Neue Spekulationen um KZ Gusen

Gab es ein unterirdisches KZ in der Stollenanlage?

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Der vorigen Sonntag vom ZDF ausgestrahlte Dokumentationsfilm „Die geheimste Unterwelt der SS“ hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Demnach habe es in der Stollenanlage in St. Georgen und Gusen bei Mauthausen ein bislang nicht bekanntes unterirdisches Lager für dort arbeitende KZ-Häftlinge gegeben. Bislang war bekannt, dass zehntausende Häftlinge der Konzentrationslager Gusen I und II – darunter mehrheitlich polnische Zwangsarbeiter - dort unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten, zuerst beim Bau der Stollen, dann bei der Produktion von Düsenbombern. Die im Film erwähnten Behauptungen und Dokumente wurden von der Leiterin der Gedenkstätte Mauthausen, Barbara Glück, in Zweifel gezogen. Sie sprach von „Spekulationen“.

Geschichte müsse neu geschrieben werden

Der Grazer Historiker Stefan Karner erklärte aber, dass der Bau von Geheimwaffen und die Größe der unterirdischen Stollen bis heute zu wenig erforscht seien. Es habe -neuen Indizien wie Luftaufnahmen und Dokumente der Alliierten zufolge - möglicherweise auch ein viertes oder fünftes Stockwerk im Stollen „Bergkristall“ gegeben. Die Geschichte Gusen und St.Georgen müsse neu geschrieben werden, falls es tatsächlich dort ein unterirdisches Lager gegeben habe. Laut neuen Aktenfunden könnte es sein, dass tausende Häftlinge in den letzten Kriegstagen lebendig eingemauert wurden.

Der Linzer Filmemacher Andreas Sulzer, ein Autor der neuen Filmdoku, hat schon 2015 eine Dokumentation veröffentlicht, wonach in der Stollenanlage auch mit Atomwaffen experimentiert worden sei. Der Sohn des SS-Lagerkommandanten, Walter Chmielewski, der damals 15 Jahre alt war, erinnert sich an Aussagen von SS-Leuten, die von unterirdischer Produktion von Geheimwaffen gesprochen hätten. Er selbst hatte auch Raketenteile in den Stollen gesehen.

Neue Untersuchungen gefordert

Das Gedenkdienstkomitee Gusen fordert nun neue Untersuchungen. Dies sei man den getöteten Häftlingen schuldig. Freilich wurden Stollenanlagen schon von der SS und später von US-Streitkräften und 1947 von sowjetischen Truppen gesprengt. Und erst vor wenigen Jahren wurden noch erhaltene Stollen mit Beton aufgefüllt, um darüber liegende Häuser vor dem Einsturz zu bewahren. Zugänglich ist nur mehr ein Stollen von 1,2 km Länge.