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Personalmangel und Sperren: Die vielen Baustellen der Wiener Linien

Lange Intervalle, Wartezeiten und Probleme mit der Wien Mobil-App. Warum funktioniert das Wiener Öffi-Netz derzeit nur eingeschränkt? Und wann wird es wieder besser? profil hat Antworten auf acht drängende Fragen.

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Die Wiener Linien haben derzeit keinen Lauf. Die großen Öffi-Knotenpunkte in der Stadt sind überlastet, dort warten mehr Menschen als sonst auf ihre nächste Verbindung. Die Stationen Schottenring und Westbahnhof sind zwei dieser Orte: Während der Hauptverkehrszeit sind Wartezeiten von sieben, acht Minuten keine Seltenheit mehr.

Längere Intervalle und Wartezeiten sind aber nicht das einzige Problem des städtischen Mobilitätsanbieters. In der App der Wiener Linien zeigt der Routenplaner nicht alle Störungen an – für die Fahrgäste ist somit nicht ersichtlich, wo sie am besten umsteigen. Stationsmitarbeiter helfen irritierten Passagieren. Auf Facebook und Twitter lassen die Fahrgäste ihren Ärger raus. Störungen, starre Rolltreppen, verkürzte Strecken – es ist von Station zu Station mit unterschiedlich langer Verzögerung zu rechnen.

profil fragte bei den Wiener Linien und bei Experten nach, welche Gründe es für die Probleme gibt  – und wann mit einer Besserung zu rechnen ist.

1. Derzeit gibt es Baustellen auf den Linien U1, U2, U4, U6; zahlreiche Straßenbahnen werden kurzgeführt; die S45 teilweise gesperrt. Warum passiert alles auf einmal – und gerade im Sommer?
„Wir verstehen, dass Baustellen keine große Begeisterung hervorrufen, aber für noch weniger Begeisterung würden dauerhafte Schäden in unserem Öffi-Netz sorgen.“ Man nutze die verkehrsberuhigteren Sommerferien, um wichtige Bauarbeiten und Modernisierungen durchzuführen – ein „recht kurzes Zeitfenster von neun Wochen“ für größere Arbeiten, die bei laufendem Betrieb nicht möglich seien. 

Wirklich überprüfen lässt sich das nicht. Die Wiener Linien gehören den Wiener Stadtwerken und sind damit nicht Teil der Gemeindeverwaltung. Parlamentarische Anfragen zu ausgelagerten Unternehmen muss die rot-pinke Stadtregierung nicht beantworten, eine Erfahrung, die die oppositionellen Grünen im Rathaus immer wieder gemacht haben - „allein das ist eine mächtige Baustelle, dass man vom Stadtrat zu den Wiener Linien keine Auskunft bekommt”, sagt Heidemarie Sequenz, Grüne Abgeordnete in Wien und Sprecherin für Mobilität und Planung. Das sei politisch höchst problematisch”. Heuer sollen die Wiener Linien 856 Millionen Euro aus dem Budget der Stadt Wien bekommen.

Dass alle Baustellen im Sommer stattfinden, ist für Michael Schwendinger von der Mobilitätsorganisation VCÖ (Verkehrsclub Österreich) schlüssig: „Sonst wären noch mehr betroffen“, sagt er gegenüber profil und meint Schülerinnen, Studenten und Urlaubende, die eher im Sommer wegfahren. „Baustellen sollten als Chance gesehen werden, die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu steigern.“ Als Alternative für den lahmen Ersatzverkehr schlägt er vor, Fahrrad-Sharing-Modelle auf den betroffenen Strecken auszuweiten, damit die Fahrgäste – gerade bei gutem Wetter – schneller an ihr Ziel kommen.

Ein Sachverständiger zur Verkehrsplanung sagt gegenüber profil, man habe bei den Wiener Linien die Erneuerung der Infrastruktur vernachlässigt und müsse jetzt aufholen. Der Ärger sei verständlich, doch man müsse jede Baustelle positiv sehen.

Bis zum Schottenring sind es 4 Stationen. Dann fährt die U4 wieder retour.

2. Warum gibt es für manche Strecken Ersatzbusse, aber für andere nicht?
Die Pläne für Alternativrouten entstehen laut Wiener Linien in „monatelanger Abstimmung“. Dazu heißt es: „Um die betroffene Linie wird das Angebot für die Fahrgäste evaluiert: Gibt es andere Straßenbahnlinien, die parallel laufen? Wo befindet sich die nächste U-Bahnlinie? Welche Busse sind im Gebiet verfügbar? Bei der aktuellen Gleisbaustelle auf der Linie 46 hat man zum Beispiel das Intervall der Straßenbahnlinie 2 und 9 sowie der Buslinie 48A verdichtet. Außerdem stehen Fahrgästen in Ottakring die U3 und die S-Bahn als Ausweichmöglichkeit zur Verfügung.“
3. Zwischen Schwedenplatz und Schottenring verlieren Fahrgäste derzeit mindestens eine Viertelstunde. Auf die Straßenbahnen wartet man oft genauso lang, einen Ersatzverkehr gibt es nicht. Hätte man hier für bessere Alternativen vorsorgen können?
Die Wiener Linien betonen auf Anfrage, dass die Fahrgäste bei der U4 auf die Linien 1 und U2Z ausweichen können, zweitere wurde während der Bauarbeiten bis zum Schwedenplatz verlängert. Sie erklären die fehlenden Alternativen so: „Können Bestandslinien nicht verdichtet werden, wird ein Ersatzverkehr angeboten, wie zum Beispiel derzeit auf der U6 zwischen Alterlaa und Am Schöpfwerk. Hier ist der Ersatzbus U6E unterwegs. Aus Kapazitätsgründen kann es hier zu Wartezeiten kommen, da in einer U-Bahn deutlich mehr Fahrgäste Platz finden als in Bussen.” Wer aus Niederösterreich pendelt, dem wird empfohlen, direkt auf die S-Bahn (P&R Liesing) und die Badner Bahn (Vösendorf SCS) auszuweichen.
4. Wie viel Personal fehlt den Wiener Linien?

