Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Happy Birthday to Me!

Happy Birthday to Me!

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Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, liebe Freunde und Feinde!

Es ist wirklich eine große Ehre, zu Ihnen sprechen zu dürfen – und nein, es ist keineswegs kränkend für mich, nur die dritte Wahl zu sein, nachdem meine geschätzten Satirikerkollegen Fiona Swarovski und Gerhard Dörfler kurzfristig abgesagt haben. Frau Swarovski machte private Gründe geltend, sie sei nämlich angesichts der Ereignisse der letzten Monate gerade dabei, sich auszurechnen, ob sie mit der freundlichen Übernahme von Karl-Heinz Grasser tatsächlich null Defizit gemacht hat.

Der Landeshauptmann von Kärnten hingegen ist beruflich verhindert, er lässt ausrichten, dass es ihm momentan unmöglich sei, die Lektüre der Ortstafel von Gurk zu unterbrechen – weil er nach dem dritten Buchstaben klarerweise unbedingt wissen will, wie’s ausgeht.

Als mir Christian Rainer den Befehl erteilt hat, diese – wie Ihnen sicherlich aufgefallen ist – jetzt schon unfassbar launige Büttenrede zu halten, hab ich ihn natürlich gefragt, was er sich denn so erwarte. Worüber ich also sprechen solle.

Er hat gesagt: „Erinnerst du dich an die Rede von Armin Wolf bei der Verleihung des Robert-Hochner-Preises 2006? In der er schonungslos den Finger in die schwärenden Wunden unserer Medienlandschaft gelegt hat? Mach so was in der Art. Nur halt lustig. Weil ich schau mir die ,ZiB 2‘ immer extra auf 3sat an, in der Hoffnung, dass er sich irgendwann einmal von den Zusehern dort schon verabschiedet, bevor sein Schlussgag kommt.“

Ja, hab ich mir gedacht, na gut. Und eine Zeit lang hab ich sogar überlegt, ob ich, bevor ich mich hierherstelle, den Christian daran erinnern sollte, was die Rede vom Armin schlussendlich für seine Chefin bedeutet hat. Aber dann hab ich mir gedacht: Ach was! Er wird schon wissen, was er tut. Er ist erwachsen. Er ist reif. Er kann sich allein anziehen ...

Also, wie gesagt: Er ist erwachsen. Jetzt hab ich zwei Minuten geredet und schon vier Leute beleidigt. Wenn ich den Schnitt halte, bietet mir die ÖVP nachher sicher den Job vom Fritz Kaltenegger an. Und fünf!

Sie erinnern sich ja sicher noch, was im Gefolge der Wolf-Rede passiert ist. Hier die absolute Kurzfassung: Plattform SOS ORF, eine neue Regierung, eine neue ORF-Führung, dann noch eine neue Regierung – und schließlich, als absoluter Kulminationspunkt dieser medienpolitischen Umwälzungen, als D’Artagnan öffentlich-rechtlicher Unabhängigkeit: Josef Ostermayer!
Und endlich, endlich gibt es ein neues ORF-Gesetz, mit dem ja wirklich gleich alles ganz anders ist als zu Zeiten der finsteren schwarz-blauen Meinungsdiktatur!

Nun ja, journalistische Unabhängigkeit rangiert in der ganz persönlichen Beliebtheitsskala des österreichischen Berufspolitikers halt ziemlich genau auf Platz 587, einen Rang hinter griechischen Staatsanleihen – aber immerhin noch knapp vor eingewachsenen Zehennägeln.

Wobei ja der österreichische Politiker auch spätestens seit seinem ersten Seminar in der Parteiakademie zum wichtigen Thema „Feindstrategien erkennen – und eine viel gelesene Presseaussendung dazu verfassen!“ weiß, dass es so etwas wie journalistische Unabhängigkeit ja eigentlich gar nicht gibt.

Was das profil betrifft, wird Ihnen jeder Parteienvertreter, der es gerade gelesen hat – nein, das war jetzt überflüssig, er braucht es überhaupt nicht gelesen zu haben, das ist ja der Vorteil, dass es uns schon 40 Jahre gibt: Es wissen auch alle, die uns nicht lesen, was drinsteht –, total schlüssig darlegen, dass wir vollkommen willenlose Marionetten des politischen Gegners sind. Ich empfehle Ihnen zu diesem Thema übrigens auch den Text meines Kollegen Gernot Bauer im Jubiläumsheft, der ist ausgesprochen lesenswert.

Für das schwarze Reichsdrittel ist der Fall, was uns betrifft, seit ziemlich genau 40 Jahren glasklar: Wir sind rote Socken. Ein wenig grün eingesprengselt, seit diese unnötige Mode in den Achtzigern aufgekommen ist, aber ansonsten von Löwelstraßen-Schweißfüßen perfekt zurechtgetreten.

