Rosemarie Schwaiger

Leitartikel: Rosemarie Schwaiger Geschlossene Anstalt

Leitartikel. Nach zwei Monaten im Amt ist die Regierung rücktrittsreif

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Keine Sorge, alles wird gut. Das Abwracken der Hypo Alpe-Adria wird ziemlich sicher nicht 19 Milliarden Euro kosten. Vielleicht sind es nur 13 Milliarden, mit etwas Glück auch bloß neun oder zehn. Es gibt ja immer wieder Sonderangebote.

Deshalb ist es töricht, jetzt schon wieder über ein Sparpaket zu reden. Wahrscheinlich kommt keines. Falls doch, wird es kaum stören. Die Republik braust bekanntlich schnurstracks in Richtung Nulldefizit. Ein paar Milliarden mehr oder weniger fallen da nicht so ins Gewicht.
Das ist es im Wesentlichen, was die Österreicher von offizieller Seite über den Kriminal- und Insolvenzfall Hypo Alpe-Adria zu hören bekommen. Wenn sie überhaupt etwas zu hören bekommen. Am Donnerstag konnte sich der Finanzminister nach tagelangem Schweigen zu einem ORF-Interview aufraffen. Seine Kernbotschaften: Schuld sind die Kärntner. Aber so schlimm wird es eh nicht. „Wichtig ist, in einer solchen Situation nicht hysterisch zu agieren“, erklärte Michael Spindelegger. Als hätte es je einen Grund gegeben, ausgerechnet ihm Hysterie zu unterstellen.

Das Kabinett Faymann II ist seit zwei Monaten im Amt. Ebenso lange beschweren sich Politiker von Rot und Schwarz über die schlechte Behandlung durch die Medien und – ausgewiesen in Meinungsumfragen – durch das Volk. Tenor des Lamentos: Gar nix können wir euch recht machen. In Wirklichkweit ist es genau umgekehrt. Die inferiore Qualität der Regierungsarbeit hätte längst zu Massendemonstrationen in sämtlichen Landeshauptstädten führen müssen. Nur dem Phlegma der Österreicher verdanken es Werner Faymann und Michael Spindelegger, dass sie weiterhin mit der vollen Legislaturperiode kalkulieren können. Denn eigentlich wären beide reif für den Rücktritt. Allein die letzten paar Tage hätten dafür gereicht.

Man muss sich nur einmal vorstellen, das Hypo-Drama würde sich woanders abspielen, in Deutschland zum Beispiel. Angenommen, Angela Merkel stünde plötzlich vor einer potenziellen Finanzierungslücke von 190 Milliarden Euro (so hoch wären die Hypo-Miesen umgelegt auf den deutschen Staatshaushalt) und würde einfach nichts dazu verlauten lassen. Nicht bloß nichts Erhellendes, sondern schlicht: nichts. Klingt absurd, oder?
In Österreich geht das.

Werner Faymann befindet sich seit Tagen im inneren Exil. Die „budgetpolitische Katastrophe“ (Copyright Bundespräsident Heinz Fischer) scheint ihn nicht weiter zu interessieren. Schließlich hat Jörg Haider selig das Chaos angerichtet. Soll sich darum kümmern, wer will. In Faymanns Welt sind Politiker nur für jene Probleme zuständig, die sie selbst verursacht haben. Das reicht ja auch, wird er sich denken. Erst am Montag soll es eine gemeinsame Erklärung mit dem Finanzminister geben. Auch nicht freiwillig: Die Opposition musste ihn zwingen.

Michael Spindelegger wiederum ist sogar nach Ansicht mancher Parteifreunde mit seinem Ressort überfordert. Nebenbei kämpft er auch noch darum, die Wirtschaft zu entfesseln und seinen Sessel als Parteiobmann zu retten. Der Mann hat richtig Stress. „Ich folge dem, was uns unsere Experten sagen“, erklärte er. Die Genies von der Task Force Hypo empfehlen nun die besonders teure Variante einer „Anstaltslösung“. Falls sie sich täuschen, ist wenigstens kein Politiker schuld.

Weil sie selbst keine Lust hatten, schickten die beiden Parteichefs jüngst Ersatzpersonal ins Pressefoyer nach dem Ministerrat. Sophie Karmasin und Gabriele Heinisch-Hosek mussten über alte Kamellen in der Familienpolitik referieren und konnten, mangels Zuständigkeit, über die Finanzlage der Republik leider gar nichts sagen. Bei allem Respekt vor den beiden Damen: Eine frauenfeindlichere Aktion gab es lange nicht. Wie sie da standen, hilflos, rührend und loyal, entsprachen sie haargenau dem Bild, das ein Durchschnittsmacho von Frauen in Führungspositionen hat. Vielen Dank auch.

Natürlich stimmt es, dass der größte Teil der Katastrophe schon vor Jahren vom Kärntner Landeshauptmann und seinen willfährigen Landesräten verschuldet wurde. Aber seit der Verstaatlichung der Hypo Ende 2009 lag die Zuständigkeit beim Bund. Drei schwarze Finanzminister und ein roter Bundeskanzler taten in diesen vier Jahren alles, um die Dinge aus dem Ruder laufen zu lassen. Die marode Bank war das Schmuddelkind der Innenpolitik. Keiner der politisch Verantwortlichen wollte anstreifen, Entscheidungen treffen, zur Abwechslung einmal die Wahrheit sagen. Das kommt halt heraus, wenn gewählte Mandatare kein anderes Anliegen mehr haben als das, ihre Ämter zu behalten.

Sehr ähnlich lief es schon beim nach der Wahl urplötzlich aufgetauchten Budgetloch. Erst fehlten für die nächsten fünf Jahre 40 Milliarden Euro, dann kurzfristig gar nichts und am Schluss exakt 24,24 Milliarden. Hauptsache, SPÖ und ÖVP hatten sich irgendwie über den Wahltermin retten und ihre kümmerliche Mehrheit halten können. Von politischer Glaubwürdigkeit schwafeln ohnehin nur Romantiker.

Immerhin gibt es demnächst Gratis-Zahnspangen für Kinder. Das Volk könnte wirklich ein bisschen dankbarer sein.

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