Interview

Plakolm zu Koalition mit Kickl: Nur nichts ausschließen

ÖVP-Staatssekretärin Claudia Plakolm kontert Kritik an ihren Auslandsreisen, geißelt grüne Bevormundungen und erklärt, warum sie trotz Verbots auf TikTok bleibt. Eine Koalition mit der FPÖ hält sie sich offen.

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Frau Plakolm, Sie sind jetzt eineinhalb Jahre im Amt, und Sie waren gut alle zwei Monate im Ausland. Zuletzt gab es auch Kritik an diesen Reisen. Welchen politischen Mehrwert haben Ihre Auslandsaufenthalte?
Plakolm
Ich finde es besonders wichtig, dass Regierungsmitglieder, egal für welchen Bereich sie verantwortlich sind, Auslandsreisen machen, um Kontakte für Österreich zu knüpfen und um die besten Ideen in ihrem Arbeitsbereich mit nachhause zu nehmen. Dieses Mal war der Anlass die UNO Jugendkonferenz, wo es um Klimaschutz durch Innovation gegangen ist.
Welche Ideen haben Sie denn konkret aus den USA mitgenommen?
Plakolm
Beim Thema Klimaschutz haben wir uns zum Beispiel angeschaut, wie wir dieses Thema im städtischen Bereich mitnehmen können.
Sie haben sich ein Rooftop-Beet angeschaut.
Plakolm
Wir haben eine Rooftop-Farm besichtigt, die deutlich größer ist als es vielleicht den Anschein in der Berichterstattung hatte – von manchen Medien, die nicht mit dabei waren. Ich finde diese Möglichkeit sehr innovativ, man nutzt bereits versiegelte Flächen, die sonst brachliegen würden. In Österreich habe ich davon noch nicht viel gehört, aber es wäre eine Überlegung, die man anregen kann.
Regulatorisch braucht es ja zur Umsetzung einer Rooftop-Farm nicht allzu viel – das könnte ein Unternehmer in Wien leicht machen, wenn er will. Warum muss man sich das in den USA anschauen?
Plakolm
Wenn man nie einen Blick über den Tellerrand wagt, dann wird man selten solche Ideen im eigenen Land umsetzen können. Es liegt mir schon daran, dass man innovative Ideen, die in anderen Ländern zum Tagesgeschäft und zum Alltag gehören, mit nach Österreich nimmt.
Zurück in Wien sind sie wieder im Koalitionsalltag, Vizekanzler Kogler hat Sie mit einer Forderung nach einer Millionärssteuer begrüßt. Befinden wir uns bereits im Wahlkampf?
Plakolm
Ich sehe dieses Thema sehr kritisch, vor allem in Zeiten wie diesen. Wir haben einen steigenden Arbeitskräftemangel. Wir kämpfen damit, junge Menschen zu motivieren, dass sie Vollzeit arbeiten, dass sie sich etwas aufbauen können, dass mehr Netto vom Brutto überbleibt. In solchen Zeiten neue Steuern einzuführen, halte ich für fehl am Platz. Und es ist auch falsch, dass man beim Erben nichts zahlt: Es werden Notar- und Gerichtsgebühren über mehrere zehntausend Euro fällig und die Grunderwerbsteuer und das für ein vielleicht sanierungsbedürftiges Haus der Oma. Es ist falsch und absolut nicht leistungsfördernd, wenn man beim Tod eines Menschen, der ein Einkommen und sein Haus versteuert hat, noch einmal hingreift.

In einem Video forderte Vizekanzler Werner Kogler eine „Millionärssteuer“ für „Millionenerben“. Wenn jemand eine „fette Villa“ oder „astronomische Aktienpakete“ erbe, zahle er nämlich derzeit „nix - null, niente, nada“ für die Gemeinschaft. Das ist für den Grünen-Chef eine „himmelschreiende Ungerechtigkeit“.

Welche Leistung ist Erben?
Plakolm
Eine neue Steuer zu diskutieren, in Zeiten wie diesen, wo die Inflation enorm steigt, wo Arbeiten offenbar unattraktiver wird, weil man sich einfach nichts mehr schaffen und aufbauen kann, wo der Traum vom Eigenheim für viele junge Menschen der Traum bleiben wird wegen der strengen Kreditrichtlinien – das finde ich einfach nur leistungsfeindlich.
Die ursprüngliche Frage war: Was können wir von der Koalition noch erwarten – oder sind beide Parteien ohnehin schon im Wahlkampf angekommen?
Plakolm
Wir haben ein sehr umfassendes Regierungsprogramm, von dem wir bereits sehr vieles umgesetzt haben. Wir sind diejenigen, die in diesem Land weiterarbeiten, während andere schon im Dauerwahlkampf sind, egal ob für bundesweite oder parteiinterne Wahlen.

