Georg Wailand („Kronen Zeitung“), Minister Martin Kocher, Martina Salomon („Kurier“), Gernot Bauer (profil)
Club 3

Martin Kocher: „Vorsichtiger formulieren“

Wie viel arbeitet ein Arbeitsminister? Haben wir eine falsche Vorstellung von den Ukraine-Flüchtlingen? Was unterscheidet die Wissenschaft von der Politik?

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Hat Arbeitsminister Martin Kocher eigentlich viel zu tun? Die schnoddrige Antwort von Journalisten lautet: In normalen Zeiten eher nicht, zumindest nicht im Vergleich zu seinen Regierungskollegen. Denn das Arbeitsministerium ist ein Miniaturressort. Trotzdem ist Kocher seit seinem Amtsantritt im Jänner 2021 ein viel beschäftigter Mann. Die Corona-Pandemie war ein Schock für den Arbeitsmarkt, den wir bis heute spüren. Kocher ist der Mann, der diesen Schock dämpfen soll. Und nun soll er auch ein Konzept entwickeln, um Flüchtlinge aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt zu integrieren. 

Genug Stoff also für ein ausführliches Gespräch. Vergangenen Freitag war der parteifreie Arbeitsminister Martin Kocher, den Sebastian Kurz in die Regierung holte, Gast im Club 3, dem gemeinsamen Talk-Format von „Kronen Zeitung“, „Kurier“ und profil. 

Gleich zu Beginn stellt sich ein ethisches Problem. Die ukrainischen Flüchtlinge sind gerade vor Tod, Leid und Elend geflohen. Viele Familienväter blieben zurück. Darf man da schon diskutieren, wie geeignet Ukrainerinnen und Ukrainer für den heimischen Arbeitsmarkt sind? Und wie man vor allem die besser Gebildeten von ihnen in Österreich hält? Es wäre fast „zynisch“, dies in der jetzigen Situation breit zu diskutieren, sagt Kocher. Zunächst müsse man die Basics für die Flüchtlinge sicherstellen: Grundversorgung, Gesundheitsversorgung, Integration der Kinder in den Schulen und Kindergärten.

Und dann sagt er doch noch einiges zu den Arbeitsmöglichkeiten für Ukrainer: dass der gesamte Arbeitsmarkt geöffnet werde; dass das Ausbildungsniveau in der Ukraine vergleichsweise hoch, unser Bild von den Flüchtlingen aber vielleicht zu positiv verzerrt sei; dass es insgesamt eine ziemliche Herausforderung werde.

Martin Kocher ist Arbeitsminister, im Zivilberuf Ökonomie-Professor. Man kann daher mit ihm auch über wirtschaftliche Themen sprechen: die Inflation, den Rubelkurs, das Pensionssystem, den Gender-Pay-Gap. Unmittelbar verantwortlich ist Kocher für die Reform der Arbeitslosenversicherung. In den vergangenen Monaten war er viel in Europa unterwegs, um die Systeme anderer Länder zu studieren. 

Nach Kochers Reformplänen sollten Arbeitslose zu Beginn ihrer Beschäftigungslosigkeit mehr Geld, bei längerer Dauer aber weniger als derzeit erhalten. Aus Sicht der Grünen sollten Arbeitslose zu Beginn mehr Geld, bei längerer Dauer aber auch nicht weniger erhalten. Viel Spielraum scheint es da nicht zu geben. Kocher rechnet dennoch fix mit einer Einigung in der ÖVP-Grünen-Koalition. Die Notstandshilfe bleibt jedenfalls erhalten.

Wie jeder Wissenschafter, der Minister wird, hatte auch Kocher zu verinnerlichen, dass man in der Politik „vorsichtiger formulieren muss“. In der Wissenschaft mache man „wertfreie“ Aussagen, die auch jeder wertfrei beurteile. In der Politik würden auch Aussagen, die wertfrei gemeint sind, automatisch bewertet. Damit habe er aber kein Problem, so Kocher. Mühsam seien allerdings Diskussionen, die „mit ideologischen Scheuklappen“ geführt würden. 

Wie lang er Minister bleiben wird? Sein „Planungshorizont“, sagt Kocher, sei die laufende Legislaturperiode, die regulär 2024 enden würde. Und danach? Er sei Wissenschafter und könne in seine Professur an der Universität Wien zurückkehren. Hat ihm sein derzeitiger Chef, Bundeskanzler Karl Nehammer, vielleicht schon ein Beitrittsformular für die ÖVP vorgelegt? Das, sagt Kocher, war nie ein Thema.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.