feind schlechthin ausmacht. „Attacke auf den Euro“, heißt es allseits. „Unverständlich“ nennen unisono Kanzler Werner Faymann und sein Vize Michael Spindelegger den „Alleingang von einer der drei US-Rating­agenturen“.

Auch im übrigen Europa werden die amerikanischen Ratingagenturen gebasht. In Deutschland erschallt von links bis rechts: Legt ihnen das Handwerk! In Paris will man sich nicht länger von den Ami-Agenturen „Frankreichs Politik diktieren lassen“ – so Finanzminister François Baroin. Und in Brüssel meint Währungskommissar Olli Rehn, die Herabstufung sei „abwegig“, und raunt, der Zeitpunkt sei „nicht zufällig“ gewählt.

Sind die drei US-Ratingagenturen wirklich so schlimme Finger, wie nun allgemein angenommen wird? Im Gegenteil: Wenn man ernsthaft die S&P-Begründung für die jüngsten Herabstufungen liest, dann wird klar: Daraus spricht die Vernunft schlechthin.

Man muss die Begründung nur lesen. Was in Österreich offenbar kaum gemacht wurde. Zumindest bekam das Publikum nicht wirklich vermittelt, was die Analysten der Agentur zu sagen haben. Hierzulande stellte es sich einfach dar: Der amerikanische Befund ist zwar ungerecht und bösartig, aber die Ratingagenturen sind eben sehr mächtig. Und daraus folge: Es muss noch stärker gespart werden.

Damit wurde aber die Botschaft von S&P in ihr Gegenteil verkehrt. Der Agentur ist es, was Österreich betrifft, weniger um die Schuldenbremse oder die Konsolidierungsmaßnahmen der Regierung gegangen, sondern zunächst vor allem um die Unsicherheit, die aus dem starken Engagement der Austro-Banken in osteuropäischen Krisenländern resultiert. Schließlich wird aber die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der neun Länder der Eurozone und damit auch des Rettungsschirms EFSF in erster Linie mit der verfehlten europäischen Krisenpolitik insgesamt argumentiert.

Die Verschwendung in den Südstaaten Europas mag durchaus eine gewisse Rolle spielen, heißt es da: Aber „aus unserer Sicht sind die Finanzprobleme der Eurozone ebenso sehr Ergebnis der wachsenden Ungleichgewichte in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen dem Kern der Währungsunion und der so genannten Peripherie“. Und dann ganz scharf: „Daher glauben wir, dass eine Strategie, die sich ausschließlich auf Sparpolitik stützt, selbstzerstörerisch ist. Die Binnennachfrage fällt zusammen mit der wachsenden Sorge der Verbraucher um ihre Arbeitsplätze und ihr verfügbares Einkommen, wodurch die Steuerbasis erodiert.“

Europa müsse, will es aus der Krise herauskommen, den von der Pleite bedrohten EU-Staaten Geld zu Zinssätzen zur Verfügung stellen, die sie nicht von vornherein zum Untergang verurteilen. So gesehen ist es kein Wunder, dass Mario Monti, der von allen hoch geschätzte Reformtechnokrat an der Spitze der Regierung in Rom – obwohl auch Italiens Bonität wieder heruntergeratet wurde –, geradezu vom S&P-Spruch schwärmt: „Deren Analyse könnte ich geschrieben haben.“

Weniger Spar-, mehr Wachstumspolitik: So lautet die Empfehlung. Anstatt die Ratingagenturen als Feinde zu verteufeln, sollte Europa sie ernst nehmen. Wenn jemand einen Ausweg aus der Krise unseres Kontinents weist, dann sind sie es. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.

Und wenn ich schon dabei bin, die allgemein als gefährliche Ungustln empfundenen US-Ratingorganisationen hoch zu loben, möchte ich hier gleich auch einer Kraft huldigen, der dieser Tage ebenso viel Übles nachgesagt wird: den österreichischen Banken.

Raiffeisen, Die Erste, Bank Austria und die anderen Institute mögen bei ihren Geschäften in Osteuropa so manchen Fehler gemacht haben, gewiss. Man muss die Banker auch nicht sympathisch finden. Aber man sollte darüber eines nicht vergessen: Sie waren die Einzigen im Land, die verstanden, welche Chance der Fall des Eisernen Vorhangs für Österreich bedeutete. Während die heimische Politik und Gesellschaft ängstlich das Land abzuschotten versuchten – Arbeitskräfte wurden nicht hereingelassen, Soldaten an die Grenze geschickt, Verkehrslinien in Richtung Osten nur lähmend langsam ausgebaut und allgemein dumpfe Ressentiments gegen die Ausländer von dort geschürt –, handelten die Banken. Sich durchaus des großen Risikos bewusst, investierten sie massiv in die Reformstaaten. Mit großem Erfolg. Österreich verdankt die Prosperität der vergangenen Jahre zu einem nicht geringen Teil dem Mut der Banken bei ihrem offensiven Gang nach Osteuropa.

Dafür gebührt ihnen – auch inmitten der Krise und trotz allem – ein großes Dankeschön.

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