Georg Hoffmann-Ostenhof eröffnet die Redaktionskonferenzen immer mit der Internationalen – in der Techno-Version von Sven Gächter –, und wer dort keinen kooperativen Kaffee aus Nicaragua trinkt, muss sich zur Strafe selbst der Konterrevolution bezichtigen, einen Trachtenhut aufsetzen und den Rest des Tages Erwin-Pröll-Interviews lesen. Diese Vorstellung von uns ist natürlich vollkommen korrekt.

Ich persönlich finde ja auch, dass sich in unseren sonst so patenten Leitartikeln etwa viel zu selten warmherzige Anfeuerungsrufe für Maria Fekter finden – passend wäre hier etwa jene schöne Aufmunterung, die ich jüngst auf dem Wiener Helfort-Platz in Ottakring gehört habe: „Mitzi! Reiß eam de Müz auße und verfütter s’ an de Ameisen!“

Oder dass in unserer ganzen Trotzkisten-Postille fundierte Essays über die drohende Verelendung ganzer Grinzinger Landstriche nach der Einführung einer Vermögensteuer schmerzlich fehlen, ebenso wie herzhafte Reportagen über die jährliche Zuchtstierversteigerung in Zwettl an der Rodel.

Dass Letzteres im profil nicht stattfindet, wundert allerdings sicherlich auch die Sozialdemokraten. Denn auch die wissen haargenau, was von uns zu halten ist: Nachdem wir immerhin im Minderheitseigentum von Raiffeisen stehen, die ja auch Hauptaktionärin der ÖVP ist, sind wir wirklich brandgefährliche, weil undercover agierende Büttel der Giebelkreuzkrake.

Wenn uns unser Job lieb ist – und das muss er in Zeiten wie diesen ja wohl sein, denn wenn wir ihn verlören, bliebe uns bei unserer Qualifikation als letzter Ausweg nur noch das Redigieren dieser schlüpfrigen Anzeigen im „Bauernbündler“ à la „Bauer mit Vorliebe für pralle Euter und streng riechende Selchkammern sucht künstliche Befruchtung“ –, wenn wir diesen Karrierepfad nicht beschreiten möchten, dann müssen wir parieren. Auch dieses Bild von uns ist selbstverständlich völlig richtig.

Das klassische Wochenende eines profil-Redakteurs sieht ja so aus: Samstag in aller Frühe treffen wir uns in einer Gegend, in der der letzte SPÖ-Wähler 1986 gestorben ist, wärmen uns mit Gummistiefel-Weitwerfen ein wenig auf und verbringen dann zwei Tage damit, Christian Konrad bei einer Niederinstinktwildjagd durch das Vorlesen von ÖVP-Belastungskonzepten betäubte Feldhasen und mittels EU-Großbauernsubventionen hochgezüchtete Goldfasane vor die Flinte zu treiben.

In den Pausen ruft er uns dann einzeln in den Herrgottswinkel, lässt uns ein bissl scheitelknien, falls wir in der vergangenen Woche Josef Pröll nicht als Mischung zwischen Jesus Christus und Brad Pitt dargestellt haben sollten – was allerdings höchst selten passiert –, und gibt uns dann die Themen für die nächste Woche vor.

Selbstverständlich habe ich ihm auch das Manuskript dieser Rede vorlegen müssen, er war eigentlich im Großen und Ganzen recht zufrieden mit mir und hat nur zwei Passagen rausgestrichen, nämlich:
„Ho-Ho-Ho Chi Minh!“
Und: „Kennen Sie den? Gehen zwei Jäger beim Wirtshaus vorbei.“

Kurzer Einschub: Ihnen werden hier ja sicher schon die sozialdemokratischen Mitglieder der Wiener Stadtregierung abgegangen sein. Nicht? Mir schon. Ich mag es, wenn Renate Brauner irgendwo auftaucht – und dann gleich hinter ihr Jermaine Jackson mit dem Klingelbeutel ... Die Stadtroten sind beleidigt und haben deshalb geschlossen abgesagt. Wegen eines Artikels vor einer Woche, in dem wir das Firmenimperium der Wiener SPÖ und seine ganz guten Beziehungen zum Wiener Magistrat beschrieben haben. Das Problem, das die Genossen nun mit dieser Geschichte haben, ist folgendes: Sie stimmt.

Sie sehen, manchmal braucht’s nicht viel. Also jedenfalls: Die Politiker, so viel steht schon einmal fest, die brauchen uns eigentlich nicht. Da gibt es andere Presseerzeugnisse, zu denen sie sich wesentlich stärker hingezogen fühlen.

