Illegales Glücksspiellokal bei gemeinnütziger Hausverwaltung eingemietet

Direkt gegenüber vom Casino Linz stehen konzessionslose Automaten. Der Linzer Bürgermeister ist seit Jahren informiert.

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Wer sein Geld mit kriminellen Aktivitäten wie dem Betrieb eines konzessionslosen Glücksspiellokals verdient, verwendet üblicherweise viel Energie darauf, seine Machenschaften bestmöglich zu tarnen. In der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz fühlen sich Gesetzesbrecher offenbar sehr sicher. Den Eindruck vermittelt jedenfalls ein Glücksspiellokal in der Langgasse in Innenstadtlage. Die Betreiberbande bewirbt ihr „Wettcafé“ im Erdgeschoss mit auffälliger Außenreklame: Ein Schild mit den typischen Symbolen von Glücksspielautomaten – Kirschen, Siebenern und Zitronen – verspricht „Active Games“. In der Nacht kommt eine blinkende Tafel dazu, die Passanten für „Casino Games“ begeistern soll. Die Fensterfassaden des Geschäftslokals sind zwar dunkel verklebt, doch selbst Laien können sich ausmalen, was dahinter gespielt wird. 

Die Hausverwaltung – ausgerechnet eine gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft, in deren Aufsichtsrat rote und blaue Politiker sitzen – und die Stadt Linz dürften die grell leuchtenden Schattengeschäfte jahrelang nicht bemerkt haben. Oder wollten sie nicht bemerken. Denn legale Glücksspielbetreiber und Anrainer beschwerten sich über die dubiosen Nachbarn. Doch von Stadt und Hausbesitzer kamen entweder gar keine Reaktionen – oder nur kalmierende Antworten. Trotzdem gibt es nun eine Aussicht auf ein Ende des Spuks in der Langgasse.

Die Standortwahl der illegalen Betreiber, die unter Kennern als „Griechen-Connection“ bekannt ist und mehrere ähnliche Lokalitäten betreibt, ist raffiniert, das Casino Linz liegt schräg gegenüber von der Spielhölle. Die Bande dürfte es auf Highroller abgesehen haben, das sind Spielsüchtige, die um hohe Beträge spielen, also fünfstellige Summen, und damit für Glücksspielanbieter besonders lukrativ sind. Anrainer haben beobachtet, dass die konzessionslose Lokalität auch dann noch geöffnet hat, wenn das Casino um vier Uhr morgens schließt. Ein Absacker bei der illegalen Konkurrenz bietet sich auch für die Spieler an, die bei den teilstaatlichen Casinos wegen Liquiditätsproblemen gesperrt wurden – in der Spielhölle in der Langgasse können sie sich bis in die Existenzzerstörung weiterverschulden, und niemand wird Fragen stellen. 

Verständlich, dass dem Casino Linz die Nachbarn schon länger ein Ärgernis sind. Über einen Anwalt schickten sie dem Eigentümer der Immobilie, dem Chef eines oberösterreichischen Malereibetriebes, im Jahr 2017 einen Brief mit dem unmissverständlichen Inhalt, er möge als Hausbesitzer für einen rechtskonformen Zustand sorgen, andernfalls könnte er sich strafbar machen. An eine Antwort kann man sich bei den Casinos nicht erinnern. 

Wenig fruchtbar war auch ein Gespräch des Casino-Direktors beim Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) vor vier Jahren, dabei soll es auch um die Lokalität in der Langgasse 6 gegangen sein.

Frustriert, im Stich gelassen, resigniert. So fühlen sich Anwohner, mit denen profil über das illegale Treiben sprach. Die Bewohner machten das, was die Behörde hätte tun sollen: Sie fotografierten, wenn die Bande ihr Lokal bei Tageslicht mit neuen Glücksspielautomaten bestückte, wenn Getränkelieferanten morgens anrückten und wenn dunkle Gestalten Müllsäcke in weiße Kastenwagen verluden, um den Lokalbetrieb während der Corona-Pandemie zu vertuschen. Sie dokumentierten die Öffnungszeiten, beobachteten mutmaßliche Spieler im Innenhof und meldeten die Machenschaften über einen Zeitraum von acht Jahren immer wieder an das Land Oberösterreich, das Magistrat Linz und das Stadtpolizeikommando.