Es ist falsch und absolut nicht leistungsfördernd, wenn man beim Tod eines Menschen, der ein Einkommen und sein Haus versteuert hat, noch einmal hingreift.

Ein paar Punkte, bei denen derzeit gar nichts weitergeht: Klimaschutzgesetz, Informationsfreiheitsgesetz, die Reform des Arbeitslosengeldes und das Glücksspiel-Paket. Ist die Koalition an dem Punkt, wo man sagen müsste: Let’s agree to disagree?
Plakolm
Wir haben noch eineinhalb Jahre in dieser Koalition, und ich wünsche mir, dass wir noch einiges weiterbringen können. In meinem Bereich ist es zum Beispiel das Thema leistbares Wohnen und leistbares Eigentum. Ich finde es extrem schade, dass es mit dem Koalitionspartner nicht möglich war, bei den Verhandlungen um die Mietpreisbremse eine Lösung zu finden, die vor allem die Vielfalt des Wohnens adressiert.
Sie hätten eine Mietpreisbremse befürwortet?
Plakolm
Die Menschen in Österreich wohnen sehr unterschiedlich, aber die Teuerung trifft fast alle gleich stark. Deswegen war es von unserer Seite immer klar, dass bei einem Paket zum leistbaren Wohnen auch leistbares Eigentum mitgedacht werden muss. Bei den Verhandlungen waren uns die staatlichen Nebenkosten sehr wichtig: Wir wollten sowohl die Grunderwerbssteuer beim ersten Eigenheim abschaffen, als auch die Eintragungsgebühren ins Grundbuch. Da geht es um mehrere Tausend Euro. Leider war das mit den Grünen nicht möglich, aber wir als ÖVP bleiben weiterhin dran.
Österreich hat mit 54 Prozent die zweitniedrigste Eigentumsquote in der EU, nach Deutschland. Ein Eigenheim ist für viele längst nicht mehr leistbar, auch, wenn sie sich die Grunderwerbssteuer sparen würden.
Plakolm
Genau deswegen ist es so wichtig, dass wir hier Anreize setzen. Ich verstehe jeden jungen Menschen, der sagt: Wozu soll ich 40 Stunden arbeiten? Ich kann mir sowieso nichts aufbauen, dann lebe ich lieber im hier und jetzt. Wir müssen das Versprechen abgeben, dass man sich durch Arbeit ein Eigentum schaffen kann. Es ist ein faktisches Problem: Nicht nur in der Kreditbranche, auch in der Bauwirtschaft, wo Aufträge enorm eingebrochen sind, gerade im Privatwohnbereich.
Die Grunderwerbssteuer ist nur eine kleine Stellschraube. Liegt es nicht auch an den massiv gestiegenen Immobilienpreisen, und daran, dass sich die Reallöhne weitaus weniger stark mitentwickeln?
Plakolm
Die Grunderwerbssteuer bringt sehr viel. Wenn man weitere Nebengebühren dazurechnet, dann könnte man rund fünf Prozent des Kaufpreises einer Immobilie sparen. Es ist auch nicht so – wie der Koalitionspartner sagt –, dass wir damit die Luxuskinder in Villen fördern würden, sondern genau diejenigen, die sich etwas aufbauen wollen. Die anderen sind nicht darauf angewiesen. Der zweite Hebel, der extrem wichtig wäre, sind die Kredite. Die Finanzmarktaufsicht hat auf europäische Empfehlungen hin sehr strenge Kreditrichtlinien beschlossen. Das führt zu einer Art Kredit-Tourismus, weil andere EU-Mitgliedsstaaten weniger strenge Richtlinien haben. Wir müssen vor allem die Eigenmittelquote auf ein vernünftiges Maß senken. Es hat bereits erste Lockerungen gegeben, aber ich werde nicht müde, da auch noch ein weiteres Mal zu appellieren.
Wollen Sie da auch an den Einkommensgrenzen rütteln? Derzeit darf man 40 Prozent des Nettoeinkommens als Kreditrate bedienen.
Plakolm
Auch das muss man sich anschauen. Um einen Kredit von 400.000 Euro aufnehmen zu können, muss man knapp über 4000 Netto verdienen. Es ist unrealistisch, dass junge Menschen diese Anforderungen erfüllen.
Die Koppelung an das Einkommen hat das Ziel, die Menschen nicht in die Überschuldung zu treiben.
Plakolm
Natürlich, aber ich habe mit vielen Bankenvertretern gesprochen, die gesagt haben, dass sich in der Vergangenheit die Kreditausfälle in einem stabilen, niedrigen Maß bewegt haben. Lockerungen wären möglich.
Wohnen war auch eines der Hauptthemen bei der Salzburger Landtagswahl. Das gute KPÖ-Ergebnis korreliert mit stark steigenden Mieten. Gerade Menschen unter 30 haben stärker kommunistisch gewählt. Was macht die ÖVP falsch?
Plakolm
Menschen wählen die Partei, die die aktuellen Probleme und Herausforderungen am deutlichsten anspricht. Das war früher so, und das wird auch immer so sein. Man muss die Zahlen aber schon richtig einordnen, gerade aus Sicht der ÖVP. Sowohl in Salzburg als auch in Niederösterreich sind wir deutlich Erster geworden. In Kärnten hat es ein Plus gegeben. Und man sieht, dass gerade junge Menschen die Nase voll haben von einer Politik der Bevormundung und der Verbote: Gerade die Grünen sind in keinem der drei Bundesländer auf zehn Prozent gekommen.
Sind die Grünen eine Verbotspartei?
Plakolm
Es zeigt offenbar, dass die jungen Menschen die Nase voll haben von Bevormundung, und davon, dass über ihre Köpfe hinweg Entscheidungen getroffen werden.
Zum Beispiel?
Plakolm
Gerade die Debatten um Tempo 100 und um Verbrennermotoren, da geht es nur um Verbote. Das ist nicht das, was die Menschen beschäftigt. Die Menschen beschäftigt, wie sie mit ihrem Verdienst auskommen können. Wie sie sich Eigentum schaffen können. Wie man eine Familie aufbaut. 
Wenn wir uns in den besagten eineinhalb Jahren wieder treffen: Können Sie sich dann vorstellen, dass sie Teil einer Bundesregierung unter Kanzler Herbert Kickl sind?
Plakolm
Vor einer neuen Regierung stehen Wahlen, und da entscheiden die Wählerinnen und Wähler. Danach geht es in Verhandlungen. Ich finde es undemokratisch, wenn man eine politisch legitimierte Partei, die im Parlament vertreten ist, im Vorhinein von Koalitionsverhandlungen oder von einer Regierungsbeteiligung ausschließt.
Aber die ÖVP schließt in Salzburg doch auch eine Koalition mit der KPÖ aus – und Ihre deutsche Schwesterpartei CDU mit der AfD.
Plakolm
Mein Zugang ist das nicht. Ich halte es für falsch, wenn man den Wählerwillen ignoriert.

