Titelgeschichte

Muna Duzdar: „Das Kind muss nicht mir alleine gehören“

Die Ex-SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar ist zurück im Parlament: mit Baby. Seit vier Monaten liebt sie einen kleinen Buben, der bei ihr ein neues Zuhause gefunden hat als wäre er ihr eigenes Kind. Kontakt mit der leiblichen Mutter und seinen Geschwistern sucht sie trotzdem aktiv.

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Muna Duzdar ist seit vier Monaten im Mutterglück. Ihren Pflegesohn hat die 44-Jährige SPÖ-Nationalratsabgeordnete und Rechtsanwältin Ende März, nur zwei Tage nach seiner Geburt, aus einer Wiener Klinik abgeholt. Bei der Mutter war klar, dass sie nicht in der Lage sein würde, für den Neugeborenen zu sorgen. Ihr waren zuvor schon zwei Kinder abgenommen worden. Mehr Angaben macht Duzdar bewusst nicht über ihren Hintergrund.

„Ich hatte mich schon vor fünf Jahren mit dem Gedanken getragen, ein Pflegekind aufzunehmen, weil ich mitbekam, wie viele Babys und Kleinkinder aus schwierigsten Verhältnissen ein zu Hause suchen.“ Sie absolvierte den zehnmonatigen Vorbereitungskurs. Doch noch gingen die politische Arbeit und die Gründung der eigenen Kanzlei vor. „Die Vorstellung, Pflegemutter zu werden, blieb in meinem Hinterkopf.“ Im Herbst 2022 wandte sie sich dann erneut an das Wiener Kinder- und Jugendamt (MA 11) - und es ging Schlag auf Schlag. Nach einem finalen Check ihrer Lebensumstände bekam Duzdar ihr Baby - zum frühestmöglichen Zeitpunkt, den sie bei dem Jugendamt angegeben hatte. „Die Krankenschwester wartete schon und drückte mir das eingewickelte Baby in die Hand. Ich bleib zwei Tage mit ihm im Spital und war einfach nur überwältigt. Ich dachte mir, so muss sich das nach einer Geburt anfühlen.“

Das Kind musste weder auf Alkohol- noch auf Drogen-Entzug. Ein solches Pflegekind hatte Duzdar im Vorfeld ausgeschlossen. „Eine mögliche Behinderung des Kindes traute ich mir als berufstätige Alleinzerzieherin einfach nicht zu.“ Die rumänische Nationalität des Pflegesohnes fand sie reizvoll. Duzdar hat selbst palästinensischen Migrationshintergrund. „Ich möchte die Herkunft des Kindes nicht verschleiern, sondern ihn an seine Identität heranführen. Er muss nicht mir allein gehören.“ Den Kontakt zur Mutter sucht sie, „auch, um Fotos für später zu machen“. Er kam noch nicht zu Stande. Auch zu den ebenfalls noch sehr jungen Halbgeschwistern will Duzdar Kontakt aufbauen. Sie stammen von derselben Mutter und wohnen bei anderen Pflegefamilien in Wien.

Ich habe großen Respekt vor der Mutter, weil sie mit der Freigabe ihrer Kinder den Kreislauf eines tragischen Schicksals, das sich oft auf Kinder überträgt, durchbrochen hat

Muna Duzdar

will, dass ihr Pflegesohn weiß, woher er kommt

„Ich habe großen Respekt vor der Mutter, weil sie mit der Freigabe ihrer Kinder den Kreislauf eines tragischen Schicksals, das sich oft auf Kinder überträgt, durchbrochen hat“, sagt Duzdar. Bedenken, das Kind eines Tages wieder an die biologische Mutter zu verlieren, hat sie „de facto“ nicht. Die Frage, „bleibt das Kind bei Dir“, begleitet sie dennoch von Anfang an - auch in ihrer eigenen Familie. „Ich möchte ein Bewusstsein dafür schaffen, wie selten Pflegeltern die Kinder wieder verlieren. Das passiert vielleicht in drei bis fünf Prozent aller Fälle.“

Im Berufsalltag spannt Dudzar schon mal Kollegen für Kinderwagenrunden ein. Oder sie nimmt den Kleinen mit, wie bei ihrer Rückkehr als Abgeordnete ins Parlament. Duzdar rückte im Juli für Ex-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner in den Nationalrat nach – das Foto von ihr und ihrem Kleinen ging durch die Medien.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.