auf dem Bild befinden sich illegal errichtete Bauten bei einem Erdbauunternehmen in Grossklein
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Großklein: Der Ex-Politiker und sein illegaler Betrieb im Schutzgebiet

Der Ex-Vizebürgermeister von Großklein errichtete illegal einen Betrieb im Naturschutzgebiet. Ob er seine politische Funktion dafür ausnutzte, prüft die Justiz. Bis Dezember muss er zurückbauen, sonst beauftragt die BH den Abriss – auf seine Kosten.

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Für Josef Kolars Betrieb wird es eng. Der ehemalige ÖVP-Vizebürgermeister der Gemeinde Großklein in der Südsteiermark hat nämlich ein Problem: jahrzehntelang betrieb er ein Erdbauunternehmen, obwohl er das auf den entsprechenden Grundstücken gar nicht darf. Und weil der Verfassungsgerichtshof (VfGH) alle Versuche, den Betrieb und seine Zubauten im Nachhinein zu legalisieren, kassierte, muss Kolar die illegal errichteten Anlagen zurückbauen. Eigentlich.

Doch laut Anrainerinnen und Anrainern passiert das trotz rechtswirksamem Urteil nicht. Stattdessen soll Kolar versuchen, seinen Parteifreund und Bürgermeister von Großklein, Christoph Zirngast (ÖVP), davon zu überzeugen, dass einzelne Zubauten wesentlich für seinen landwirtschaftlichen Betrieb seien. Der Bürgermeister bestreitet das. Kritikerinnen und Kritiker sehen in der Provinz-Posse einen Musterfall dafür, dass es sich „die Mächtigen“ richten können. Weshalb der Bürgermeister, sein Vorgänger und der Erdbauunternehmer angezeigt wurden – und die Staatsanwaltschaft Graz ermittelt.

Dieser mittlerweile jahrelange Polit-Krimi geht nun in die nächste und vielleicht letzte Runde. Schon im Dezember könnte es für Kolar eng werden. Aber von Anfang an.

Chronologie der Causa

Im Jahr 1991 gründete Kolar ein Holzschlägerungsunternehmen, zwei Jahre später kommt ein Erdbaubetrieb dazu. Bis 1995 führt er die Firma als Ein-Personen-Unternehmen. Es ist auch das Jahr, in dem Kolar in den Großkleiner Gemeinderat einzieht. Der Betrieb wächst, ab 2005 wird am Grundstück im Landschaftsschutzgebiet (südsteirisches Weinland; Anm.) ein Büro eingerichtet, 2008 erfolgt laut Firmenbuch (Wirtschaftscompass) die Gründung der „Kolar Erdbau GmbH“. Kolars Geschäft: Abbruch- und Aufbereitungsarbeiten, Bohrungen, Bagger- und Erdarbeiten oder auch die Landschaftsgestaltung, um nur einige der angebotenen Leistungen zu nennen.

2009 gibt es erste Beschwerden, dass am Firmengrund trotz fehlender Genehmigung Bauabfälle aufbereitet und gelagert werden. Es bleibt folgenlos. Ab dem Jahr 2010 ist Kolar Vizebürgermeister (ÖVP) und Obmann im Bauausschuss. Damit beginnt auch jene Periode, in der die Gemeinde versucht, Kolars Betrieb rückwirkend zu legalisieren.

Zwischen 2010 und 2015 wurden die Flächen durch ein Örtliches Entwicklungskonzept und einen Flächenwidmungsplan als Sondernutzungsgebiet im Freiland (Lagerplatz) sowie Verkehrsfläche ausgewiesen. Aufgrund dieser Verordnungen beantragte Kolar im Jahr 2017 nachträglich die erforderlichen naturschutz-, gewerbe- und baurechtlichen Genehmigungen, die 2019 von der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz erteilt wurden. Im Winter 2018/2019 stellte die Volksanwaltschaft Missstände bei der Flächenwidmung fest, die ORF Sendung „Bürgeranwalt“ berichtete darüber. Daraufhin legt Kolar seine politischen Ämter auf Gemeindeebene zurück.

Einer Anrainerin ging das nicht weit genug, sie wandte sich an das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Steiermark. Ihre Beschwerden bezüglich der Betriebsanlagengenehmigung sowie gegen die Baubewilligung wies das LVwG im Jahr 2020 ab. Auch damit gab sich die Beschwerdeführerin nicht zufrieden – 2021 wandte sie sich an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Und der hat ein Machtwort gesprochen.

VfGH: „Sanierung eines gesetzwidrigen Zustandes“

Das Höchstgericht hielt in seinem Erkenntnis vom März 2022  fest, dass diese Verordnungen – auf deren Basis die Umwidmungen, Betriebsgenehmigung und Bebauungsplan aufbauten – gesetzwidrig waren. Denn, so der VfGH, „eine ausschließlich zur Sanierung eines gesetzwidrigen Zustandes erlassene Verordnung verstößt wegen Willkür gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließende Sachlichkeitsgebot“, so die Höchstrichter. Die Konsequenz: Der VfGH erklärte die gesamte Planung für gesetzeswidrig und hob die Baubewilligung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark auf. Die entsprechenden Grundstücke gelten formal wieder als Freiland, die Gemeinde wurde durch die Rechtssprechung zur sofortigen Nutzungsuntersagung gezwungen und damit beauftragt, dafür zu sorgen, illegal errichtete Anlagen zurückzubauen.

