Drei Männer stehen nebeneinander. Es handelt sich um die Klubobmänner Kucher, Wöginger, Shetty

Koalition bei FPÖ-U-Ausschuss zu Corona und Pilnacek noch uneins

ÖVP sieht Verfassungswidrigkeit bei FPÖ-U-Ausschuss. SPÖ und Neos dürften ihn trotz der rechtlichen Bedenken befürworten.

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Im Februar platzten die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP. Der darob entfachte blaue Zorn hält an – und jede Gelegenheit zur Rache wird genützt. So brachte die FPÖ am 21. Mai im Nationalrat das Verlangen auf Einsetzung eines „ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschusses“ ein. Untersuchungsgegenstand sind einerseits die kriminalpolizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen in Zusammenhang mit dem Tod von Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek im Oktober 2023. Zum anderen will die FPÖ die Corona-Politik der türkis-grünen Bundesregierung beleuchten lassen, insbesondere den behördlichen Umgang mit Corona-Demonstrationen und „regierungs- und maßnahmenkritischen Bürgern“, wie im blauen Antrag zu lesen ist. Der Untersuchungszeitraum reicht vom 7. Jänner 2020, dem Tag der Angelobung der türkis-grünen Regierung, bis zum 20. Mai heurigen Jahres.

Schon bei der Parlamentsdiskussion über das Verlangen auf Einsetzung des U-Ausschusses im Mai orteten die anderen Fraktionen rechtliche Probleme. Denn laut Artikel 53 der Bundesverfassung kann nur ein „bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes“ Untersuchungsgegenstand sein. 

Doch was hat der Tod des Sektionschefs mit der türkis-grünen Corona-Politik zu tun? Der juristische Kunstgriff der FPÖ: In beiden Fällen habe die ÖVP als Kanzlerpartei versucht, Kritiker einzuschüchtern. Laut dem blauen Antrag bestehe „der Verdacht der unsachlichen oder rein parteipolitisch motivierten Einflussnahme“ auf Polizei, Staatsanwaltschaften, Versammlungsbehörden und Medien durch ÖVP-Vertreter in Innen- und Justizministerium sowie im Bundeskanzleramt. Schwarz und Rot überzeugte die Argumentation nicht. Von einem „Wirr-Warr-Ausschuss“ sprach die ÖVP, von „Kraut und Rüben“ die SPÖ. Beide kündigten eine rechtliche Prüfung des FPÖ-Verlangens an.

Ein Mann sitzt an einem Tisch. Es ist Sektionschef Pilnacek.

Gutachter sehen Unzulässigkeit

Laut profil-Informationen gab der ÖVP-Parlamentsklub zwei Gutachten in Auftrag. Eines stammt von Mathis Fister, Rechtsanwalt und Professor für Öffentliches Recht an der Universität Linz; das andere von Christoph Bezemek, Professor für Öffentliches Recht und Allgemeine Staatslehre an der Universität Graz. Beide Professoren kommen zum gleichen Schluss: Das Verlangen der FPÖ sei nicht zulässig. Die Argumente liegen auf der Hand und wurden im Mai auch schon von den Verfassungsexperten Heinz Mayer und Peter Bußjäger in der „Presse“ geäußert. So kann von einem „bestimmten Vorgang“ keine Rede sein, weil ein Zusammenhang zwischen den Themenkomplexen „Pilnacek“ und „Corona“ kaum herstellbar ist. Der von der FPÖ geäußerte „Verdacht“ der ÖVP-Einflussnahme in beiden Fällen eignet sich allein nicht als inhaltliche Klammer.

Dass der Untersuchungsgegenstand einen „abgeschlossenen Vorgang“ betrifft, ist ebenso fraglich, vor allem in der Causa „Pilnacek“. Erst im April wies die Oberstaatsanwaltschaft Wien die Staatsanwaltschaft Krems an, eine Fortführung der Ermittlungen zum Tod des Sektionschefs zu prüfen. Zudem ist der Untersuchungszeitraum, den die FPÖ einzog, mit über fünf Jahren reichlich lang. In dieser Zeit gab es allein vier verschiedene Bundeskanzler: Sebastian Kurz, Alexander Schallenberg, Karl Nehammer und Christian Stocker.

Formal ist für die Einsetzung des U-Ausschusses der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats zuständig. Dort verfügen die Regierungsparteien ÖVP, SPÖ und Neos über eine Mehrheit und könnten damit die Einsetzung des U-Ausschusses ablehnen. Endgültig verhindert ist er damit nicht. Denn die FPÖ kann den Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit einer Prüfung der behaupteten Rechtswidrigkeit beauftragen. Am Ende entscheidet das Höchstgericht, ob der U-Ausschuss eingesetzt wird – wobei auch denkbar wäre, dass der VfGH nur Teile des FPÖ-Verlangens für unzulässig erklärt. Zuletzt tagte der Geschäftsordnungsausschuss am 17. Juni. Die Diskussion über den U-Ausschuss blieb ergebnislos.

Taktische Gründe für U-Ausschuss

Im schwarz-rot-pinken Regierungsprogramm ist das Einsetzen eines U-Ausschusses klar geregelt. Dort heißt es: „Hat einer der Koalitionspartner begründete Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität eines Untersuchungsausschuss-Verlangens, ermöglichen die beiden anderen Koalitionspartner eine Beschlussfassung im Geschäftsordnungs-Ausschuss über die gänzliche oder teilweise Unzulässigkeit des Untersuchungsgegenstandes.“ Damit liegt der Ball bei der ÖVP. Lehnt sie den U-Ausschuss ab, müssten ihr SPÖ und Neos folgen, so diese die Gutachten von Fister und Bezemek für plausibel und damit den U-Ausschuss für rechtswidrig halten.

Allerdings gibt es bei Schwarz, Rot und Pink neben den juristischen auch politisch-taktische Abwägungen – die wiederum für die Zustimmung zum Ausschuss sprechen. Im Falle einer Ablehnung des Verlangens würde die FPÖ vorhersehbar trommeln, die „Einheitsparteien“ wollten die parlamentarische Kontrolle aushebeln. Und würde der VfGH den Ausschuss tatsächlich für unzulässig erklären, hätten die Freiheitlichen wohl keine Scheu, auch das Höchstgericht in die parteipolitische Auseinandersetzung hineinzuziehen und die Verfassungsrichter als Teil des „Systems“ und als „tiefen Staat“ zu diskreditieren. Gibt der VfGH der FPÖ recht, sind die Regierungsparteien blamiert.

Die endgültige Entscheidung, ob die Dreierkoalition dem U-Ausschuss-Verlangen der FPÖ folgt oder es mit ihrer Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss ablehnt, soll um die letzte Nationalratssitzung vor der Sommerpause am 10. oder 11. Juli fallen. Ein möglicher Allparteien-Kompromiss: Die FPÖ verzichtet auf den Themenkomplex „Pilnacek“ und verlangt einen U-Ausschuss allein zur Corona-Politik – oder auch umgekehrt.

Gernot Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.