Investigativ

Kurz-Vertrauter: Abgeordnete hätten ja noch nachfragen können

Am Montag kam im Prozess wegen mutmaßlicher Falschaussagen vor dem Ibiza-U-Ausschuss der frühere Kabinettschef von Sebastian Kurz zu Wort. Warum der Ex-Kanzler-Mitarbeiter bewusst knapp gehaltene Angaben für ausreichend hält.

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Einst war er die rechte Hand von Sebastian Kurz – als mächtiger Kabinettschef im Bundeskanzleramt. Nun sitzt er an dessen rechter Seite vor Gericht. Wie sein Ex-Chef Kurz muss sich Bernhard Bonelli dieser Tage am Wiener Straflandesgericht wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss des Nationalrats verantworten. Wie Kurz bestreitet auch er alle Vorwürfe.

Am Montag, dem dritten Prozesstag, kam Bonelli ausführlich zu Wort. Zusammengefasst lässt sich festhalten: Für eine ausreichende inhaltliche Vorbereitung auf den Gang in den U-Ausschuss will Bonelli im Jahr 2021 keine Zeit gehabt haben. Da habe er gerade dem (von den Grünen geführten) Gesundheitsministerium bei der raschen Verteilung von Corona-Impfstoff unter die Arme greifen müssen. Zeit blieb offenbar nur, um sich von U-Ausschuss-gestählten Kollegen zwei zentrale Sicherheitstipps einzuholen: gegebenenfalls darauf verweisen, dass man sich nicht erinnern könne – und bei den Antworten möglichst knapp halten.

So trat Bonelli damals vor die Abgeordneten. Und nun sitzt er vor Gericht, weil die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) seine U-Ausschuss-Antworten rund um Postenbesetzungen bei der Staatsholding ÖBAG für gar zu knapp hält. Die Anklagebehörde meint, unter anderem auf Basis später ausgewerteter Chatnachrichten belegen zu können, dass Bonelli und auch Kurz deutlich stärker in diesbezügliche Entscheidungsprozesse eingebunden waren, als es vor dem Ausschuss den Anschein gehabt haben soll.

„Ein ziemliches Minenfeld“

In seinem Eingangsstatement betonte Bonelli am Montag vor Gericht, man könne sich „wahrscheinlich schwer vorstellen, wie viel man in so einer Rolle als Kabinettschef kommuniziert“. Es sei schwierig, sich eine Woche später noch zu erinnern, welche SMS man geschrieben habe. Im U-Ausschuss sei er zu Themen befragt worden, die bereits zwei Jahre zurück gelegen seien. Es sei unmöglich gewesen, sich daran zu erinnern. Darüber hinaus hätten die meisten Themen, zu denen er befragt worden sei, einen strafrechtlichen Bezug gehabt: „Ein ziemliches Minenfeld“, betont Bonelli: „Es war mein Vorsatz, dass ich so aussage, dass ich in kein Strafverfahren verwickelt werde.“ Deshalb habe er sich entschieden, vor allem bei Personalthemen nur über formale Vorgänge und nicht über informelle Vorgänge zu sprechen.

Eine weitreichende Entscheidung: Die WKStA verweist im Strafantrag auf die Begründung des Einsetzungsverlangens des U-Ausschusses, in der festgehalten ist: „Die Formulierung beschränkt sich absichtlich nicht auf die tatsächliche Ausübung der Eigentümerrechte, sondern umfasst auch informelles Vorgehen von Organen des Bundes (…)“. Der Kern der Untersuchung habe sich „für jedermann leicht erkennbar gerade auf die informellen Einflussnahmen“ gerichtet, hält die Anklagebehörde im Rahmen der Anklage fest.

 

„Die Frage war sehr breit“

Bonelli blieb jedoch vor Gericht dabei: Er habe die an ihn gerichteten Fragen mit Verweis auf die formellen Zuständigkeiten bei den Postenvergaben – etwa durch den Finanzminister – ausreichend beantwortet. Hätte es weiterführenden Informationsbedarf gegen, hätten die Abgeordneten im U-Ausschuss ja weiter nachfragen können.

Tatsächlich gab es damals im U-Ausschuss Nachfragen – etwa eine von NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter, der zur Bestellung der ÖBAG-Aufsichtsräte nachhakte: „Wie es aber dazu gekommen ist, die Überlegungen, wer in den Aufsichtsrat einziehen könnte, wer Vorsitzender werden könnte – war da Sebastian Kurz involviert?“ Richter Michael Radasztics wollte nun wissen, ob Bonelli davon ausgegangen ist, dass auch diese Nachfrage nur die formellen Rahmenbedingungen betroffen habe. Die Antwort des Kurz-Vertrauten: „Die Frage war sehr breit. Ich hatte mich entschieden, nur über formalen Prozess auszusagen.“ Die Frage sei so breit formuliert gewesen, dass die Antwort zulässig sei. Ob sie ausreiche, müsse – Bonelli zufolge – der Abgeordnete beurteilen, der ja noch weiterfragen hätte können.