Doch passiert dürfte das noch nicht sein. Anrainerinnen und Anrainer berichten gegenüber profil, dass der Betrieb weiterlaufe.

auf dem Bild befindet sich ein illegal errichteter Erdbaubetrieb in der Steiermark
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Vor der illegal errichteten Betriebstankstelle (Kapazität für 50.000 Liter Diesel) fänden sich regelmäßig Reifenspuren der LKWs, reges Treiben wird beobachtet. Auch die großdimensionierte LKW-Waage, die ebenso beseitigt werden muss, würde sich immer noch auf dem Areal befinden. Schwerer zu beseitigen als Anlagen und Bauten dürften wohl die großflächigen Geländeveränderungen sein, also die Befestigung von einzelnen Grundstücken, da sie ohne Baubewilligung vorgenommen wurden. Darunter die Zufahrtsstraße oder die Parkflächen für LKW.

Dass der Betrieb normal weiterlaufe, verneint Bürgermeister Zirngast gegenüber profil. All jene, die andere Wahrnehmungen hätten, „können sich gerne an die Baubehörde wenden. Es wird jedem Verdacht nachgegangen, dies selbstverständlich in Abstimmung mit der BH-Leibnitz“, so der Bürgermeister. Eben diese Bezirkshauptmannschaft hat den Betrieb von Herrn Kolar ganz genau im Blick, wie der zuständige Referent gegenüber profil sagt.

„Die Polizei hat von uns den Auftrag bekommen, permanent zu kontrollieren und sobald sie gewerbliche Tätigkeiten auf diesen Grundstücken feststellen, ist eine Anzeige zu erstatten“, sagt Franz Bauer von der Bezirkshauptmannschaft (BH) Leibnitz. Passiert ist das bisher nicht. In wenigen Monaten wird sich das Prozedere ändern.

Frist Anfang Dezember

Denn bis Anfang Dezember hat Kolar Zeit, die illegal errichteten Anlagen und Bauten zurückzubauen. Darunter nicht nur die Betriebstankstelle, sondern sowohl die Container, als auch – ganz grundsätzlich – die befestigten Flächen, auf denen sich der Betrieb jahrzehntelang abspielte. Passiert das nicht, wird die Bezirkshauptmannschaft den Abriss veranlassen. Die Kosten dafür müsste zuvor ein Gutachter feststellen, bezahlen müsste den Rückbau durch eine externe Firma aber der Unternehmer Kolar.

Fest steht aber schon heute: Die Zeit drängt, weil „das ist ja eine Riesengeschichte, um die es da geht, das ist schon von gewaltiger Größe, was da zurückgebaut werden muss, das geht natürlich nicht von heute auf morgen“, sagt der BH-Bedienstete gegenüber profil.

Vor Ort äußern vor allem die Grünen scharfe Kritik am Unternehmer und am Bürgermeister. Sie orten einen Interessenskonflikt des Unternehmers, der nebenher Vizebürgermeister und Obmann des Bauausschusses war. Den Fall treibt ausgerechnet ein prominenter Grüner der ersten Stunde voran, der in Großklein im Gemeinderat sitzt. Andreas Wabl war einer der acht ersten grünen Abgeordneten nach der Nationalratswahl 1986. Seine Kritik an der Causa: Dass bei „einfachen Menschen, die ein Häusl bauen wollen“ das Gesetz auf Punkt und Beistrich eingehalten werden müsse und andere, „die mächtig“ sind, es sich richten könnten. „Großklein darf kein Freilichtmuseum für Korruptionszustände werden“, sagte Wabl vergangene Woche bei einem Medientermin. Auch wenn der VfGH den Betrieb im Naturschutzgebiet für rechtswidrig erklärt, ist nicht belegt, dass Kolar seine politische Funktion für seinen Betrieb ausgenutzt hätte.

Wabl war es auch, der den amtierenden Bürgermeister, seinen Vorgänger und dessen langjährigen Vizebürgermeister Kolar angezeigt hat. Der Vorwurf: Sie sollen über Jahre hinweg bewusst rechtswidrige Zustände gedeckt oder geduldet haben, um dem Unternehmen des damaligen Vizebürgermeisters Kolar einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen. In der Causa ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Graz. Für die Beschuldigten gilt vollumfänglich die Unschuldsvermutung.

Kein Kommentar von Kolar

Läuft – wie von Anrainerinnen und Anrainern beobachtet – der Betrieb am Gelände weiter? Plant der Unternehmer, dem Rückbau und Abriss nachzukommen? Hat Kolar seine vorherige Funktion als Vizebürgermeister und Bauausschuss-Obmann zugunsten seines Unternehmens genutzt? Diese Fragen beantwortete der Rechtsanwalt von Kolar nicht: „Bedauerlicherweise können wir Ihnen aktuell keine Beantwortung der Fragen anbieten, weil die Verfahren nach wie vor, vor den diversen Behörden, anhängig sind“, so Kolars Anwalt.

Für Rückfragen stehe man zur Verfügung, „sobald die Verfahren beendet sind“. Wann könnte das der Fall sein? „Herr Kolar kann die ganze Angelegenheit vielleicht noch ein bisschen hinauszögern, wenn er die ganzen Rechtsmittelfristen ausnutzt. Sonst fällt mir aber nichts mehr ein“, sagt der Referent der Bezirkshauptmannschaft.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.