Zwischenbilanz: Das Lokal gibt es immer noch. Kurz vor profil-Redaktionsschluss drang noch Licht aus den Türspalten, huschten Kunden hinein, und das Außengerät der Klimaanlage verriet, dass drinnen Betrieb herrschte. Ein Lokalaugenschein war nicht möglich: Wer rein will, muss klingeln und wird von vier Kameras observiert. Aus Sicherheitsgründen lassen die Hintermänner nur Stammgäste gewähren. 

Es ist nicht so, dass die Behörden völlig untätig waren. Im Gegenteil: Die Finanzpolizei ist in Sachen illegales Glücksspiel durchaus motiviert, allein seit 2020 gab es an dem Standort sieben Kontrollen, bei denen 20 Automaten beschlagnahmt wurden. Anwohner beobachteten allerdings, wie die mafiöse Bande tags darauf mit Klein-LKW einfach neue Geräte anlieferte.

Die mächtigste Waffe der Behörden wäre eine Betriebsschließung, die allerdings nicht die ermittelnde Finanzpolizei verhängen kann, eine oft kritisierte Gesetzeslücke. Zuständig ist in der Statutarstadt Linz die Landespolizeidirektion. An dieser Stelle kommt der streitbare Gert Schmidt ins Spiel, der mit seiner Omnia Detektei und dem Portal spieler-info, gesponsert vom Glücksspielkonzern Novomatic, den illegalen Betreibern hinterherspürt – und allein diesen Standort zehnmal angezeigt hat. Für ihn ist es unverständlich, warum die Polizei das Lokal nicht längst dichtgemacht hat. Er hat die Behörde deshalb sogar wegen Amtsmissbrauchs angezeigt, das Ermittlungsverfahren wurde aber Ende 2021 eingestellt. 

Gegenüber profil erklärt ein Beamter der Landespolizei, dass die Betriebsschließung bisher scheiterte, weil die Betreiber regelmäßig ihre Scheinfirmen wechseln und sich deshalb die Zustellung der eingeschriebenen Briefe schwierig gestalte.

Zunächst wurden auch profil bei den Recherchen die Türen zugeschlagen: Der Hauseigentümer legte einfach auf und ließ SMS und E-Mail unbeantwortet. Der Linzer Bürgermeister erklärte nur knapp, dass die Polizei zuständig sei. Zur Rolle des Linzer Magistrats als Bau- und Gewerbebehörde kam keine Antwort. 

Und doch dürfte nun – spät, aber doch – etwas geschehen. Der gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft Neue Heimat Oberösterreich, die das Haus verwaltet, war die Sache einigermaßen peinlich. Im Aufsichtsrat der Genossenschaft sitzen 
etwa FPÖ-Landesrat Günther Steinkellner, der ehemalige Linzer SPÖ-Gemeinderat Klaus Strigl und andere Politiker aus Oberösterreich, wobei Steinkellner auf profil-Anfrage wichtig zu betonen war, dass er von dem Lokal noch nie gehört habe.
Die Wohnungsgenossenschaft Neue Heimat wurde laut eigenen Angaben vor vier Jahren über das Treiben informiert. Die Reaktion: keine Kündigung. Sondern ein Brief mit der Aufforderung zur Einhaltung der Gesetze an die Betreiberbande, die sich von dem Schreiben aber unbeeindruckt zeigte.

Die Walzen drehten sich weiter und sicherten den Hintermännern pro Monat fünfstellige Umsätze, konservativ geschätzt. Erst als die Finanzpolizei im Jänner dieses Jahres beim Gebäudeeigentümer, dem Malermeister, anklopfte, wurde die Hausverwaltung tätig und konfrontierte die Mieter im Februar mit einem Aufforderungsschreiben. Und: „Nach Fristablauf und Androhung rechtlicher Schritte haben wir in Reaktion darauf mittlerweile auch schon die schriftliche Kündigung per 30.03.2022 erhalten und ist zum aktuellem Zeitpunkt nach vorheriger Rücksprache mit dem Gebäudeeigentümer auch die Rückstellung der Räumlichkeiten nach Ablauf der mietvertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von 6 Monaten per 30.09.2022 vorgesehen!“

Fazit der Neuen Heimat: „Nicht zuletzt durch unser Einschreiten konnte somit (… ein frühzeitiges Auflösen des Vertragsverhältnisses erreicht werden.“ Über „frühzeitig“ lässt sich nun wirklich streiten. profil wird Anfang Oktober nachsehen, ob das Lokal wirklich geschlossen ist.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv. Derzeit in Karenz.