Ich finde es undemokratisch, wenn man eine politisch legitimierte Partei, die im Parlament vertreten ist, im Vorhinein von Koalitionsverhandlungen oder von einer Regierungsbeteiligung ausschließt.

Claudia Plakolm

Vor der Landtagswahl am 23. April sprach Wilfried Haslauer im Zusammenhang mit der FPÖ von „einer Stimmung wie in den 1920ern“ und warnte vor „Niedertracht, Gemeinheit, Hass und Boshaftigkeit“. Dem schließen Sie sich also nicht an?
Plakolm
Die Frage, wie es auf Bundesebene weitergeht, stellt sich aktuell nicht. Mir ist wichtig, dass wir Dinge weiterbringen für die wir stehen, die mir auch wichtig sind in meiner politischen Arbeit. Da ist mir auch egal, welche Funktion auf meinem Türschild steht.
Es geht nicht nur um Mehrheiten, sondern auch um die Glaubwürdigkeit Ihrer Partei. Sowohl Landeshauptmann Haslauer als auch Landeshauptfrau Mikl-Leitner hatten vor den Wahlen jeweils eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen. Entdeckt die ÖVP ihren Antifaschismus immer nur im Wahlkampf?
Plakolm
Naja. In Niederösterreich hat es wochenlange Verhandlungen mit der SPÖ gegeben, und wenn dann jemand sagt, er hackt sich lieber die Hand ab, bevor er diese Koalition eingeht, dann wurde die Chance auf Zusammenarbeit von der SPÖ sehr deutlich verspielt.

Marlene Svazek (FPÖ) verhandelt aktuell mit Wilfried Haslauer (ÖVP) über die Bildung der nächsten Salzburger Landesregierung. 

Zum Schluss: Sie sind sehr aktiv auf der Videoplattform TikTok. Einige Länder, darunter die USA haben Angst, dass das Netzwerk von China zur Spionage genutzt wird. Innenminister Gerhard Karner will jetzt TikTok auf Diensthandys von Amtsträgern verbieten. Bleiben Sie trotzdem dort?
Plakolm
Nachdem ich TikTok nur auf dem Privathandy nutze: Ja.
Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.