"EIN SOLCHES BUDGET ERFORDERT OPFER": Christoph Kardinal Schönborn begrüßt die Null-Defizit-Pläne der Regierung.

Katholische Kirche unter massivem Spardruck

Schlösser, Weingüter, Wälder: Das Milliardenvermögen der katholischen Kirche ist ein gut gehütetes Geheimnis. Doch die steigende Zahl von Kirchenaustritten setzt die Glaubensgemeinschaft unter massiven Spardruck.

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Zu den Vorzügen des enthaltsamen Lebens als Mann Gottes zählen irdische Reichtümer. Christoph Kardinal Schönborn etwa, Erzbischof von Wien, verfügt von Amts wegen über ein Schloss, Wälder, Schulen und Immobilien. Die Vermögenswerte sind direkt an den Erzbischöflichen Stuhl gekoppelt - sie entziehen sich der Finanzgebarung der Diözese. Mit den Erträgen aus Vermietung und Forstwirtschaft bestreitet der Kardinal seinen Lebensunterhalt im erzbischöflichen Palais. Welches Vermögen er konkret verwaltet, will Christopf Schönborn die Öffentlichkeit nicht wissen lassen; der tatsächliche Marktwert lasse sich nicht vernünftig beziffern. Nur so viel verlautet es aus dem katholischen Amtssitz: Die Refugien erwirtschaften "einen Jahresumsatz von rund sieben Millionen Euro. Bleibt davon ein Gewinn übrig (was nicht immer der Fall ist), so ist er zur Hälfte für kirchliche oder karitative Anliegen zu verwenden."

Zu viel Offenheit wäre der Glaubwürdigkeit des obersten Hirten Österreichs wohl auch kaum zuträglich. Immerhin rief er die Bevölkerung in der Vorwoche dazu auf, Opfer zu bringen - und unterstützte damit die Null-Defizit-Pläne der schwarz-blauen Bundesregierung. Es war einer der seltenen tagespolitischen Zwischenrufe des sonst so besonnenen Kirchenmanns. Kritik folgte prompt, sitzt doch die Kirche auf einem historisch gewachsenen Milliardenvermögen. Dazu kommen staatliche Zuwendungen und Steuerbegünstigungen. Dennoch ist die finanzielle Lage der Glaubensgemeinschaft angespannt: Sinkende Katholikenzahlen werden laut Prognosen bald ein dickes Loch in die Diözesanbudgets reißen.

Wie viel Vermögen die Kirche in Summe besitzt, weiß sie vermutlich selbst nicht. Das liegt an der langjährigen Tradition der Geheimhaltung und kleinteiligen Struktur der katholischen Kirche: Mehr als 3000 Pfarren verteilen sich auf neun Diözesen; dazu kommen rund 200 Ordensgemeinschaften und die persönlichen Refugien der Bischöfe - sie sind allesamt eigene Rechtsträger mit gesonderten Finanzen.

"Man sagt uns, es gibt einen Finanzmangel"

Sogar Funktionäre an der kirchlichen Basis tappen im Dunkeln. "Wir haben keine volle Kenntnis zu den Finanzen der Diözese. Wir wissen nur, wofür der Kirchenbeitrag verwendet wird", sagt Helmut Schüller, Priester und Obmann der Pfarrer-Initiative, die sich für mehr innerkirchliche Mitbestimmung einsetzt. Schüller vermutet keinerlei betrügerischen Absichten, wie er betont, doch er würde die Entscheidungen gern nachvollziehen: "Man sagt uns, es gibt einen Finanzmangel. Das kann ich jetzt glauben oder nicht."

Erst seit 2012 legen die Diözesen ihre Haushaltpläne offen. Demnach haben sie 2016 rund 451 Millionen Euro an Beiträgen eingenommen - rund 75 Prozent der Gesamteinnahmen. Weitere 105 Millionen Euro stammen aus "Vermögensverwaltung, Vermietungen, Leistungen, Subventionen und sonstigen Erträgen".

Allein: In den Jahresbilanzen fehlen nicht nur die Haushaltspläne der Pfarren, es gibt auch keine Auskunft über das Anlagevermögen. Wer nachfragt, wird abgewimmelt: "Detailliertere Informationen werden nicht veröffentlicht", heißt es etwa in der Erzdiözese Salzburg. "Wir können dazu keine Angaben machen", erklärt die Diözese Graz-Seckau.

Nur zögerlich steigt die Auskunftsbereitschaft. Offen zeigt man sich etwa beim Grundbesitz: So verfügt die Diözese Graz-Seckau über 177 Hektar, davon hauptsächlich Wald, der in Eigenregie bewirtschaftet wird. Das Bistum Seckau, also der institutionell-persönliche Besitz des Diözesanbischofs, verfügt zusätzlich über 750 Hektar Fläche. Zusammengerechnet besaßen kirchliche Träger wie Klöster und Diözesen im Jahr 2017 gut 124.000 Hektar Wald. Bei einem geschätzten Quadratmeterpreis von 1,10 Euro ergibt das einen Vermögenswert von etwa 1,4 Milliarden Euro. Zu den bedeutendsten Schätzen des Grazer Bischofs zählt das südsteirische Schloss Seggau, ein Seminarhotel mit knapp 80 Zimmern (es war Austragungsort der ersten schwarz-blauen Regierungsklausur zu Beginn des Jahres). Trotzdem sei es ein "permanenter Kraftakt", die Gebäude im Bistumsbesitz instand zu halten, betont der Pressesprecher. Am Ende des Jahres mit einer "schwarzen Null" zu bilanzieren, sei ein Erfolg.

Finanzielle Transparenz nur in Klosterneuburg

Solche Sorgen kennen die Klosterbrüder nicht. Sie gelten als fleißige Kaufleute, ganz gleich, welchem Orden sie die Treue geschworen haben. Die Augustiner-Chorherren in Klosterneuburg bewirtschaften ein beachtliches Weingut und vermieten obendrein noch 700 Wohnungen in der reichen Vorstadt von Wien. Die Heiligenkreuzer Zisterzienser besitzen eine Tankstelle, und auch die Benediktiner in Admont verstehen etwas von Finanzen: Sie führen unter anderem einen Energieversorger und einen Holzbetrieb. profil fragte mehrere Klöster an, kaum eines jedoch wollte die Fragen nach Umsatz und Gewinn beantworten. Nur das Stift Klosterneuburg übt finanzielle Transparenz: Rund 30 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaften die Chorherren - der Gewinn bleibt aber auch hier geheim. Immerhin: Laut Pressestelle wird jährlich eine Million an Sozialprojekte gespendet.

Der Staat wiederum zeigt sich der Glaubensgemeinschaft gegenüber höchst gnädig: Die öffentlichen Gaben an die Kirche belaufen sich auf rund 643 Millionen Euro pro Jahr, errechneten das Institut für Höhere Studien (IHS) und Joanneum Research. Gleichzeitig profitiert der Staat aber auch vom kirchlichen Engagement, von der Caritas bis zu Bildungseinrichtungen -eine gute Argumentationsgrundlage für Steuergeschenke: Durch die Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages (bis zu 400 Euro im Jahr) entgehen dem Fiskus 120 Millionen Euro. "Das ist eine direkte Förderung", sagt der Wiener Steuerberater Gottfried Schellmann, der sich seit Jahren mit Kirchenprivilegien beschäftigt: "Diese Form des Absetzbetrages findet man ganz objektiv in wenigen Steuerrechten ." Der Vermögensvertrag von 1960 sichert den Kirchen außerdem staatliche Restitutionszahlungen für Enteignungen in der NS-Zeit zu -und zwar unbefristet. 2015 waren dies knapp 50 Millionen Euro.

Grundstücke, die dem Gottesdienst oder der Verwaltung dienen, sind von der Grundsteuer befreit. Eine weitere Begünstigung: Kirchliche Rechtsträger sind von der Körperschaftssteuer befreit -sofern sie nicht gewerblich tätig sind. "All diese kirchlichen Einrichtungen leben von einem: der Intransparenz", sagt Schellmann. "Jeder andere, der mehr als zwei Euro im Sack hat, wird genauestens gescreent."

Düstere Perspektiven

Trotz dieser Privilegien sind die budgetären Perspektiven der Kirche recht düster. Noch seien die Kirchenbeiträge "stabil", meinte der Salzburger Erzbischof Franz Lackner vor Jahren in einem Interview: "Aber die Finanzkämmerer sagen klar, dass sich das ändern wird. Und zwar relativ abrupt - die Kurve fällt dann, so die Prognose, steil ab."

Als "tickende Zeitbombe" beschreibt auch der steirische Theologe Rudolf Höfer die Entwicklung der Kirchenbeiträge. Dass die Zuwendungen der Gläubigen trotz Kirchenaustritten steigen, liegt laut Höfer an Tricks der Beitragsstellen: Sie erhöhen die Vorschreibungen unbemerkt über dem Inflationsniveau. "Viele Gläubige bemerken das gar nicht. Ich halte das für bedenklich."

Der Wissenschafter propagiert ein neues Modell der Kirchenfinanzierung. Danach sollte, wie etwa in Italien, ein Teil des staatlichen Budgets für Kultur und Religion gewidmet werden: "Die Bevölkerung kann einmal jährlich bei der Steuererklärung ankreuzen, wem dieser Anteil zukommt: einer Kirche oder einem staatlichen Kulturfonds. Das Geld wird dann nach dem Stimmverhalten prozentuell verteilt."

In Wien hinterlässt der kirchliche Spardruck jedenfalls schon erste Spuren. Um Kosten zu senken, verschenkte die Diözese mehrere Gotteshäuser an Schwesterkirchen. Diese noble Geste begründete Kardinal Schönborn im Vorjahr so: "Wir sind froh, wenn wir Gebäude, die wir selber nicht mehr erhalten können, nicht als Shoppingcenter oder Nachtclubs hergeben müssen." Präsente allein retten das Budget jedoch nicht: 660 Wiener Pfarren werden in den nächsten Jahren zu 140 "Entwicklungsräumen" zusammengestutzt.

Ein Vorhaben, das Schüller von der Pfarrerinitiative scharf kritisiert: "Wenn die Solidarität innerhalb der Kirche nicht funktioniert, kann die Kirche aufhören, zu sagen, dass in der Gesellschaft Solidarität gelebt werden sollte." Er spielt damit auf die reichen Klöster an: "Die Frage ist: Was kann mit dem Geld geschehen, das nicht unbedingt gebraucht wird? Das erwartet die Kirche ja auch von jedem einzelnen Menschen."