Fall Pilnacek: Innenministerium kontert Volksanwaltschaft
Formal gesehen ist die Volksanwaltschaft eine Einrichtung des Parlaments. Was Volksanwältin Elisabeth Schwetz betrifft, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Volksanwaltschaft auch eine Einrichtung eines Parlamentsklubs ist: nämlich der FPÖ. Als Ersatz für den in den Nationalrat gewählten Walter Rosenkranz hatte die FPÖ, wie es ihr zusteht, im November 2024 Schwetz, damals Bezirkshauptfrau von Wels-Land, zur neuen Volksanwältin nominiert. Nun scheint die Volksanwältin zu liefern.
Am 24. März leitete Schwetz ein amtswegiges Prüfverfahren der Volksanwaltschaft zur Polizeiarbeit um den Tod des früheren Sektionschefs im Justizministerium, Christian Pilnacek, ein. Dessen Leichnam war am 20. Oktober 2023 um 7.50 Uhr in einem Seitenarm der Donau im Gemeindegebiet von Rossatz (Bezirk Krems-Land) im Wasser treibend gefunden worden. Die Polizei ging von einem Selbstmord aus, die Gerichtsmedizin auf Basis ihrer Untersuchungen ebenso. Die Staatsanwaltschaft Krems stellte ein formal eröffnetes Verfahren ein. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien und die Generalprokuratur überprüften die Ermittlungen und genehmigten das Vorhaben, den Fall zu den Akten zu legen.
Doch der FPÖ und ihrer Volksanwältin reichte das nicht. Die Freiheitlichen kündigen die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses an, und Schwetz lässt parallel dazu den Polizeieinsatz in Zusammenhang mit Pilnaceks Tod untersuchen. Ihre Begründung: In den Medien seien „potenzielle Verdachtsmomente geschildert und teils schwere Vorwürfe gegen die Polizeiarbeit erhoben“ worden. Aufgrund der daraus folgenden „Spekulationen über die Todesumstände“ und „der großen medialen Aufmerksamkeit“ sei es „notwendig, dass die Volksanwaltschaft als unabhängige Kontrolleinrichtung den erhobenen Vorwürfen nachgeht“.
Dazu richtete die Volksanwältin am 24. März einen umfangreichen Fragenkatalog an Innenminister Gerhard Karner, ÖVP, zum Polizeieinsatz nach der Auffindung des Leichnams, zur Obduktion und zu den polizeilichen Ermittlungen.
Die Antwort von Franz Ruf, dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, datiert mit 24. April, liegt profil vor. Auf 22 Seiten werden darin die kursierenden Verschwörungstheorien zerpflückt, Pilnacek wäre Opfer eines Verbrechens geworden. Diese wurden vom früheren Politiker Peter Pilz in einem Buch und auf dessen Plattform Zackzack verbreitet und in seinem Gefolge von mehreren Medien wiederholt aufgebracht. Auch Vorwürfe, die Polizei hätte im Einsatz und bei den Ermittlungen geschlampt oder gegen Vorschriften verstoßen, werden in der Stellungnahme des Innenministeriums entkräftet.
+ Die am 20. Oktober 2023 um 8.15 Uhr an der Fundstelle eingetroffenen Beamten der Streife Mautern verständigten unmittelbar ihre Vorgesetzten, die Gemeindeärztin und die Feuerwehr Rossatz, führten eine Erstidentifizierung durch und beaufsichtigten die Bergung des Leichnams durch die Feuerwehr.
+ Beamte der Streife Weißenkirchen führten mit der Gemeindeärztin eine kriminalpolizeiliche Leichenbeschau durch und sperrten den Tatort ab.
+ Am Fundort kamen Beamte mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Tatortarbeit und Spurensicherung zum Einsatz.
+ Entgegen einzelner Darstellungen und der Anfrage der Volksanwaltschaft wurde die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) nicht von den Vorgängen in Kenntnis gesetzt, Ex-Kanzler Sebastian Kurz ebensowenig.
+ Eine Obduktion wurde von der Gemeindeärztin empfohlen, in der Folge von der Kriminalpolizei bei der Staatsanwaltschaft Krems angeregt und von dieser schließlich angeordnet. Immer wieder war berichtet worden, die Polizei hätte eine Obduktion verhindern wollen.
+ Am relevanten Uferbereich an der vermutlichen Einstiegstelle in das Gewässer befanden sich während des Polizeieinsatzes nur Einsatzkräfte.
+ An der Einstiegstelle fanden sich nur Schuheindruckspuren der Sportschuhe von Christian Pilnacek.
+ Die am Ufer gefundene leere Zigarettenpackung entsprach der von Pilnacek gerauchten Marke Camel.
+ Im freien Gelände wurden deswegen keine DNA-Proben gesichert, da es keinerlei Anhaltspunkte für eine zielführende Entnahme gab.
+ Die Kleidung von Pilnacek war unbeschädigt. Auf eine körperliche Auseinandersetzung gibt es keinen Hinweis.
+ Die dokumentierten Hautabschürfungen können nicht durch ein Schleifen des Körpers entstanden sein.
+ Flecke auf dem Leichnam wurden durch das Umlagern verursacht.
+ Die Spurensicherung erfolgte gemäß den geltenden Vorschriften durch geschulte Beamte. Zusätzlich wurden Tatortbeamte des Landeskriminalamts Niederösterreich entsandt. Für Schlampereien gibt es keine Belege.
+ Die von Pilnacek getragene Smart Watch wurde sichergestellt. Ihre Auswertung durch das Bundeskriminalamt ergab keine verwertbaren Hinweise.
+ Das Obduktionsgutachten wurde der Staatsanwaltschaft entgegen anderslautenden Berichten vom beauftragten Sachverständigen in vollem Umfang übermittelt.
+ Ein Fremdverschulden wurde aus mehreren Gründen ausgeschlossen: keine weiteren Spuren am Auffindungs- und Einstiegsort; Fehlen äußerer Anzeichen von Gewalteinwirkung. Und in einem SMS an einen Freund hatte Pilnacek kurz vor Mitternacht geschrieben: „Bin fertig und kann nicht mehr, alles Liebe.“ Zuvor war ihm der Führerschein nach einer Geisterfahrt auf der Autobahn abgenommen worden. Seine persönlichen Wertgegenstände hatte er im Haus von Karin W. in Rossatz zurückgelassen.
+ Karin W. und Anna P. händigten Pilnaceks Handy „gegen unterschriftliche Bestätigung der freiwilligen und gewollten Übergabe“ aus. Dies sei „eigeninitiativ“ erfolgt und nicht – wie von vielfach behauptet – auf Druck von Beamten des Landeskriminalamts Niederösterreich.
Neben der Volksanwaltschaft und dem von der FPÖ angekündigten U-Ausschuss beschäftigt sich auch die Justiz mit der Causa. Mehrere involvierte Bedienstete des Innenministeriums strengten Medienverfahren gegen Pilz‘ Online-Medium Zackzack an, auf der dieser seine Vorwürfe gegenüber Justiz und Polizei veröffentlicht hatte.
Elisabeth Schwetz' Amtszeit läuft bereits wieder aus. Die Funktionsperiode der Volksanwaltschaft endet Mitte des Jahres. Statt Schwetz wird die FPÖ Niederösterreichs Sicherheitslandesrat Christoph Luisser als Volksanwalt nominieren.