Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Gar nicht so übel

Gar nicht so übel

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Besser hätte der EU-Wahlkampf nicht beginnen können. Die Mölzer-Turbulenzen haben die FPÖ, die so lange als der voraussichtliche Sieger gehandelt worden war, leicht abstürzen lassen, sagen die Meinungsforscher. Heinz-Christian Strache wird also wahrscheinlich doch nicht am 25. Mai triumphieren können. Das ist schön.

Sonst finden freilich nur wenige die Wahl zum Straßburger Europaparlament erfreulich. In meinem Bekanntenkreis zumindest empfinden es die meisten als geradezu quälend, angesichts der vermeintlichen Unwählbarkeit der präsentierten personellen und politischen Alternativen eine Entscheidung treffen zu müssen. So mancher hat bereits resigniert und sich für Enthaltung entschieden.

Hier ein Plädoyer dafür, sich das doch noch einmal zu überlegen:
Zunächst ist – der FP-Spitzenkandidat sei hier „ausgegrenzt“, weil er für unsereins ohnehin nicht zur Diskussion steht – das präsentierte Polit-Personal so übel wiederum auch nicht.

Mag ja sein, dass Othmar Karas nicht gerade das Publikum mit charismatischer Ausstrahlung blendet oder mit Esprit und Witz mitreißt: Der ÖVP-Mann ist aber einer der ganz wenigen Österreicher, der in der EU allgemein geschätzt wird. Hoch anzurechnen ist ihm zudem, dass er seiner Partei, die zu Hause nur allzu oft mit provinziell verengtem Blick agiert, zuweilen im europäischen Geist widerspricht.

Die beiden Damen, die an der Spitze ihrer Parteilisten ins Europaparlament einziehen wollen, kommen durchaus sympathisch rüber und haben, wie Karas, EU-Erfahrungen: Die Grüne Ulrike Lunacek ist langjährige Abgeordnete in Straßburg und dort Vizepräsidentin der europäischen Grünen. Und die NEOS-Spitzenfrau und Juristin Angelika Mlinar sammelte EU-Erfahrungen als Assistentin des seinerzeitigen liberalen Europaabgeordneten Friedhelm Frischenschlager. Lunaceks Spezialgebiet ist die EU-Außenpolitik. Und die deklarierte Lesbe bekennt sich zu einem kämpferischen Feminismus. Die Unternehmerin Mlinar wiederum hat sich als österreichische Slowenin jahrelang für Minderheitenrechte eingesetzt. Das sind doch zwei interessante Frauen.

Unter den wählbaren Spitzenkandidaten – der ehemalige Journalistenkollege möge mir verzeihen – ist nur der Mann, den die Sozialdemokraten an vorderster Front ins Rennen schicken, echt schwach. Politik moderieren und Politik machen – das sind doch zwei verschiedene Sachen. Das musste der ehemalige ORF-Mann Eugen Freund bald erkennen, als er gleich zu Beginn kaum ein politisches Fettnäpfchen ausließ und seltsame Unkenntnis auch in europäischen Angelegenheiten zu erkennen gab. So könnte man sogar an der Richtigkeit seines ohnehin eher misslungenen Wahlkampfslogans, „Europa im Kopf, Österreich im Herzen“, zweifeln.

Trotzdem: So furchtbar ist die Riege der Personen, die zur Wahl stehen, wahrlich nicht, dass man sich mit Grausen abwenden müsste. Um diese Politik-Ebene geht es aber dieses Mal ohnehin nur sekundär. Im Mai 2014 kann der EU-Bürger nämlich das erste Mal mit seiner Stimmabgabe tatsächlich Einfluss darauf nehmen, welche Politik in Brüssel betrieben wird.

Bisher war es letztlich egal, wie die Sitze im Straßburger Parlament politisch verteilt sind – wer Kommissionspräsident wurde, packelten sich die Regierenden der EU-Staaten hinter verschlossenen Türen aus. Sie kürten meist einen besonders Unprofilierten, der ihnen nicht zu stark in die nationale Parade fahren konnte. Diesmal haben sie sich aber verpflichtet – auf der Grundlage der Lissabonner Verträge – den Spitzenkandidaten jener europäischen Parteienfamilie zu küren, die im gewählten Parlament die relative Mehrheit der Abgeordneten stellt.

Und da kommen nur zwei in Frage: Der von der Europäischen Volkspartei nominierte Jean-Claude Juncker und der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz. Die beiden sind nun wirkliche Schwergewichte. Sie haben gleichermaßen große Meriten. Juncker, der kluge, konservative Luxemburger hat als langjähriger Euro-Chef wesentlich dazu beigetragen, dass die Währungsunion nicht in der Finanzkrise zerbrach. Und es war nicht zuletzt Schulz, der deutsche Sozialdemokrat, der als kämpferischer Vorsitzender des Europaparlaments aktiv durchgesetzt hat, dass diesmal der Kommissionspräsident – eben anders als bisher – demokratischer bestimmt wird.

Natürlich kann man Grün wählen, um Sympathie für Ulrike Lunacek und Ablehnung gegenüber Gen-Food und Chlorhendln zu bekunden. Man kann auch NEOS die Stimme geben, um der neuen liberalen Kraft in Österreich Ermutigung zuteil werden zu lassen.

Aber wenn man ernsthaft etwas bewirken will, dann muss man sich wohl oder übel zwischen SPÖ und Schulz auf der einen und der ÖVP und Juncker auf der anderen Seite entscheiden. Gewiss, das sind nicht fundamentale europapolitische Gegensätze. Aber es macht schon einen Unterschied, ob die Kommission weiter, wie seit Langem, konservativ geführt wird, oder ob da neue Akzente gesetzt werden. Schulz als Obermacher in Brüssel wäre jedenfalls ein klares Gegengewicht gegenüber der in Europa alles dominierenden deutschen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem so forcierten allgemeinen Sparkurs. Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Taktisches Wählen ist angesagt. Und wenn einem der nationale Spitzenkandidaten jener Formation, für die man votieren will, absolut nicht gefällt, kann man ja einem anderen Kandidaten auf der Parteiliste, der einem eher konveniert, eine Vorzugsstimme geben.

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