Naturschutz

Österreichs Forstwirte fürchten den Green Deal der EU – zurecht?

Am 11. Juli wird im Plenum des EU-Parlaments über den Green Deal abgestimmt. Die österreichische Forstwirtschaft und die Bundesländer sträuben sich dagegen – dabei sind gesunde Wälder eine Bedingung für Klimaneutralität.

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Von den europäischen Wäldern hängt so einiges ab. Wenn ihre Bäume gesund sind, saugen sie Kohlenstoffdioxide ein, ihre Wurzeln schützen vor Hochwasser. Der Green Deal, ein Herzensprojekt der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen, soll sicherstellen, dass die Wälder den erwartbaren Naturkatastrophen standhalten und darüber hinaus die Atmosphäre von Kohlenstoffdioxid bereinigen.

Das erstmals im Juni 2022 vorgeschlagene Gesetz soll die Krise der biologischen Vielfalt bekämpfen, indem es rechtsverbindliche Ziele für die Wiederherstellung von Wäldern, Mooren und Meeresböden festsetzt.

Nach wie vor ist das Vorhaben im europäischen Parlament – aber auch innerhalb Österreichs – umstritten. Das EU-Renaturierungsgesetz hat am Dienstag im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments keine Mehrheit gefunden. Die Abstimmung ging 44 zu 44 aus. Kommt der Naturschutz mit einem halben Green Deal aus?

Jetzt kommt es auf die 705 EU-Abgeordneten an. Und auf viel Verhandlungsgeschick.

„Ein Wald, der stirbt, wird auch nicht wirtschaftlich erfolgreich.“

Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäische Kommission
 

Blockiert wird vor allem vonseiten der Europäischen Volkspartei (EVP). Doch auch der freiheitliche Europaparlamentarier Roman Haider freute sich über die Ablehnung der Verordnung am Dienstag. Er hoffe, dass „dieses unselige Bauern-Enteignungsgesetz“ auch im Plenum „abgelehnt wird“.

Bundesländer auf der Bremse

Auch in Österreich wird gestritten: Hierzulande ist Naturschutz Ländersache – und die Holzlobby stark. Die Bundesländer waren geschlossen dagegen und so musste sich Umweltministerin Leonore Gewessler bei der Abstimmung beim EU-Umweltministerrat in Luxemburg am vergangenen Dienstag ihrer Stimme im Votum über den Green Deal enthalten. Der grüne Europa-Abgeordnete Thomas Waitz kritisiert im profil-Gespräch die Zuständigkeit der Länder: „Klimaschutz funktioniert nur grenzüberschreitend. Eigentlich müssten wir weltweit zusammenarbeiten.“ In Österreich sollte Naturschutz „zu Bundesangelegenheit werden“, so der Grünen-Abgeordnete.

Auch wenn die Zeit drängt – bis 2030 sollen die Nettotreibhausemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden, bis 2050 sollen die EU-weiten Emissionen auf null reduziert werden –, muss noch viel verhandelt werden.

Die Bedenken der Forstwirte

Die österreichische Holzwirtschaft fordert eine umfassende Folgenabschätzung der EU-Politik und ihrer Wechselwirkungen auf die Wälder und die Wertschöpfungskette Forst- und Holzwirtschaft. Man bekenne sich zwar grundsätzlich zu den Klimazielen, das Renaturierungsgesetz lehnen die Interessensvertreter aber ab. Denn sie fürchten, dass sie weniger Flächen schlägern dürfen – und die Bewirtschaftung deutlich teurer wird. „Das Nature Restauration Law in der angedachten Form ist ungeeignet und gefährdet die Zukunft des Waldes mehr als diesem zu helfen“, bringt Herbert Jöbstl, Obmann des Fachverbands der Holzindustrie Österreichs, gegenüber profil die Bedenken seiner Branche auf den Punkt. Er kritisiert, dass das Gesetz Waldflächen unter „noch strengeren gesetzlichen Schutz“ stellen und die Waldbewirtschaftung einschränken würde.

Das Nature Restauration Law in der angedachten Form gefährdet die Zukunft des Waldes mehr als diesem zu helfen.

Herbert Jöbstl, Obmann des Fachverbands der Holzindustrie Österreichs

Die Nature Restauration Law, also das Restaurierungsgesetz, sei für den Wald in Österreich „nicht nötig“, Österreich verfüge über eines des strengsten Forstgesetze, und die heimischen Waldeigentümer würden ihre Wälder seit Jahrzehnten nachhaltig pflegen, um sie der nächsten Generation zu übergeben. Es werde zudem weniger Holz entnommen als nachwächst.

