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Lockdown-Automat

Wie geht es den Bürgern im dauerhaften Ausnahmezustand? Und könnte ein Automat die Regierung ersetzen?

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Guten Morgen!

Ostern also. Nein, das ist nicht ganz korrekt: „Rund um Ostern“, hat der Bundeskanzler gesagt. Da dürfen Restaurants, Kinos, Hotels, Fitnesscenter und Theater vielleicht, eventuell wieder aufsperren. Sicher ist man gut beraten, bei „rund um Ostern“ frühestens an den Dienstag NACH Ostern zu denken. Das Wochenende und die Ferien davor meint Sebastian Kurz eher nicht. Wie im Vorjahr wird der Kanzler seine gütige, weise Entscheidung dann als „Auferstehung“ branden. Ist ja praktisch, wenn man katholisches Brauchtum so freihändig mit staatlicher Willkür kombinieren kann. 

Langsam wird die österreichische Pandemiepolitik doch ein wenig ermüdend – auch im Vergleich mit anderen Ländern: Die Niederlande versuchen gerade herauszufinden, wie man virensicher Großveranstaltungen durchführen könnte. Auf dem Programm stehen unter anderem ein Kabarettabend, ein Fußballspiel und eine Fachtagung. In der Schweiz herrscht zwar auch Lockdown, aber viele Hotels und Hotelrestaurants sind trotzdem für Urlauber geöffnet. Zum Friseur durften die Schweizer ohnehin jederzeit. Die Schweden setzten von Anfang an auf eine ganz andere Strategie und kamen bisher ohne landesweite Zusperrorgien aus. In Österreich dagegen könnte man die Pandemiepolitik ohne nennenswerte Qualitätseinbußen durch einen Automaten ersetzen, der täglich zu fixen Zeiten mit knarrender Computerstimme „Lockdown“ sagt. Mehr fällt den Damen und Herren von Türkis-Grün ja auch nicht ein.

Die Nerven liegen blank

Wie es den Bürgern im dauerhaften Ausnahmezustand geht, beschreibt profil in den „Corona-Chroniken“. Zum bereits dritten Mal befragten die Kollegen zwölf ganz normale Österreicher zu ihren Pandemie-Erfahrungen. Acht Mal habe er die geplante Öffnung seines Hauses verschieben müssen, erzählt etwa Gregor Hoch, Hotelier in Lech am Arlberg. „Der ganze Ort wirkt seiner Bestimmung beraubt. So verloren“, sagt Hoch. Sabine Kraschitzer ist Reinigungskraft in einem steirischen Betrieb – aber vielleicht nicht mehr lange: „Ende März endet die Kurzarbeit. Die Nerven liegen blank. Es wird eng für uns.“ Ein Supermarkt-Manager in Wien, der anonym bleiben möchte, berichtet von der angespannten Stimmung in den Geschäften: „Das Klatschen hat sich komplett aufgehört. Jetzt werden Mitarbeiter schnell angeschnauzt, wenn die Maske nur kurz unter die Nase rutscht.“ Aber es gibt auch positive Geschichten: „Ich habe im Mai meinen Onlineshop gestartet, seit Oktober läuft der richtig an – und ehrlich gesagt, ohne Corona wäre das nicht so schnell gegangen“, erzählt Toni Woldrich, Boutique-Betreiber in Wien-Neubau.

Zu den wenigen Krisengewinnlern gehört dem Vernehmen nach auch Canis Lupus familiaris, der Haushund. Wenn wir andere Menschen nicht mehr herzen und umarmen dürfen, sind die Vierbeiner eine mögliche Rettung. Angelika Hager und Sebastian Hofer beschreiben diesen „Wau-Effekt“ und seine möglichen Folgen im aktuellen profil.

Wer auf ganz andere Gedanken kommen will, sollte die Geschichte von Siobhán Geets lesen. Sie schreibt über einen mysteriösen Kriminalfall im Ural der seit mehr als sechs Jahrzehnten ungelöst ist und jetzt vor der Klärung stehen könnte. Warum starben neun Skiwanderer im Winter 1959 am Djatlow Pass? Und warum waren manche der Leichen fast nackt und teilweise schwer verstümmelt?

In Österreich ist es jetzt endlich wieder wärmer als im Ural. Da soll noch einer sagen, es gebe keine guten Nachrichten.

Schönen Mittwoch!

Rosemarie Schwaiger

PS: Gibt es etwas, das wir an der „Morgenpost“ verbessern können? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.

Rosemarie Schwaiger