Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Warum nicht U-Minister Haselsteiner

Warum nicht U-Minister Haselsteiner

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Vernünftigerweise bietet die SPÖ der ÖVP alle bisherigen Ministerien wieder an, denn am Abstand zueinander hat sich nichts geändert. So gelänge eine rasche Einigung und man signalisierte einen neuen Stil. Wenn man darüber hinaus neues Denken signalisieren wollte, bestellte man Hans ­Peter Haselsteiner zu Lasten der SPÖ zum Unterrichtsminister. Denn SP- und VP-Funktionären muss es unendlich schwer fallen, in der Schulpolitik einen Kompromiss zu finden – ein „Dritter“ könnte zumindest die Chance haben. (Und schlechter als Claudia Schmied kann er‘s kaum machen.)
Größte technische Hürde bei einem solchen Sprung über den Partei-Schatten wäre die angekündigte Einsparung ­eines Ministeriums. Aber die war eine Anbiederung an billigsten Populismus, die Österreich schadet: In Wirklichkeit gehören die vorhandenen Monsterbehörden dringend auf mehr Minister aufgeteilt, denn sie sind unübersichtlich und bedingen langsame Entscheidungen. Nicht zufällig kommt Deutschland dem allseitigen Bedürfnis nach Tempo durch eine viel größere Zahl von Ministern und entscheidungsbefugten Staatssekretären entgegen.

Man kann künftige Wahlen nicht durch Anpassung an Straches „Kronen-Zeitungs-Denken“, sondern nur durch dessen Überwindung gewinnen – das immerhin hat Wolfgang Schüssel vorgeführt. Heinz-Christian Strache ist freilich ein weit stärkerer Gegner als es Jörg Haider je war. Ich habe das hier schon geschrieben, als man ihn noch „Haiders zweiten Aufguss“ nannte: Er vermag die gleichen dumpfen „nationalen“ Emotionen zu schüren; er formuliert falsche wie richtige Argumente gegen die Politik der Regierung oder der Eurozone durchaus auf Haiders Niveau; und es gelingt ihm fast noch besser, das Versagen und die Skandale eigener Leute beiseitezuschieben. Aber im Gegensatz zu Haider ist er kein Neurotiker mit Hang zur Selbstbeschädigung: Er wird sich weder in internen Schlachten aufreiben, noch gegen einen Baum rasen. Man wird ihn politisch besiegen müssen.

Und das in einem Land, in dem ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung zu faschistoiden (nur der guten Zeiten wegen nicht nationalsozialistischen) Reaktionen neigt: Es gibt unverändert den alten nationalen Minderwertigkeitskomplex auf der Basis der Schrumpfung der Donaumonarchie zum Kleinstaat – nur dass er nun durch Austro-Chauvinismus statt Deutschnationalismus kompensiert wird. Die zugehörige Fremdenfeindlichkeit hat in dem Ausmaß zugenommen, in dem Antisemitismus nicht mehr salonfähig ist. Und wie in der Ersten Republik wird demokratische Auseinandersetzung mit „ewigen Streitereien“ gleichgesetzt.

Die dumpfe Wut gegen „die da oben“, die schon Dichands „Krone“ zur größten Zeitung des Landes machte, macht auch dieses rechts-rechte Lager zum größten selbst der Eurozone. Denn natürlich wird Strache auch die Reste des BZÖ und alle Stronach-Wähler heimholen. Gesinnungsmäßig ist Österreich schon heute zu 29,82 Prozent Strache-Land.

Manche Züge des beschriebenen Nationalcharakters finden sich durchaus auch unter potenziellen SP- oder VP-Wählern bzw. Journalisten. Das erklärt das größte Paradoxon dieses Wahlergebnisses, wie ich es schon vor der Wahl angedeutet habe: Nicht nur Österreichs Arbeitslosigkeit und Staatsschuld sind geringer als die Deutschlands, sondern auch sein Wirtschaftswachstum ist 2013 höher.* Die Krisenpolitik war eine wirkliche Leistung. Angela Merkel wurde für die ihre mit einem Wahltriumph belohnt – Faymann & Spindelegger wurden abgestraft.

Spindelegger hat daran freilich großen Anteil: Um den Gegensatz zur SPÖ herauszuarbeiten, glaubte er, gegen ­Faymann schießen zu müssen, indem er genau die wirtschaftlichen Leistungen schlechtmachte, die sie gemeinsam erbracht hatten. Christoph Leitls „abgesandelt“ war dann die Krönung dieser tumben Strategie. Dennoch bleiben SPÖ und ÖVP gemeinsam immer noch mehr als doppelt so stark wie die FPÖ. Zusammen mit den Grünen und den NEOS ist das in der politischen Mitte angesiedelte ­Lager immer noch mehr als doppelt so groß wie FPÖ, BZÖ und „Frank“ zusammen.

Es ist Teil des mangelnden Demokratieverständnisses dieses Landes, dass dennoch in Frage gestellt wurde, ob die „Wahlverlierer SPÖ und ÖVP legitimiert sind, es weiterhin zu regieren“. Sie wären das selbst dann, wenn die FPÖ die größte Partei wäre, solange VP und SP die parlamentarische Mehrheit besäßen. Und diese beiden vertreten darüber ­hinaus auch Grüne und NEOS weit eher als Strache .

Wenn sie nur etwas mehr (vernünftige) Fantasie aufbrächten, dann intensivierten sie die Zusammenarbeit mit ihnen: indem sie eine Partei tatsächlich in die Koalition aufnähmen; oder indem sie zumindest bei vielen parlamentarischen Abstimmungen auf den Klubzwang verzichteten, sodass beide sichtbar an Entscheidungen teilhaben könnten. Und Strache ruhig auch. Vielleicht lernt er.

* Nach Schätzung der OECD 0,6 Prozent gegenüber 0,4 Prozent für Deutschland

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