FPÖ

Herbert Kickl: Die investigative Biografie über den FPÖ-Obmann

Zwei profil-Redakteure erzählen die Geschichte des FPÖ-Obmanns in einem Buch. Wie er zu demjenigen wurde, der er heute ist.

Drucken

Schriftgröße

Wer ist Herbert Kickl? Woher kommt er? Wie wurde er zu dem, der er heute ist? Ein „Sicherheitsrisiko“ (Bundeskanzler Karl Nehammer), ein „ehrlicher, geradliniger und bodenständiger Vollblut-Freiheitlicher“ (der niederösterreichische Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer), der Mann, „der Volkskanzler kann“ (Rechtsextremist Martin Sellner), und ganz objektiv betrachtet: der nach allen aktuellen Umfragen unbestrittene Favorit für die Nationalratswahlen im Herbst. Es gibt kaum einen Politiker, über dessen Herkunft und Werdegang – bei gleichzeitiger medialer Allgegenwart – so wenig bekannt ist, wie Herbert Kickl. Das war der Ausgangspunkt für unsere monatelange Recherche, deren Ergebnis jetzt unter dem Titel „Kickl und die Zerstörung Europas“ als Buch im Zsolnay Verlag erscheint.

Da bisher keine Gesamtbetrachtung zu Herbert Kickl erschienen ist, war unser Anspruch, mit so vielen Menschen wie möglich zu sprechen, die den 55-Jährigen kennen oder kannten, um aus Erinnerungen und Beobachtungen ein möglichst facettenreiches Porträt des verschlossenen Politikers zu zeichnen. Nachbarn, Klassenkameraden, Studienkollegen, politische Wegbegleiter, Gegner, Feinde gaben Auskunft, manche mit Namen, andere anonym. Kickl selbst wollte übrigens – auch das passt ins Bild – trotz mehrmaliger Anfragen keine Fragen zu seinem Leben beantworten. „Das profil recherchiert in meinem Heimatort“, schleuderte er missbilligend bei einer Rede im vergangenen Herbst in Seekirchen ins Publikum.

Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, wer Kickl ist, wo er herkommt – und wo er hinwill. Es ist die Biografie eines Arbeiterkindes: der Großvater ein illegaler Nazi; die Eltern beide im Magnesitwerk in Radenthein beschäftigt, wobei der Vater sich als Fußballer in der Werksmannschaft auszeichnete. Der kleine Herbert erwies sich als begabter Bub, der einen Hang zum Militärischen entwickelte und zur Freude am Widerspruch. Letzterer traf auf eine von der SPÖ dominierte Welt im Kärnten der 1980er-Jahre, und als Identifikationsfigur bot sich nur einer an: Jörg Haider. Das Buch verfolgt Kickls Weg von der Kärntner Provinz ins studentische Leben in Wien, wo der Studienabbrecher eine ideologische Prägung erfährt und schließlich bei der FPÖ landet.

Kickls eigentümlich spröder Charakter in Kombination mit einem unbestreitbaren Talent für aggressive Kommunikation prädestinierte ihn zur ewigen Nummer zwei, zum Offensivstrategen im Hintergrund. Wie es dazu kam, dass er plötzlich, aber keineswegs zufällig, an die Spitze der Partei gelangte, lesen Sie in einem der Auszüge auf den folgenden Seiten.

Die erstaunliche Karriere des ersten österreichischen Rechtspopulisten, der eine reale Chance auf das Kanzleramt hat, lässt sich nur verstehen, wenn man parallel dazu den Aufstieg dieser politischen Bewegung in ganz Europa mitdenkt. Zu Zeiten eines Jörg Haider oder Jean-Marie Le Pen in Frankreich blieben deren Erfolge Einzelphänomene, auf dem Kontinent erschrocken wahrgenommen, aber weitgehend folgenlos. Kickls politischer Werdegang verläuft synchron mit dem von Marine Le Pen (Frankreich), Matteo Salvini (Italien), Alice Weidel (Deutschland) und vielen weiteren Vertreterinnen und Vertretern des Rechtspopulismus, der sich in ganz Europa ausgebreitet hat und das „System“ – wie Kickl es nennt – attackiert. Man kann dafür auch den Begriff des „politischen Fundaments“ verwenden, das diese Gesinnungsgemeinschaft zerstören will. Es handelt sich um Regeln und Werte, die in Verfassungen, internationalen Abkommen und Menschenrechtskatalogen festgehalten sind. Was dabei herauskommt, wenn man diese untergräbt, kann man im Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Orbán besichtigen, der Kickls erklärtes Vorbild ist.

Die Tatsache, dass in mehreren europäischen Staaten Politiker und Politikerinnen wie Herbert Kickl nahe daran sind, auf demokratischem Weg an die Regierungsspitze zu gelangen, verleiht ihren Plänen zum ersten Mal das Potenzial, eine politische Kontinentalverschiebung zu bewirken. Weg vom liberalen, hin zu einem illiberalen, völkisch konzipierten Europa.

Es ist wichtig zu verstehen, wer Herbert Kickl ist.

Die investigative Biografie

Die folgenden, stark gekürzten Auszüge stammen aus dem Buch „Kickl und die Zerstörung Europas“ (Zsolnay, erhältlich ab 15. April) der profil-Redakteure Gernot Bauer und Robert Treichler.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur