Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Hör zu!

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Werner Faymann hörte ganz genau hin. Das tat er zugegebenermaßen nicht immer. Schon gar nicht, wenn er mit Laura Rudas telefonierte – wie auch jetzt gerade. Manche Wortfetzen schafften es zwar tatsächlich, ihn kurz vom Wesentlichen abzulenken – Werner registrierte die Begriffe „Antifaschismus“, „linke Handschrift“ und „Darabos muss weg“ –, ansonsten nahm er aber Lauras wie immer fein gewobenen Rhetorikteppich nur als Hintergrundrauschen wahr. Aber trotz aller Konzentration hörte er nicht, was er eigentlich hören wollte.

„Laura“, unterbrach er sie schließlich, „jetzt sei einmal still.“ Laura, ganz die aufbegehrende Parteiwilde, die sie immer schon gewesen war, tat umgehend, wie ihr geheißen. Der Kanzler wartete zehn Sekunden.
„Und?“, sagte er dann. „Hörst du was?“
„Was soll i hören?“
„Irgendwas. Ein Knacksen, ein Atmen. Von mir aus auch ein leises, höhnisches Lachen.“

Nein. Da war nichts. Das konnte aber eigentlich nicht sein. Werner musste dieser Sache auf den Grund gehen. Also sagte er: „Du, wegen der Finanztransaktionssteuer: I hab mir denkt, wir dehnen die jetzt auch gleich auf die Turbokapitalistenschweine an der Wall Street aus. Und das Ganze kombinieren wir mit einer 110-prozentigen Vermögenssubstanzsteuer für diese furchtbar bösen Multis! Und wenn das nicht reichen sollte, um endlich soziale Gerechtigkeit herzustellen, dann soll der Werner Muhm einen Fünfjahresplan für die Weltwirtschaft erstellen, den wir mit einem gefinkelten Abstimmungstrick in der OECD und der G-20 für alle verbindlich werden lassen. Na, was sagst?“

Dieses eine Mal, das erste Mal, seit sie ihr Leben dem Streben nach einer besseren Welt gewidmet hatte, war Laura sprachlos. Sollten tatsächlich all ihre Träume mit einem Schlag in Erfüllung gehen?

Werner legte auf und überlegte, welche Volte er in diesem Nervenkrieg als Nächstes schlagen sollte. Dann rief er den Außenminister an, der zwar nicht mehr lange Außenminister sein würde und, wenn man diese Bezeichnung unnötig wörtlich nehmen wollte, eigentlich nie wirklich Außenminister gewesen war. Aber für Werners Zwecke reichte Michael Spindeleggers kreatives Amtsverständnis diesmal völlig aus. Nach ein wenig uninteressantem Koalitionsgeplänkel zu Beginn („Und? Is die Fekter endlich wieder im Think Tank Attnang-Puchheim?“ – „Erst, wenn der Cap des AMS von innen kennt.“) stieß er gleich zum Kern des Pudels vor.
„Die Kriegserklärung an Liechtenstein – is die fertig?“

Nun war Spindelegger ja allerlei Narreteien gewöhnt. Zuvorderst einmal von sich selber. Wenn er beim alljährlichen Gschnas des niederösterreichischen ÖAAB nach dem eineinhalbten Campari Orange so richtig in Stimmung war, sich eine halbe Wassermelone aufsetzte und dann seine Erwin-Pröll-Parodie zum Besten gab, blieb nie ein Auge trocken. Und auch von seinem Koalitionszwilling hatte er nun wirklich schon so manches gehört, das unter die Kategorie „Get real!“ fiel. Eigentlich alles. Aber damit hatte er nun doch nicht gerechnet.

„Kriegserklärung? An Liechtenstein??“
„Ah! Du meinst also, wir marschieren ohne Kriegserklärung ein? Hervorragender Plan! Durch den Überraschungseffekt natürlich wesentlich erfolgsversprechender. Ich würd so sagen: In drei Tagen gemma’s an. Wir müssen nur aufpassen, dass die Amis nix spitz kriegen!“ Dann legte der Kanzler, ohne eine weitere Antwort abzuwarten und mit seinem taktischen Geschick wieder einmal hochzufrieden, auf.

Die folgenden drei Tage waren sehr aufregend. So aufregend wie ein Fußballspiel, bei dem man als Zuschauer darauf wartete, dass es endlich nicht mehr 0:0 stand. Also quasi wie eine auf drei Tage ausgedehnte Ministerratssitzung. Aber das Tor wollte und wollte einfach nicht fallen. Als die drei Tage vorbei waren, stand es immer noch 0:0. Und kein amerikanisches Außenamt oder noch besser gleich der Barack, wie ihn Werner nennen durfte, seit er von seinem amerikanischen Freund beim letzten Besuch in Washington für den Koch gehalten worden war, wackelte mit dem diplomatischen Ohr. Von einem zünftigen Säbelrasseln ganz zu schweigen.

Hier lief etwas ganz gehörig schief. Das konnte der Bundeskanzler so nicht akzeptieren. Und natürlich hätte er die üblichen Kanäle nützen können, um sein geharnischtes Missfallen zum Ausdruck zu bringen. Aber das hätte ja alles wieder ewig gedauert. Also entschloss er sich, ganz seinem Naturell folgend, gleich den Stier mit sicherer Hand bei den Hörnern zu packen. Er wählte eine Nummer, die ihm sein Geheimdienstexperte Gerald Klug aus den geheimen Gelben Seiten von Fort Meade, Maryland, herausgesucht hatte.

Und als sich diese arbeitsscheuen Penner von der NSA endlich meldeten, sagte er: „Grüß God, Faymann. Ja, Sie hören schon richtig: The ­Faymann! Ich fürchte, Ihnen ist da ein schrecklicher ­Fehler unterlaufen: Sie hören die Merkel ab – und mich nicht! Aber nix für ungut: Meine Nummer steht auf dem Display.“

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort