Migration

Kein Bargeld für Asylwerbende: Widerspruch der ÖVP?

In Deutschland werden Asylwerbende statt Bargeld künftig eine Bezahlkarte bekommen. Die ÖVP würde dieses Modell gerne nach Österreich importieren. Obwohl sie sonst die Partei ist, die auf das Recht auf Bargeld pocht.

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Die Volkspartei will Menschen, die auf ihren Asylbescheid warten, das Cash wegnehmen. Damit zeigt die ÖVP eine gewisse Zwiespältigkeit in Bezug auf ihre Einstellung zu Bargeld, hat sie doch im Sommer noch dessen Verankerung in der Verfassung gefordert. Der damalige Vorschlag wurde heftig kritisiert, da es weder in Österreich noch auf europäischer Ebene Bestrebungen gibt, Bargeld abzuschaffen.

Mittlerweile schon, könnte man argumentieren – zumindest für eine Gruppe an Menschen, die sich in Österreich aufhalten. Die ÖVP will sich ein Modell von Deutschland abschauen, dort werden Asylwerber:innen die Geldleistungen auf Sachleistungen umgestellt. Im Nachbarland haben sich fast alle Bundesländer darauf geeinigt, dass Asylbewerber:innen den größten Teil der staatlichen Unterstützung künftig über eine Bezahlkarte beziehen sollen.

Das Konzept in Deutschland funktioniert so: Statt Bargeld erhalten Asylsuchende eine guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion. Im Ausland würde sie zwar nicht funktionieren, im Inland kann sie dafür für alltägliche Ausgaben genuzt werden. Die jeweiligen Bundesländer entscheiden über die Höhe des Barbetrags, der abgehoben werden kann.

In Deutschland wird die Maßnahme vor allem mit einem vereinfachten Verwaltungsaufwand argumentiert und sogar von SPD-Politikern unterstützt - aber auch zur Unterbindung von Geldtransfers in die Heimatländer von Flüchtlingen. Wobei umstritten ist, wie hoch diese Summen tatsächlich sind.

Die ÖVP würde eine solche Karte am liebsten ohne Barbehebungsfunktion vorsehen. Dort, wo keine Bankomatzahlung möglich ist, könnten Empfänger der Bezahlkarte laut dem bisherigen Vorschlag auch keine Zahlung tätigen.

Das stößt bei der ÖVP für Zustimmung, hat Innenminister Gerhard Karner der Tageszeitung Der Standard bekannt gegeben. Susanne Raab, ÖVP-Ministerin für Frauen und Integration hält den Vorschlag für „eine absolut sinnvolle Sache“. Sachleistungen seien ein „effizientes Mittel, um sicherzustellen, dass die Gelder auch dafür verwendet werden, wofür sie gedacht sind“, sagt sie gegenüber dem ORF Oberösterreich.

Bargeld – aber nicht für alle

Scheckkarten für Asylwerber, Bargeld für alle anderen: Wie erklärt die Volkspartei diese Widersprüchlichkeit?

Die Türkisen sehen auf profil-Anfrage keinen Widerspruch zum von ihnen forcierten Recht auf Bargeld: „Wenn Ihnen jemand einen Supermarkt-Gutschein schenkt, dann schränkt er ja auch nicht Ihr Recht auf Bargeld ein. Aber wenn Sie Leistungen der öffentlichen Hand erhalten, ist es doch selbstverständlich, dass die öffentliche Hand entscheiden darf, in welcher Form das geschieht“, so die Argumentation. Die ÖVP betont: „Asylwerber dürfen natürlich weiter Bargeld besitzen.“

Bleibt die Frage, wie sie zu Bargeld kommen, wenn Geldleistungen wie das Taschengeld gestrichen werden und der Zugang zum Arbeitsmarkt eingeschränkt ist.

Bargeldstopp als Abschreckung

„Sie vergleichen hier Äpfel mit Birnen“, schreibt das Ministerium für Integration unter Susanne Raab protestiert. „Wir wollen bei staatlichen Unterstützungsleistungen an Asylwerber auf Sachleistungen statt Geldleistungen setzen, um sicherzustellen, dass diese staatlichen Zuwendungen auch dafür verwendet werden, wofür sie gedacht sind und der Pull-Faktor in unser Sozialsystem reduziert wird.“

Die ÖVP – nicht zuletzt auch Johanna Mikl-Leitner, niederösterreichische Landeshauptfrau – sieht Maßnahmen wie ein Bargeldstopp als Mittel gegen Asylmissbrauch. Es soll verhindert werden, dass Asylwerber Geld in ihre Herkunftsländer schicken. Dafür sieht Gahleitner-Gertz vonm Verein Asylkoordination keine Evidenz und entgegnet: „Asylwerbernde leben wesentlich unter dem Existenzminimum.“ In Wien müssen sie etwa mit einem Taschengeld von 6,50 Euro pro Tag auskommen, das sind 235 Euro im Monat.

„Realitätsferne Abschreckungspolitik“?

Der Vorschlag hätte auch keine Auswirkungen auf die Bargeldversorgung in der Bevölkerung, jedoch auf die Ausgaben der Asylwerber:innen. Auch im Wartestadium auf eine Bleibeberechtigung, haben sie Ausgaben des täglichen Lebens.

Lukas Gahleitner-Gertz vom Verein für Asylkoordination deutet die aus Deutschland übergeschwappte Debatte als „realitätsferne Abschreckungspolitik“. Damit nutze man im Vorwahlkampf eine Gruppe Zielscheibe, die nicht einmal wahlberechtigt sei. Geldleistungen seien wichtig, so der Experte, nicht zuletzt in Situationen, wo zum Beispiel Flüchtlingskinder für einen Ausflug ein paar Euro abgeben müssen, wie er auch im Ö1 Morgenjournal erklärt – aber auch auf öffentlichen Toiletten. Die ÖVP-Forderung würde zu Stigmatisierung im Alltag führen.

Der Experte erinnert sich an die Flüchtlingskrise 2015, also vor fast zehn Jahren. Im damaligen Innenministerium unter FPÖ-Chef Herbert Kickl habe es schon Überlegungen zur Einführung einer „Refugee-App“ für Geflüchtete gegeben. Der inzwischen gestürzte Finanzdienstleister Wirecard, dessen Manager Jan Massalek mittlerweile flüchtig ist, wäre für die Abwicklung zuständig gewesen, berichtet auch Der Standard. Innenminister Karner bestätig der Tageszeitung auch, sich von einer Organisation vom ehemaligen Vizekanzler Michael Spindelegger beraten zu lassen. Spindelegger ist Generaldirektor des Zentrums für die Entwicklung von Migrationspolitik ist für die Implementierung einer Bezahlkarte für Asylwerber in Bayern involviert.

Mit Emotion in den Vorwahlkampf

Wo Gahleitner-Getz der Volkspartei indirekt schon Recht gibt: die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs müsse vorangebracht werden. Während Asylwerber in Tirol ein Bankkonto eröffnen können, ist das in Oberösterreich nicht möglich. Eine Bürokratie-freiere Verwaltung wäre laut dem Flüchtlingsexperten sinnvoll.

Innenminister Gerhard Karner ließ eine profil-Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Einen Vorschlag will er erst im Juni den Landesflüchtlingsreferenten auf den Tisch legen. 

Auch wenn der Vorschlag zur „Refugee-Card“ nicht ausgefeilt ist: Die ÖVP will die emotionalisierte Debatte offenbar im Vorwahlkampf nutzen.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.