Offene Antwort auf einen offenen Brief des CV-Präsidenten Mag. Seel

profil-Herausgeber Christian Rainer beantwortet einen Brief des Präsidenten des Österreichischen CV, Christoph Seel.

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Wien, am 10. September 2015

Sehr geehrter Herr Magister Seel!

Ich habe Bedenken. Sind Sie Ihrer Aufgabe als vor Kurzem gewählter hoher Vertreter einer akademischen Vereinigung emotional, formal, moralisch und intellektuell gewachsen? Haben Sie sich mit dieser zweifellos gemeinnützigen Funktion möglicherweise übernommen?

Soweit es Ihre emotionale Befindlichkeit betrifft, orte ich in der Mischung aus Beschimpfungen und Unhöflichkeiten, die Ihr von Ihnen heftig beworbener „Offener Brief“ an mich als Reaktion auf einen recht gelassenen profil-Artikel darstellt, eine zumindest überaus stürmische Persönlichkeit.

Bei den Fragen zur Form wundert mich Ihre Nachlässigkeit beim Setzen von Satzzeichen. (Gibt es keine Überschneidung zwischen Ihren und meinen Deutschlehrern im Gymnasium Gmunden?) Vor allem aber überrascht mich Ihre Formvollendetheit in der Darstellung des eigenen akademischen Titels in Relation zu jenem des Adressaten und der erwähnten Autorinnen (die überdies offensichtlich nur den Vornamen „Dame“ tragen).

Was mich zu moralischen Aspekten führt, im Besonderen zu Ihrem mit dieser herablassenden Verwendung des Wortes „Dame“ bereits ein wenig beleuchteten Frauenbild: Meinen Sie wirklich, dass „die Quote an verheirateten ÖCVern“, die „andere Gesellschaftsgruppen vor Neid erblassen lassen sollte“, einen (offensichtlich den einzigen) Beweis für das Fehlen jeder Frauendiskriminierung im CV darstellt? Das ist eine zumindest interessante Argumentation, speziell aus dem Epizentrum einer eng dem Katholizismus verpflichteten Organisation, die im Umkehrschluss den katholischen Klerus als Gruppe von Menschen definiert, die Frauenfeindlichkeit zur Säule ihres Daseins geformt haben – mit dem Heiligen Vater als oberstem Frauenfeind.

Intellektuell schließlich: Das Faktensubstrat Ihres Schreibens ist für mich schwer fassbar. Zumal Vizekanzler Reinhold Mitterlehner im profil ja zu Recht als Mitglied der „Austro Danubia“ beschrieben wurde. Zumal er selbstverständlich nicht als schlagender Burschenschafter bezeichnet wurde. Offensichtlich stoßen Sie sich mit der ganzen Kraft Ihres Geistes und Körpers an der umgangssprachlich bisweilen verwendeten Bezeichnung „Burschenschaft“ auch für nicht schlagende – zum Beispiel katholische – Studentenverbindungen. Genährt wird diese nachlässige Verwendung freilich durch Termini und Regeln der christlichen Verbindungen. Soweit mir bekannt ist, heißen die vollwertigen Mitglieder einer CV-Verbindung „Burschen“. Und wie Sie sicher besser als ich wissen, muss etwa die Taufe als Aufnahmekriterium meist vor der „Burschung“ stattgefunden haben. Vielleicht wäre daher der Ausdruck „Burschenverbindung“ oder „Burschungsverbindung“ zulässig? (Aber da gäbe es dann wohl wieder Probleme mit dem Frauenbild.)

Sehr geehrter Herr Magister Seel: Ich habe den Eindruck und hoffe, Sie wollten sich mit Ihrem „Offenen Brief“ nur bei Ihrem Bundesbruder Reinhold Mitterlehner einschleimen – oder Sie wollten sich einfach wichtigmachen.

Mit freundlichen Grüßen Ihr Christian Rainer