Sehen wir Vizekanzler Werner Kogler demnächst mit Krawatte?

profil-Morgenpost: Krawatten-Debatten

Guten Morgen!

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Edith Meinhart

Es ist ja nicht so, dass in der profil-Redaktion ausschließlich Menschen in gut sitzenden Anzügen, frisch gebügelten Blusen und dezent-farbigen Faltenröcken arbeiten. Wir leisten uns – von den famosen Socken des Herausgebers einmal abgesehen – durchaus ein paar modische Extravaganzen. Außerdem verlottern unsere Kleidersitten mit schöner Regelmäßigkeit, je näher der Redaktionsschluss rückt. Freitag erreicht die Dichte an Hoodies, Beanies und Rave-tauglichen Shirts ihren wöchentlichen Höhepunkt.

Bademantel und Krawatte

Was stilistische Lässigkeit betrifft, schlägt uns nun ausgerechnet das Innenministerium um Längen. Dort soll der für Korruptionsermittlungen zuständige Beamte fallweise im Bademantel Dienst versehen haben. Wenn das wahr ist – die Vorwürfe werden derzeit geprüft – verstößt das natürlich gegen alle möglichen Dress- und anderen Codes, zumal noch andere Anzüglichkeiten im Spiel gewesen sein sollen.

Schwierigkeiten mit der passenden Adjustierung sind jedenfalls weit verbreitet und kommen auch im Interview, das meine Kolleginnen Eva Linsinger und Rosemarie Schwaiger mit dem Grünen-Vizekanzler Werner Kogler führten, zur Sprache. Nachdem die Grünen 2017 aus dem Parlament geflogen waren, fehlte Kogler es nicht am richtigen Outfit, sondern gleich an einem Büro, weshalb er es sich angewöhnte, zwei Sackerl mit sich zu führen: eines für die Unterlagen, das andere für ein Hemd zum Wechseln. Die Sackerl des Grünen waren nicht aus Plastik, sondern aus Stoff. Bei Politikern geht es auch beim Gewand und bei den Accessoires nicht ohne Symbolik.

Die Frage, ob Kogler heuer auf den Opernball gehe, erwidert er mit der Gegenfrage, ob es denn stimme, dass hier „Frackzwang” herrsche. Das Kleidungsstück fehlt in seinem Schrank natürlich, er besitze „nicht einmal eine Fliege”. Allerdings hat ihn der Pragmatismus längst am Krawattl: „Wenn 50 Prozent der Bevölkerung den Vizekanzler gern in Krawatte sehen, würde ich mir vielleicht eine umbinden”, sagt er im profil-Gespräch.

Bus und Lebenslauf

In der Geschichte über das türkis-grüne Beschnuppern bei der Regierungsklausur in Krems tauchen am Rande überraschend noch ein paar Bademäntel auf. Anders als die türkis-blaue Vorgängerregierung, die mit dunklen Limousinen zu ihren Zusammenkünften reiste und sich vor Ort von Polizei und Securities abriegeln ließ, nahmen Türkise und Grüne dieses Mal den Bus und gingen – mangels Abschottung – auf Tuchfühlung mit Hotel-Gästen in Spa-Frottee.

Dass man hingegen selbst im tadellosen Anzug nicht immer eine vorteilhafte Figur macht, beweist Peter Sidlo, Kurzzeit-Vorstand bei den Casinos Austria. Der Headhunter Egon Zehnder ließ sich von Sidlos Äußerem nicht blenden und unterzog den FPÖ-Wunschkandidaten einer „breiten Lebenslaufanalyse”, bei der Sidlo nicht gerade glänzend ausstieg, wie Christina Hiptmayr berichtet.

Deal und Zweikampf

Übrigens: Dass profil-Redakteure mitunter draußen bleiben müssen, liegt nicht etwa an ihrem Outfit, sondern an ihren unbotmäßigen Fragen. Vor einem halben Jahr veranstaltete die damalige Übergangs-Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl ein Pressegespräch, bei dem es um die Eurofighter-Gegengeschäfte ging. profil zählte nicht zum „ausgewählten Kreis” der Eingeladenen, obwohl – eher weil – das Magazin sich jahrelang hartnäckig und ausführlich dem Thema gewidmet hatte. Stefan Melichar und Michael Nikbakhsh blieben trotzdem – oder gerade deswegen – dran und erhielten exklusiven Einblick in die Gesamtabrechnung der ominösen Deals.

Ich erzähle Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen zum Schluss verrate, dass sich Viren herzlich wenig um das Aussehen unserer Spezies kümmern und ihre Wirte unabhängig von Rang und Ansehen anspringen. Die aktuelle Titelgeschichte enthält jedoch viel Wissenswertes und Erstaunliches zum ewigen Zweikampf zwischen Mensch und Mikrobe.

Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenbeginn. Edith Meinhart

P.S. Gibt es etwas, das wir an der „Morgenpost“ verbessern können? Das Sie sich von einem Newsletter in aller Herrgottsfrüh wünschen würden? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, dann lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

war von 1998 bis 2024 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges.