Stonewall Inn, 28. Juni 1969.
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Ein Geburtstag im Spiegel der Zeit

Der 28. Juni gilt als Geburtsstunde der Gay-Pride in den USA. Und rein zufällig ist es auch noch mein Geburtstag.

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Heute ist ein Tag zum Feiern! Vor 27 Jahren erblickte ich das Licht der Welt. Und heute Abend tritt mein Kollege Robert Treichler auf eine hoffentlich gut ausgeleuchtete Bühne und bekommt einen Preis. Wofür, das erfahren Sie gleich.

„Bist du bereit für den Klub 27?“, hat mich meine Kollegin Siobhán Geets unlängst gefragt. Und natürlich bin ich das nicht. Denn Janis Joplin, Jimi Hendrix, Kurt Cobain oder Amy Winehouse – sie alle starben in ihrem 28. Lebensjahr, bis heute einer der größten Mythen im Rock’n’Roll. Vor diesem Hintergrund bin ich froh, dass ich kein Popstar bin, sondern viel langweiligere Hobbys pflege.

Was am 28. Juni sonst so passiert ist?

So führe ich etwa eine Liste an historischen Ereignissen, die sich am 28. Juni in Südosteuropa abgespielt haben. Da wäre 1389 etwa die Schlacht auf dem Amselfeld, sozusagen der Ur-Mythos im Kosovo-Serbien Konflikt, über den ich unlängst im Auslands-Ressort geschrieben habe. An meinem Geburtstag wurde 1914 Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo ermordet – ein Ereignis, das in weiterer Folge den Ersten Weltkrieg auslöste. Für den serbischen Machthaber Slobodan Milosević markierte der 28. Juni Aufstieg und Fall zugleich. 1989 hielt er vor Hunderttausenden eine folgenreiche Rede und heizte den ethnischen Hass im ehemaligen Jugoslawien weiter an. 2001, ebenfalls am 28. Juni, wurde er dann an das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert. Sein mörderisches Erbe wirkt bis heute nach. Mein Kollege Stefan Grissemann hat die bosnische Regisseurin Jasmila Žbanić zu ihrem preisgekrönten Film „Quo Vadis, Aida?“ über den Völkermord in Srebrenica interviewt.

Der 28. Juni hat auch Gutes hervorgebracht. Er gilt als Geburtsstunde der Gay-Pride-Parade.

1969 gingen an jenem Tag in einer Bar in der Christopher-Street in New York Schwule, Lesben und Transgender-Personen auf die Barrikaden, um gegen die staatliche Diskriminierung von sexuellen Minderheiten, heute unter dem Kürzel „LGBT“ bekannt, zu protestieren.

Mehr tun, als nur ein buntes Tuch hissen

Als lesbische Frau bin ich sehr dankbar dafür, dass es mutige Generationen vor mir gab, die sich dem Kampf um Anerkennung und Sichtbarkeit hingegeben haben. Ist jetzt alles gut? Leider nein. In Ungarn dreht Viktor Orbán die Uhren zurück. Müssen wir tatenlos dabei zusehen? Auch hier ein Nein: In diesem Kommentar denke ich darüber nach, wie wir ungarischen LGBT-Teenagern jetzt beistehen können.

Auch Kollege Robert Treichler feiert heute. Er und seine Kollegen Emran Feroz und Sayed Jalal Shajjan erhalten für diese Geschichte den renommierten Concordia-Preis.

Natürlich an einem 28. Juni.

Eine gute Woche wünscht

Franziska Tschinderle

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Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.