Collage: Eine Polizistin und ein Polizist verhaften eine Person, davor ist ein Sperrband. Die Personen sind freigestellt und in schwarz-weiß
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Kriminalität: Warum Österreich sicherer ist, als behauptet

Boulevard und Populisten warnen vor steigender Gewalt und Verbrechen. Doch Daten zeigen: Österreich bleibt sicher.

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„Österreich ist eines der sichersten Länder dieser Welt“, sagte Herbert Kickl im März 2019, damals noch als Innenminister für den Kampf gegen die Kriminalität im Land verantwortlich. Seitdem ist viel passiert: Das Ibiza-Video beendete die türkis-blaue Koalition. Kickl übernahm die FPÖ, die ÖVP wieder das Innenministerium, das Coronavirus legte das Land und die Welt zwei Jahre lang lahm. Die Freiheitlichen wurden die stärkste Partei im Nationalrat und Kickl doch nicht Kanzler.

Im Juni dieses Jahres fragte der FPÖ-Chef im Parlament: „Herr Bundeskanzler, warum erzählen Sie denn den Österreichern nicht, dass die Sicherheit unserer Bevölkerung nicht mehr gegeben ist?“ Das nämlich sei „die traurige Wahrheit“.

Hat Herbert Kickl recht? Ist Österreich nicht mehr sicher?

Falsche Furcht

Blickt man auf die Kriminalitätsstatistik, war Österreich tatsächlich schon einmal sicherer. Aber nicht während Kickls Amtszeit, sondern unmittelbar danach, inmitten der Coronapandemie 2020 und 2021. Das Virus und die verhängten Lockdowns schränkten auch Kriminelle ein. Seitdem steigen die Anzeigen und Verurteilungen wieder – allerdings langsam und auf niedrigem Niveau. Eine Eskalation der Kriminalität zeigt sich dennoch nicht, im Gegenteil: Die Gesamtzahl der Anzeigen liegt immer noch unter dem Niveau von 2013, die der Verurteilungen ohnehin. Und: Die Polizei klärt mehr als jede zweite Anzeige auf. Anzeigen wegen Gewaltdelikten haben sogar eine Aufklärungsquote von fast 85 Prozent.

„Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt“, sagt Katharina Beclin vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien daher auch heute: „Und Wien ist eine der sichersten Städte der Welt.“ Tatsächlich ist Österreich derzeit etwa laut dem „Global Peace Index“ das viert-friedlichste Land der Welt, auch aufgrund seiner vergleichsweise niedrigen Zahl an Gewaltverbrechen. Besonders Medien könnten dennoch „ein Unsicherheitsgefühl erzeugen, für das es eigentlich keine Basis gibt“, sagt Beclin: „Der beste Beweis sind Menschen, die sich vor Wien fürchten, obwohl sie jahrelang oder noch nie in der Stadt waren. Wenn man die Wienerinnen und Wiener fragt, können sie keinen besonderen Anstieg der Kriminalität feststellen. Das zeigt, welche Auswirkungen mediale Fehlinformationen haben.“

Woran kann man Kriminalität am besten messen? „Grundsätzlich gelten schwere Delikte wie Mord oder Raubüberfälle als Marker dafür, wie sicher oder unsicher eine Stadt ist“, sagt Kriminologin Beclin. Die Zahl der Taschendiebstähle beeinflusse das subjektive Sicherheitsgefühl indes weniger. Doch Diebstahl ist nicht gleich Diebstahl: „Wohnungseinbrüche beeinträchtigen das Sicherheitsgefühl sehr stark“, sagt Beclin. Und auch die Zahl ihrer Anzeigen hat sich von über 17.000 im Jahr 2014 auf knapp unter 7000 im Jahr 2024 mehr als halbiert.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und mag Grafiken. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.