Die schnell Entschlossene

Pamela Rendi-Wagner: Die schnell Entschlossene

Pamela Rendi-Wagner repräsentiert nun das neue Gesicht der SPÖ.

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Joy Pamela Rendi-Wagner verkörpert eine neue Frauengeneration. Nicht nur ihres Namens wegen, den ihr einst ein sehr junger, anglophiler Vater im Geiste der 68er- Bewegung gegeben hat. Eine Vatertochter. Sie kam im Mai 1971 zur Welt und kann die Bilderbuchkarriere einer modernen Frau vorweisen. Verheiratet mit einem anerkannten Diplomaten, zwei aufgeweckte Töchter, eine erfolgreiche Berufskarriere, promovierte Tropenmedizinerin, habilitiert, international vernetzt. Bei öffentlichen Auftritten wirkt Rendi-Wagner immer frisch und wie aus dem Ei gepellt, und das scheinbar ohne jede Anstrengung.

Die Österreicher kannten sie schon aus dem Fernsehen, da war Rendi-Wagner noch lange nicht in der Politik. 2011 war sie vom damaligen Gesundheitsminister Alois Stöger von ihrer Gastprofessur in Tel Aviv als Sektionschefin nach Wien engagiert worden. Schon damals gab es im Ministerium leichten Ärger. Es war nicht üblich, jemanden von außen zu holen und nicht verdiente, langjährige Mitarbeiter für eine Sektionsleitung zu berufen. Sie überzeugte durch Expertise. In der Fukushima-Krise, als im japanischen Atomkraftwerk radioaktive Strahlung austrat, saß sie im ORF-Studio und rückte die Gefahrenlage in ein nüchternes Licht. Sie erklärte und beruhigte. Bei Gelegenheit versuchte sie, die Impfhysterie zu dämpfen, und Gesundheitsminister Stöger gab sogar gemeinsam mit seiner Sektionschefin Interviews.

Am 8. März 2017, dem internationalen Frauentag, wurde Rendi-Wagner als Gesundheits-und Frauenministerin angelobt. Damit war der Schritt in die Politik getan. Kurz danach trat sie in die SPÖ ein. Für sie war das keine große Sache, eher ein Formalakt. Sie sagte, sie hatte schon lang in der SPÖ eine politische Heimat gefunden. Ihr Ehemann, der österreichischer Botschafter in Tel Aviv gewesen war, hatte in der Zwischenzeit das Büro von Kanzleramtsminister Thomas Drozda verstärkt. Auf SPÖ-Parteitagen sah man nun beide Eheleute: er im Hintergrund in den Reihen der Gäste, sie in der ersten Reihe. Im vergangenen Nationalratswahlkampf war Rendi-Wagner Listenzweite der SPÖ, auf Plakaten gemeinsam mit Christian Kern abgebildet. Schon damals hieß es, sie sei das größte politische Talent seit Jahren. Dass sie als Quereinsteigerin an allen SPÖ-Frauen vorbeigezogen ist und auf dem zweiten Platz hinter Christian Kern kandidierte, kommentierte sie selbstbewusst: "Gesundheitspolitik hat zentralen Stellenwert, und Kern wollte eine neue, frische Bewegung signalisieren."

Kann ich das? Eine Frage, die sich Männer seltener stellen. (Pamela Rendi-Wagner, SPÖ-Hoffnung)

Natürlich gab es Rumoren in der SPÖ. Rendi-Wagner war nie in den Kämpfen der Frauenbewegung aktiv gewesen. Sie hatte nie mit dem Apparat der SPÖ und ihrer Frauenorganisation zu tun gehabt. Sie hat auch nicht viel Ahnung von den theoretischen Debatten der Frauenbewegung, doch die Namen der Ikonen Simone de Beauvoir oder Alice Schwarzer sind ihr geläufig - schon weil ihr 68er-Vater ihr diese Bücher geschenkt hatte, als sie Teenager war. Den "Kleinen Unterschied" von Alice Schwarzer habe sie nie gelesen, gestand sie einmal fast schuldbewusst.

Sie begreift sich als "Feministin - was denn sonst?". Ihre Erfahrungen als berufstätige Frau teilt sie mit hunderttausend anderen modernen und einigermaßen privilegierten Frauen hierzulande. Die "gläserne" Decke, die dünnere Luft - je höher man aufsteigt, die Skrupel: "Kann ich das? Eine Frage, die sich Männer seltener stellen", sagte Rendi Wagner im Wahlkampf. Sie nennt es die "Stahlplatte - das sind die Gesellschaftsbilder, die in uns allen drinnen sind. Wir sind alle davon geprägt: Man kann ein noch so emanzipiertes Weltbild haben, ökonomisch unabhängig sein. Keine Frau ist davor gefeit, auch ich nicht."

Dass sie sich zutraut, die Funktion der Bundesparteivorsitzenden zu übernehmen, überrascht dennoch. Die Genossen sind skeptisch, sie sagen es nur nicht so laut, weil sie froh sind, jemanden gefunden, sich auf jemanden geeinigt zu haben. Die Vorbehalte: sie habe keine Ahnung vom Leben der Partei und vom Leben der einfachen Menschen. Wie soll eine Frau, die sich in der internationalen Fachwelt einen Namen machte, die in einem Botschafter-Haushalt, mit Kindermädchen und allem Drum und Dran gelebt hat, die bedrückenden Zwänge der schlecht qualifizierten Arbeiter und Angestellten verstehen? Wie wird sie sich gegenüber Gewerkschaftern und gestandenen Parteifunktionären durchsetzen?

"Eine Politikerin, die im urbanen Milieu wirkt, kann uns in Wien starken Rückenwind geben", meint Wiens Bürgermeister Michael Ludwig.

Vielleicht ist es Hybris, Selbstüberschätzung, dass sich Rendi-Wagner all das zutraut. Vielleicht haben ihre Freunde und Unterstützer recht, die in ihr eine Möglichkeit sehen "dem jungen Kanzler etwas entgegenzusetzen". Sie glauben, Rendi-Wagner habe Sebastian Kurz Lebenserfahrung, Mutterdasein und eine wissenschaftliche Karriere voraus und stehe ihm in Liebenswürdigkeit und Durchsetzungskraft nicht nach. Man wird es bald wissen.

Christa   Zöchling

Christa Zöchling