Kommission hält dagegen

Man habe nichts gegen die Bewirtschaftung der Wälder, lautet die Antwort von EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans auf diese Bedenken, aber: „Ein Wald, der stirbt, wird auch nicht wirtschaftlich erfolgreich.“ Der Sozialdemokrat hofft weiterhin auf gemeinsame Lösungen in der Forstpolitik, damit es den Wäldern besser gehe. Die Schwierigkeit sei, dass die 27 EU-Länder jeweils anders kommunizieren. Österreichs Forstwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) kritisiert in einer Aussendung, dass die „land- und forstwirtschaftliche Expertise der Mitgliedstaaten und deren Kompetenzen auf EU-Ebene unzureichend Berücksichtigung“ finden würden. Es könne nicht sein, dass „Entscheidungen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Forstwirtschaft haben, in anderen EU-Ratsgremien getroffen“ werden.

Auch hier sei es laut Frans Timmermanns wichtig, sich Russland gegenüber zu positionieren. Man müsse „zeigen, welche transformative Kraft Europa hat“. Es würde Geduld und Geld kosten, gibt Timmermans zu bedenken. Geduld also, um Skeptiker doch noch umzustimmen, Geld, weil eine umweltfreundliche Forstwirtschaft nur mit teureren Technologien einhergeht. Kahlschläge mit großen Maschinen sind billiger – da kostet es 17 bis 20 Euro pro Kubikmeter. Sensiblere Ringschläge kosten fast doppelt so viel: 35 Euro pro Kubikmeter.

„Die bereits geschützten Waldflächen sind in schlechtem Zustand.“

Thomas Waitz, Grüne

Waldflächen in „schlechtem Zustand“

Thomas Waitz von den Grünen warnt vor Falschnachrichten in der Debatte. Bei den Richtlinien um Naturwiederherstellung gehe es nicht um die Außer-Nutzungsstellung von Wäldern. „Wir sehen aber, dass die bereits geschützten Waldflächen in schlechtem Zustand sind.“ Österreich müsse naturnahe Forstwirtschaft betreiben, damit man „auf der Fläche immer etwas wachsen hat.“ Das bedeutet: „Kein Kahlschlag mehr“. Das sei deshalb wichtig, so Waitz, weil es ohne technische Lösungen keine andere Möglichkeit als die Photosynthese der Wälder gebe, große Mengen an Kohlenstoffdioxid einzusammeln.

Doch die Holzwirtschaft fordere große Mengen an geerntetem Holz und verteidige die alte Kahlschlagwirtschaft, sagt Waitz. „Wenn man den Wald kahlschlägt, wird er zum Kohlenstoffdioxid-Emissionsfeld.“ Bereits jetzt würden etwa finnische Wälder nicht mehr die CO2-Sänke aufweisen, um den Veränderungen des Klimas standzuhalten. Trockenheit, Stürme, aber auch Ungeziefer werden somit zu einer großen Bedrohung. Eine andere Baustelle, die Thomas Waitz anspricht, ist der Umstieg von Fichte auf Tanne – diese sei resistenter gegen die klimabedingten Herausforderungen.

Sollte es tatsächlich zu einem Gesetzesbeschluss kommen, treten die Maßnahmen ab 2026 in Kraft. Dabei liegt es an den Mitgliedsstaaten, wie sie diese umsetzen wollen. Ein neuer Vorschlag, sagt Timmermans, sei für die EU-Kommission derzeit keine Option. Als Rückschlag für die grüne Gesetzgebung sieht Timmermanns die 44 zu 44 gefallene Abstimmung nicht. Man habe schon viel erreicht. „Ich bin tagtäglich bereit zu verhandeln“, so der Kommissions-Vizepräsident.

Sowohl Frans Timmermans als auch Thomas Waitz zeigen sich optimistisch, dass sich bei den 705 Abgeordneten am 11. Juli eine Mehrheit finden würde. Waitz: „Auch bei den Konservativen gibt es viele vernünftige Abgeordnete.“ Doch auch wenn sich die Staaten einigen: „Null Emissionen wird’s nicht geben“, so Waitz. Es gehe darum, so viel CO2 wie möglich zu reduzieren.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.