Interview

Hans Peter Doskozil: „Verhältnis zu Ludwig war schon besser“

Der Landeshauptmann des Burgenlandes Hans Peter Doskozil erklärt, warum er einem direkten Duell um den Parteivorsitz ausweicht, was hinter der Eiszeit mit dem Wiener Bürgermeister steckt und wie rechts er ist.

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Warum stellen Sie sich keinem Dreier-Duell mit Pamela Rendi-Wagner und Andreas Babler?
Doskozil
Weil es zeitlich zu knapp ist. Die Mitgliederbefragung beginnt am 24. April, am Tag danach werden viele bereits online gewählt haben. Ich bin bis dahin jeden Tag durchgetaktet – auch als Landeshauptmann. Außerdem läuft zwischen uns kein Wahlkampf im klassischen Sinne. Klar haben die Medien ein Interesse, dass wir uns auf der Bühne gegenseitig befetzen. Aber ich bin nicht dafür zu haben, das Schauspiel der Selbstbeschädigung, das wir in den letzten Wochen geliefert haben, weiterzuführen. Alle drei sollten schon jetzt an den Tag danach denken, an dem wir die Partei wieder einen.
Apropos einen. Mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig waren Sie fast einmal befreundet. Jetzt herrscht Eiszeit. Was ist passiert?
Doskozil
Das Verhältnis war wirklich schon einmal besser. Seine Anspielung auf meine Stimme bei einem der letzten Parteipräsidien war nicht die feine Art. Das Verhältnis ist aber bereits in der Pandemie abgekühlt, als wir den sogenannten Oster-Lockdown 14 Tage vor Wien beendeten. Doch an mir soll eine gute Zusammenarbeit, nachdem die Vorsitzfrage geklärt ist, nicht scheitern.
Was wäre die SPÖ unter Hans Peter Doskozil, linkspopulistisch, pragmatisch, rechts?
Doskozil
Sie wäre das, was sich die Menschen von der Sozialdemokratie erwarten. Das ist für mich entscheidender als die Theorien einer elitären Blase über die wahre oder falsche Sozialdemokratie.
Ein Burgenländer erwartet sich tendenziell etwas anderes von der SPÖ als ein Bewohner von Wien-Neubau.
Doskozil
Beide wollen von dem leben, was sie verdienen. Der 7. Wiener Bezirk ist teurer als das Burgenland. Beide wollen auch ohne Privatversicherung rechtzeitig beim Arzt drankommen. Beide wollen im Alter gut gepflegt werden. Selbst beim Thema Asyl und Migration werden wohl beide ein Interesse daran haben, dass Gesetze, die beschlossen wurden, auch eingehalten werden. Mein Credo ist, dass fremdenrechtliche Entscheidungen auch umzusetzen sind. Mehr nicht.
Gilt das auch für die aktuell heiß diskutierte Abschiebung einer gut integrierten indischen Familie, deren Asyl abgelehnt wurde? Die Mutter war Köchin, die Tochter befand sich in einer Pflegeausbildung.
Doskozil
Es gab bereits Fälle, in denen der Verfassungsgerichtshof die berufliche Anbindung abgelehnter Asylwerber an Österreich stärker gewichtet hat als die Notwendigkeit einer Abschiebung. Der VfGH gibt also den Spielraum, ein humanitäres Bleiberecht zu ermöglichen. Das sollte man prüfen.* Am Ende müssen Behörden immer nach den Buchstaben des Gesetzes handeln. Das sieht übrigens auch Andreas Babler so. Er meinte, dass rechtskräftig abgelehnte Asylwerber abgeschoben werden sollen.
Sind Sie am Ende nur gefühlt rechter als die anderen beiden Kandidaten?
Doskozil
Ich bin im Unterschied zu Rendi-Wagner und Babler gegen einen leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft. Sie sollte auch nicht bei der Geburt automatisch verliehen werden. Es sind außerdem zwei Paar Schuhe, Forderungen in der Migration aufzustellen oder sie mit Leben zu erfüllen. Asyl-Aufnahmezentren an den EU-Außengrenzen stehen seit Jahren in unserem SPÖ-Integrationspapier. Ich denke und diskutiere solche Vorschläge im Unterschied zu anderen bis zum Ende durch. Ich hätte beispielsweise die Zustimmung zum Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens mit der Forderung nach Asyl-Verfahrenszentren an der bulgarisch-türkischen Grenze verknüpft. Wenn nur noch an der EU-Außengrenze über den Asylstatus entschieden wird, klappt auch die Verteilung von Flüchtlingen auf die gesamte Union besser. Denn dann gibt es nur noch im zugewiesenen Zielland Anspruch auf Sozialleistungen.
Und wer sich weiterhin mit Schleppern nach Österreich durchschlägt …
Doskozil
… muss zurück ins Verfahrenszentrum an der Außengrenze.
Zurück zur indischen Familie. Österreich braucht dringend solche Fachkräfte.
Doskozil
Wir brauchen Modelle, mit denen wir Asyl und Migration trennen. Wir holen bereits jetzt Pflegekräfte aus den Philippinen ins Burgenland. Wir wollen künftig noch gezielter Arbeitskräfte aus Südosteuropa – von Kroatien bis Serbien – holen, die wir bereits in ihrer Heimat ausbilden. Damit wollen wir auch unabhängiger werden von privaten Agenturen für 24-Stunden-Pflegerinnen.
Was halten Sie von Bablers Kernforderung einer 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich?
Doskozil
Sie ist für mich beim derzeitigen Lohnniveau nicht nachvollziehbar. Mein Fokus liegt ganz darauf, dass die Menschen ordentlich verdienen. Was nützt mir mehr Freizeit, wenn ich zu wenig Geld zum Leben habe? Das hilft diesen Menschen höchstens, einem zweiten Job nachzugehen, oder treibt sie in die Schwarzarbeit. Deswegen liegt mein Fokus auf einem Mindestlohn von 2000 Euro netto für Vollzeitarbeit.
Wenn Sie am Ende der Mitgliederbefragung knapp vorn, aber unter 50 Prozent liegen, würden Sie eine Stichwahl am Parteitag akzeptieren?
Doskozil
Wenn ich mit nur einer Stimme vorn liege, bin ich nach meinem Verständnis der einzige Kandidat, den der Parteivorstand und die Wahlkommission für den Parteitag nominiert. Wenn es mehrere Personen sind, die über diese Gremien als offizielle Kandidaten der Partei ins Rennen gehen, wären wir wieder dort, wo wir vor der Entscheidung für eine Mitgliederbefragung gestanden sind. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Sollte unabhängig davon am Parteitag selbst jemand aufzeigen, ist das vom Statut her möglich und natürlich zu akzeptieren.
Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.