Hassan Nayeb-Hashem und Sholeh Zamini

Iraner in Wien: Zwei Leben für die Revolution

Ein iranischstämmiges Ehepaar aus Wien ist eine zentrale Drehscheibe für exiliranischen Protest gegen das Mullah-Regine. Ein Besuch in Floridsdorf und Kaisermühlen.

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Das Ehepaar Hassan Nayeb-Hashem und Sholeh Zamini hat zwei Leben: In einem betreiben sie eine Praxis für Allgemeinmedizin in einem Wiener Gemeindebau im tiefsten Floridsdorf – im anderen sind sie linke Revolutionäre, die ihr gesamtes Dasein dem Sturz der Islamischen Republik Iran gewidmet haben.

Vergangenen Dienstagnachmittag, nachdem der letzte Patient versorgt ist und die Fenster zum Lüften sperrangelweit geöffnet sind, entpuppt sich die Arztpraxis nach und nach als Depot für Aktivistenzubehör: Mitstreiter schreiten durch die Tür und kramen Transparente und Flyer aus den Kammerln und Kästen hervor, auf denen ein Ende der Todesstrafe im Iran gefordert wird; der unscheinbare schwarze Quader unter einem der Arztbetten, auf denen Patientinnen und Patienten für gewöhnlich untersucht werden, erweist sich als Akkumulator. „Das ist wichtig, das hält mehrere Stunden“, sagt Sholeh Zamini und lacht. Alle Utensilien werden in einen kleinen Toyota verladen und vor dem Eingang der UNO-City in Kaisermühlen aufgebaut, wo sie seit 79 Wochen für die Aussetzung der Todesstrafe und Freilassung der Inhaftierten des Mullah-Regimes protestieren. „Die Hinrichtungen finden meistens mittwochs statt, also wollen wir tags zuvor auf die Menschen aufmerksam machen“, sagt Hassan Nayeb-Hashem.

Der 67-jährige „Doktor Hassan“, eine Institution unter den Wiener Iranern, hält jeden Dienstag aus Solidarität mit den Gefangenen der 840 iranischen Gefängnisse einen Hungerstreik ab, die an diesem Tag ebenfalls jegliche Nahrung verweigern. In den vergangenen Jahrzehnten waren es mehr als 100 Hungerstreiks, die Nayeb-Hashem durchgehalten hat; bei einem nahm er 100 Tage lang täglich lediglich 20 Stück Zuckerwürfel und Wasser zu sich. Ein anderes Mal hielt er einen „trockenen Hungerstreik“ ab und trank 30 Stunden lang nichts.

Hassan Nayeb-Hashem und seine Frau Sholeh Zamini fahren kaum je auf Urlaub, sie haben keine Kinder und keine Hobbys. Ihre gesamte Zeit stecken sie in den Protest gegen das Mullah-Regime und die Verletzung der Menschenrechte im Iran. Sholeh Zamini, eigentlich Physikerin und einst in der Stammzellenforschung tätig, hing ihren Job als Wissenschafterin an den Nagel und wurde Sprechstundenhilfe in der Ordination ihres Mannes. Für die beiden ist es nur ein Beruf, ihre Berufung ist die Revolution. „Nach den Protesten 2009 war für mich endgültig klar, dass ich nicht in einem klimatisierten Labor sitzen und so tun kann, als wäre alles in Ordnung, während meine Landsleute gefoltert und erschossen werden“, sagt Sholeh Zamini. „Ich kann nicht so tun, als ginge mich das Leid der anderen Menschen nichts an – so erwachsen bin ich nicht.“

Nina Brnada

Nina Brnada

Redakteurin im Österreich-Ressort. Davor Falter Wochenzeitung.