„Schmid hat dasselbe gesagt“ – oder nicht?

Bonelli verweist darauf, dass auch der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, ein halbes Jahr zuvor im U-Ausschuss ausgesagt hatte, dass die Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrats durch den Finanzminister erfolgt sei. „Er hat dasselbe gesagt wie ich“, meint Bonelli. Gegen Schmid sei jedoch kein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage eingeleitet worden: „Es geht sich in meinem Hirn nicht aus, wie das in einem Rechtsstaat möglich sein kann.“

profil hat im Protokoll der U-Ausschuss-Befragung von Thomas Schmid nachgelesen. Tatsächlich sagte Schmid damals auf die Frage, wer konkret die Kapitalvertreter im Aufsichtsrat der ÖBAG bestellt habe: „Die Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrates erfolgte durch den Finanzminister.“ Als er nochmals danach gefragt wurde, sagte er: „Das entspricht dem ÖBAG-Gesetz.“ Auf Nachfrage nach dem Prozedere von Bewerbung und Bestellung entschlug sich Schmid dann allerdings der Aussage. Ein Schritt, den Bonelli bei seiner Befragung nicht gewählt hatte. Schmid war damals freilich schon selbst Beschuldigter im groß angelegten Ermittlungsverfahren nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Mittlerweile hat er ein umfangreiches Geständnis abgelegt und sich der WKStA als Kronzeuge angeboten.

„Ich wurde ausgelacht“

Bonelli wiederum argumentierte am Montag vor Gericht, er habe Sorge gehabt, sich in Bezug auf die informellen Abläufe in der Regierung nicht vollständig erinnern zu können und sich der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen: „Ich habe mich bewusst entschieden, meine Antworten knapp zu halten. Ich wurde unter Druck gesetzt und sogar ausgelacht. Mit dem damaligen Wissensstand würde ich wieder so aussagen.“

Ähnlich wie sein Ex-Chef Sebastian Kurz sucht auch Bonelli die Konfrontation mit der WKStA. Vor Gericht insinuierte er, die WKStA könnte deshalb gegen ihn Ermittlungen eingeleitet haben, weil er im Februar 2021 ein Positionspapier mit der Forderung, die WKStA zu zerschlagen, ans Justizministerium geschickt habe. Er empfinde es nicht als objektiv, dass die WKStA gegen ihn ermittle, hielt Bonelli fest.

Betont sei, dass Ermittlungen der WKStA nicht im luftleeren Raum stattfinden. Es gibt Berichtspflichten gegenüber den Oberbehörden. Bevor eine Anklage bei Gericht eingebracht wird, muss diese von der Oberstaatsanwaltschaft und vom Justizministerium freigegeben werden. Das Ministerium lässt sich dabei zusätzlich noch vom sogenannten Weisungsrat beraten.

„Mit Vorschlägen eingebracht“

Richter Michael Radasztics erörterte mit Bonelli am Montag auch einige Chatnachrichten. Darin ging es unter anderem um die damals bevorstehende Bestellung von ÖBAG-Aufsichtsräten. Bonelli erklärte seine Involvierung dahingehend, dass er sich in einer Ausnahmesituation eingebracht habe: Quasi im letzten Moment sei nämlich überraschend die Kandidatin für den ÖBAG-Aufsichtsratsvorsitz abgesprungen. Es musste demnach eilig Ersatz gefunden werden: „Ich habe mich offensichtlich im Nachgang noch weiter mit dieser Krisensituation beschäftigt. Wenn etwas nicht so läuft wie geplant, muss man reagieren. Ich bleibe dabei, dass die Entscheidung der Finanzminister getroffen hat.“ Er selbst habe lediglich „in einer Krisensituation mit Vorschlägen eingebracht“.

Die WKStA hat am Montag die gesamten ihr vorliegenden Chatverläufe zwischen Schmid und Kurz beziehungsweise Schmid und Bonelli dem Gericht vorgelegt. Richter Radasztics prüft nun, ob er diese zum Akt nimmt. Beim nächsten Verhandlungstermin, am 17. November, soll – so zumindest die vorläufige Planung – der mit Hochspannung erwartete Thomas Schmid in den Zeugenstand gerufen werden.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).