Morgenpost

Gewaltschutz: Wie sich die Datenlage verbessern könnte

Eine Studie analysierte Mord(-versuche) an Frauen - für die Regierung lässt sich daraus viel Handlungsbedarf ableiten.

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Die NEOS kritisierten zuletzt die mangelnde Transparenz der Regierung und legten zum Beweis Daten aus parlamentarischen Anfragen vor: Die schwarz-grüne Koalition hatte laut eigenen Angaben von August 2022 bis Juni 2023 von den 167 Studien, die sie in Auftrag gegeben hatte, nur 53 veröffentlicht. Und das, obwohl ÖVP und Grüne selbst eine Veröffentlichungspflicht ab Jänner beschlossen hatte.

Manchmal liegt es aber nicht am fehlenden Willen, sondern an der schlechten Darstellung: Die Bundesregierung präsentierte schon im Dezember 2022 erste Ergebnisse der Studie des Instituts für Konfliktforschung über Frauenmorde. Nun ist sie zwar online, aber ohne virtuelle Wegbeschreibung schlicht unauffindbar: Im Menübereich „Publikationen zu Gewalt gegen Frauen“ auf der Website des Frauenministeriums im Kanzleramt ist sie nicht zu finden. Wer Interesse an den Ergebnissen hat, muss den Punkt „Agenda“ anklicken, dann „Gewalt gegen Frauen“, weiter zu „häusliche Gewalt“ - erst dort findet man sie. Das Ministerium will das nun ändern lassen.

Denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind relevant und lassen viele Forderungen an die Politik ableiten. Ein Auszug daraus: In etwa 30 Prozent der Fälle von Frauenmorden und -mordversuchen war eine lange Gewaltvorgeschichte aktenkundig, etwa ein Viertel der Opfer hatte den gewalttätigen (Ex-)Partner bereits angezeigt. Der Rechnungshof monierte vergangene Woche, dass eine langfristige Strategie im Gewaltschutzbereich fehle.

Birgitt Haller, Leiterin des Instituts für Konfliktforschung, macht im Gespräch mit profil auf einige Aspekte aufmerksam: Zum Beispiel, wie wichtig Fallkonferenzen sind - also Besprechungen von unterschiedlichen Behörden. Türkis-Blau hatte sie abgeschafft und nach Protest wieder eingeführt, seit 2022 haben diese Sitzungen wieder deutlich zugenommen. Haller begrüßt auch, dass bei Gewaltschutzgipfeln der Regierung inzwischen mehrere Ministerien eingebunden sind, zuletzt auch das Gesundheitsministerium. Es gebe viele Facetten, die man beachten müsse, sagt sie, zum Beispiel die finanzielle Lage vieler Frauen. Für manche sei es zum Beispiel schwierig, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, wenn dann wochenlang ein Antrag auf Sozialhilfe bearbeitet wird.

Schwarz-Grün will nun die lange angekündigten Gewaltschutzambulanzen umsetzen: Details gibt es noch nicht. Aber in den Zentren sollen Beweise von Gewaltverbrechen sichergestellt werden. Derzeit ist die Verurteilungsquote noch sehr gering, weil genau solche Dokumentationen in vielen Fällen fehlen.

Birgitt Haller stellt - unter anderem - zwei Forderungen an die Politik. Erstens müsse man den Konflikt zwischen Datenschutz und Opferschutz auflösen. Um die Abläufe und Kooperationen der Behörden zu analysieren, sei ein Blick in die Akten nötig. „Die Dokumente sind aber unter Verschluss.“ Und zweitens sollte das Bundeskriminalamt bei Gewalttaten gegenüber Frauen statistisch erfassen, in welcher Beziehung das Opfer zum Täter stand. So könnte man die Datenlage weiter verbessern. Planmäßig bleibt der ÖVP und den Grünen noch ein Jahr, um diese Forderungen umzusetzen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Dienstag,

Iris Bonavida

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.