Wirtschaftskammer erreichte Nachjustierungen

Prozess zu Wirtschaftskammer-Wahlbetrug: Staatsanwaltschaft legt Beschwerde ein

Wahlwerber füllte zwei Dutzend Stimmzettel von 24-Stunden-Pflegerinnen selbst aus. Die Richterin schlug den Angeklagten eine Diversion vor – sie müssen eine Geldbuße zahlen. Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt kündigt gegenüber profil aber eine Beschwerde an.

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Ein Wirtschaftskammer-Funktionär und seine Frau mussten sich am Mittwoch vor einem burgenländischen Bezirksgericht verantworten. Der Vorwurf: Wahlbetrug bei der Wirtschaftskammerwahl im März des Vorjahres. Der Mann, der eine Vermittlungsagentur für 24-Stunden-Pflegerinnen betreibt, kandidierte für den burgenländischen Wirtschaftsbund in der Fachgruppe Personenbetreuung. Und griff dabei zu unerlaubten Tricks: Er und seine Frau füllten insgesamt 24 Stimmzettel von Pflegerinnen selbst aus. Und schrieben den Namen des Agenturbetreibers in das Feld für die Vorzugsstimme, um sein Ergebnis aufzubessern. Danach zog er als Funktionär in die Fachgruppe der Kammer ein. Wie das möglich war? Die Stimmzettel der selbstständigen Altenbetreuerinnen waren an die Adresse der Pflegeagentur zugestellt worden, weil die – vorwiegend – aus Rumänien stammenden Frauen dort ihren Gewerbesitz angemeldet haben.

Die Richterin des Bezirksgerichts schlug den beiden Angeklagten eine Diversion vor. Die Frau muss demnach 720 Euro, der Mann 3800 Euro an Geldbuße bezahlen – wenn sie den Betrag binnen 14 Tagen einzahlen, nehmen sie das Diversionsangebot an, das bestätigte der für das Bezirksgericht zuständige Mediensprecher. Der Staatsanwaltschaft Eisenstadt geht das angesichts der Schwere des Vergehens nicht weit genug – sie kündigt gegenüber profil eine Beschwerde an: „Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt hat sich bei dem Mann gegen die Diversion ausgesprochen, weil er selbst Stimmzettel von Pflegerinnen ausgefüllt hat und seine Frau angestiftet hat. Er ist also Bestimmungstäter. Dazu kommt: Er war Wahlwerber, Funktionär der Wirtschaftskammer und gleichzeitig Wahlzeuge bei einer Bezirkswahlkommission. Von ihm geht eine höhere Vorbildwirkung aus.“ Bei der Frau des Pflegeagenturbetreibers will die Staatsanwaltschaft eine Beschwerde gegen die Diversion nicht ausschließen – sie ist aber eher unwahrscheinlich.

Eine Beschwerde kann die Staatsanwaltschaft allerdings erst gegen den endgültigen Diversionsbeschluss einbringen, also erst wenn der Pflegekräftevermittler und seine Frau ihr Bußgeld bezahlt haben.

Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt führt auch in weiteren Fällen Ermittlungen gegen die Betreiber von Pflegeagenturen, die bei den Kammerwahlen kandidierten – und im Verdacht stehen, die Stimmzettel der Pflegerinnen selbst ausgefüllt zu haben. profil berichtete ausführlich. Ähnlichen Verdachtsmomenten geht auch die Staatsanwaltschaft Linz nach. Und auch in Tirol wurde dazu eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht.

Die gehäuften Fälle deuten jedenfalls auf ein strukturelles Problem hin: Die formal selbstständigen 24-Stunden-Pflegerinnen sind stark von den Agenturen und ihren Betreibern abhängig – bei den Wahlen kandidieren die österreichischen Agenturchefs. Einige von ihnen dürften die Pflegerinnen, die bei ihnen unter Vertrag stehen, zur Stimmabgabe drängen. Oder im Extremfall die Stimmzettel gleich selbst ausfüllen.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.