„Der starke Fachkräftemangel ist ein großes Thema in allen Dienstleistungsbereichen”, antworten die Wiener Linien. Wie viel Personal fehlt, will das Unternehmen aber nicht bekanntgeben. Das Problem ist schon länger bekannt. In einem Antwortschreiben auf eine Anfrage der Grünen im November 2022 schreibt Stadtrat Peter Hanke von einer „angespannten” Situation. Damals war die Rede von 100 fehlenden Personen im Straßenbahn- und rund 100 Personen für den Busbereich, angestellt waren zu dem Zeitpunkt 8700 Mitarbeiter. Seit vergangenem Winter habe sich die Situation verbessert: „Die Wiener Linien haben Anfang Jänner ein 5-Punkte-Programm für mehr Verlässlichkeit und bessere Arbeitsbedingungen geschnürt.“ Das Programm trage erste Früchte, die Intervalle konnten etwa „aufgrund der geringfügigen Anpassung wieder stabilisiert werden“. Momentan würden mehr Straßenbahn-Fahrerinnen und Bus-Lenker „als jemals zuvor in der Geschichte der Wiener Linien“ ausgebildet. Die genannte Ausbildung dauert drei Monate, die Kosten dafür tragen die Wiener Linien. 2021 gab es 257 Ausbildungsplätze und für 2023 gibt es nun Straßenbahnschulen mit 330 Plätzen, Busschulen mit 240 Plätzen und U-Bahn Schulen mit rund 180 Ausbildungsplätzen. 

5. Auf welche Baustellen müssen sich die Wienerinnen und Wiener noch einstellen? 
Drei U-Bahnen (U2, U4, U6) fahren momentan nicht durchgängig, ab August ist dann auch die U1 zwischen Reumannplatz und Oberlaa im eingleisigen Betrieb mit einem Pendelzug unterwegs. Die Straßenbahnen 40, 41, 42 und der O-Wagen werden umgeleitet, Linie 10 zweigeteilt, der 60er verkürzt. Die Schnellbahn S45 fährt bereits seit Ferienbeginn nicht zwischen Hernals und Handelskai. Eine gesamte Übersicht über die Bauarbeiten ist unter der Webseite der Wiener Linien zu finden (Gleisbau in den Sommerferien: Modernisierungen bei U-Bahn und Straßenbahn bringen Öffi-Einschränkungen - Wiener Linien).
6. Ausgerechnet am Samstag, als der britische Superstar Harry Styles im Ernst-Happel-Stadion auftrat, hatte die U2 eine Störung - viele Fans kamen zu spät. Was war da los?
„Baustellen sind planbar, technische Gebrechen können leider auch zu besonders ungünstigen Zeiten auftreten“, heißt es von der Pressestelle der Wiener Linien. „Dies war Samstag am frühen Abend der Fall: Ein technisches Gebrechen hat einen U2-Zug gegen 18:00 nahe der Station Schottentor fahruntauglich gemacht. Nachdem der Fahrbetrieb zwischen Schottentor und Schottenring eingestellt und der Fahrstrom abgeschaltet worden war, haben Einsatzkräfte alle Fahrgäste sicher und wohlbehalten aus dem Tunnel zur Station begleitet. Um kurz nach 19:00 konnte der durchgehende Fahrbetrieb auf der U2 wieder aufgenommen werden.“
7. Die Routenberechnungen in der WienMobil-App sind ungenau, Alternativen und Umleitungen nicht ersichtlich. Warum werden die Störungen nicht im Routenplaner angezeigt?
Geplante Baustellen würden im Routenplaner berücksichtigt werden, bei kurzfristig auftretenden Störungen sei das „aus technischen Gründen derzeit leider nicht möglich. Wir sind uns bewusst, dass dies für unsere Fahrgäste wichtige Informationen sind, und arbeiten daher mit Hochdruck an einer Lösung.“ Einen Zeitplan nannte das Unternehmen nicht. Bis dahin ersuchen die Wiener Linien, auf die gelben Rufzeichen achten: „Wird ein solches bei einer vorgeschlagenen Route angezeigt, kann es zu Verzögerungen kommen. Informationen zum Grund der Betriebsstörung werden ebenfalls angeführt.“
8. Am Montag war die U3 streckenweise acht Stunden lang nicht in Betrieb. Kann die derzeitige technische Ausstattung den immer steigenden Temperaturen standhalten oder geht man davon aus, dass es nun öfter zu Kurzschlüssen kommen wird?

Auch wenn man früher oder später auf hitzeresistente Ausstattung umsteigen müsse, gibt es laut einem Branchenkenner keine unmittelbare Gefahr beim Öffi-Netz. „Dennoch können extreme Wetterbedingungen wie besonders starke Hitze oder Kälte Auswirkungen auf technische Anlagen haben“, so die Wiener Linien. Dass infolgedessen größere Betriebsstörungen auftreten, komme aber selten vor.

Will Wien weiterhin den Ruf als Spitzenreiter öffentlicher Verkehrsmittel beibehalten, müssen die Wiener Linien also weitaus mehr Baustellen beseitigen, als jene auf den Straßen.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.