Aber wer braucht uns dann? Braucht uns irgendwer? Gibt es überhaupt noch genügend Nachfrage nach Qualitätsjournalismus? Und will ihn sich auch auf Verlegerseite noch jemand leisten? Ich gehe jetzt einfach einmal davon aus, dass in diesem Raum die einhellige Meinung vorherrscht, dass profil eh Qualitätsjournalismus macht.

Sollten Sie davon nicht überzeugt sein, ist das auch nicht wirklich ein Problem, ich möchte Sie diesfalls nur höflich ersuchen, ohne großes Aufsehen das von Ihnen konsumierte Essen wieder herzugeben und den Raum rasch durch den Notausgang zu verlassen – bevor der von Christian Rainer extra für diesen Zweck angemietete Hund von Gery Keszler Ihrer habhaft wird.

Mit der Frage nach der Zukunft des Qualitätsjournalismus setzen sich in unserem Jubiläumsheft Christian Rainer und Sven Gächter auseinander, im Großen und Ganzen kommen sie zu ­einem ähnlichen Befund, und der lautet, auf einen ganz kurzen Nenner gebracht: „Pfuha!“ Ich persönlich mache mir da ja weniger Sorgen.

Die Krise, heißt es immer, die Krise ist schuld, weil die Anzeigenerlöse einbrechen, und wenn die Krise nicht bald aufhört, dann ist irgendwann Schluss. Auf der anderen Seite lesen die Leute in der Krise mehr Qualitätsmedien, weil sie ja wissen wollen, wie das jetzt weitergeht. Ob man jetzt schon wieder in Aktien investieren soll oder doch vielleicht lieber in einen großen Sack Saaterdäpfel.

Das ist bitte eine absolute Win-win-Situation für uns! Sicher, wenn die Krise nicht aufhört, wird in Zukunft alles ein bisschen mühsamer werden: die Hauszustellung in die ganzen Bunker, in die sich die Leute mit ihren Vorräten zurückziehen. Und die wöchentlichen Abrechnungen werden durch die neueste Finanzmarkt-Errungenschaft – den Real-Time-Tauschhandel – auch nicht unbedingt einfacher werden. Aber mein Gott – stellen Sie sich einmal vor, Sie sind nach dem quasi finalen Crash nicht Qualitätsjournalist, sondern zum Beispiel Feng-Shui-Berater. Oder Synchronschwimmer. Auch nicht einfach.

Gächter schreibt in seinem Text, dass es beim Qualitätsjournalismus im Moment auch, ich zitiere, „um einen quasi moralischen Nachweis der eigenen Existenzberechtigung gegenüber den Renditefetischisten in den kaufmännischen Chefetagen der Verlagshäuser“ gehe.

Aber, Sven! Wirklich, jetzt. Die sind ja gar nicht so! Wir zum Beispiel haben im Vorjahr, also im wirtschaftlich vermutlich schlimmsten Jahr der Zeitungsgeschichte, eine, wie Christian Rainer erst am Wochenende wieder im „Standard“ gesagt hat, „ordentliche hoch einstellige Rendite erwirtschaftet“.

Und Sven, ich bin mir sicher, man hat uns das in Hamburg schon verziehen! Und schließlich die Leser. Ich habe endloses Vertrauen in die Leser. Satiriker sind ja noch vor den Totengräbern die größten Kulturoptimisten unserer Zeit, und darum vertraue ich fest darauf, dass unsere Leser immer mehr werden, dass vor allem der junge Mensch als solcher, der ja angeblich nicht mehr liest, dies sehr wohl tut. Ganz sicher sogar.

Ob im Big-Brother-Container oder zwischen dem Herunterladen von zwei unverzichtbaren iPhone-Apps, nach dem Erreichen eines Highscores beim neuesten Ego-Shooter-Game oder in einer Happy-Slapping-Pause – immer dann werden die jungen Menschen zum profil greifen, den Leitartikel von Christian Rainer lesen und sich anschließend in endlose, hitzige Diskurse vertiefen.

Ja! Grundlegende Probleme werden die jungen Leute da besprechen: zum Beispiel die Frage, wie jetzt eigentlich der Umrechnungskurs zwischen dem griechischen Euro und dem österreichischen Euro ist. Oder ob sie bei beim Koalieren lieber oben oder unten liegen. Solche Sachen.

Jedenfalls, werte Festgäste, Sie werden sehen: Alles wird gut. Und in zehn Jahren treffen wir uns wieder hier, und die Wiener SPÖ wird wieder beleidigt sein … Alles wie gehabt. Und wenn Sie Glück haben, ganz großes, kaum zu fassendes Glück – dann hat in zehn Jahren sogar Gerhard Dörfler Zeit.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort