Resümee der Wahlkampf-Kampagne 2013: gar nicht so übel
1 In Wahlkampfzeiten wird so viel über Politik gesprochen wie sonst nie. Auch Menschen, die sich sonst nicht dafür interessieren, beschäftigen sich zumindest vorübergehend damit. Das war auch diesmal so.
2 Bei den TV-Konfrontationen im ORF saßen zwischen 700.000 und 800.000 Zuseher vor den Fernsehschirmen. Selbst das Duell Spindelegger vs. Bucher - an sich nicht eben ein Straßenfeger - hatte ebenso viele Zuseher wie Armin Assingers erste Millionenshow nach der Sommerpause. Faymann gegen Strache fand streckenweise mehr Publikum als Österreich gegen Irland. Hat da jemand von Politikmüdigkeit gesprochen?
3 Die großen Themen des Wahlkampfs gaben die Regierungsparteien vor: Vermögensverteilung, Steuern, Arbeitszeitflexibilisierung, Standortpolitik. Es gab schon sinnlosere Themenpaletten.
4 Die Grünen konnten als einzige Oppositionspartei mit der Korruptionsbekämpfung ein eigenes starkes Thema setzen.
5 Die FPÖ kam mit ihrer Ausländermasche in der öffentlichen Debatte diesmal nicht wirklich vom Fleck. Aus diesem Umstand auf das Wahlergebnis zu schließen, wäre leichtfertig.
6 EU und Griechenlandhilfe spielten überraschenderweise ebenfalls keine große Rolle. Eher in die Abteilung "Unfreiwilliger Humor fällt Frank Stronachs "nationaler Euro.
7 Heinz-Christian Strache wirkte müde, wollte aber vielleicht nur so abgeklärt aussehen wie Jörg Haider in seinem letzten, überaus erfolgreichen Wahlkampf 2008.
8 Josef Bucher war sympathisch und bewies Mut zur Lederhose. Warum jemand das BZÖ wählen soll, konnte er nicht wirklich vermitteln.
9 Eva Glawischnig ging nicht ohne Taferl-Sammlung ins Fernsehstudio. Das wirkte manchmal albern: Dass Außenminister Michael Spindelegger auch den bösen Colonel aus Libyen traf, gehörte schließlich zu den Amtspflichten und fällt nicht in die Rubrik Skandal.
10 Frank Stronach war Frank Stronach.
11 Michael Spindelegger kam zu Beginn schwer übertrainiert einher, wurde im Lauf der Kampagne aber echter.
12 Werner Faymann war der klare TV-Debatten-Sieger. Er mag manches nicht können - das kann er.
13 Ingrid Thurnher moderierte vorzüglich.
14 Die legendärste Debatte fand auf Puls 4 statt: Die "Wahlarena mit Frank Stronach hat das Zeug zur Kultsendung.
15 Peter Rabl als strenger Befrager auf Puls 4 ist die (Wieder-)Entdeckung der Saison.
16 Die Österreicher finden noch immer nicht den Knopf für die Privatsender auf der Fernbedienung: Bei der denkwürdigen Stronach-"Wahlarena schauten gerade 95.000 zu. Faymann gegen Spindelegger sahen auf Puls 4 immerhin rund 300.000.
17 Die Rolle der "Social Media, Twitter und Facebook, war in diesem Wahlkampf so groß wie nie zuvor, massenwirksam wurden sie aber nicht. Das Leitmedium der vergangenen Wochen war das gute alte Fernsehen.
18 Otto von Bismarck wird der Satz zugeschrieben: "Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd. Die Mehrheit der Wähler stimmt dem uneingeschränkt zu. Diesmal war es nicht so: Die Fakten-Checker des ORF und diverser Zeitungen kamen zum Schluss, dass die meisten der von den Spitzenkandidaten präsentierten Zahlen tatsächlich einigermaßen stimmten.
19 Mit Untergriffen wurde durchaus operiert. Die ständige Warnung der SPÖ vor einer Wiederauflage von Schwarz-Blau war angesichts der Umfragedaten äußerst fadenscheinig: ÖVP und FPÖ lagen durchwegs weit unter der 50-Prozent-Marke.
20 Ganz böse die ÖVP mit der Behauptung, die Sozis würden den Eltern ihre Kinder wegnehmen, weil die SPÖ für den Anspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Lebensjahr eintritt.
21 Superböse wieder einmal die FPÖ, die ihre öde Ausländer-Raus-Masche diesmal listig mit dem Begriff "Nächstenliebe zu behübschen versuchte.
22 Apropos böse: "Lügenkanzler sagt man nicht, Frau Innenministerin. Auch nicht in einem Wahlkampf. In ein paar Wochen sitzen Sie wieder mit ihm am Kabinettstisch und spielen Friede, Freundschaft, Eierkuchen. Wer soll das dann glauben?
23 Hatte die SPÖ eigentlich neue Wahlplakate? Oder hat sie die vom letzten Mal einfach wieder verwendet? Werner Faymann auf Rot-Weiß-Rot hatten wir doch schon einmal, oder?
24 Der Plakatslogan der Grünen, sie seien "nicht so belämmert wie die anderen war so ziemlich das Belämmertste, was seit Langem auf ein politisches Plakat geschrieben wurde (FPÖ-Plakate laufen außer Konkurrenz), weil es am blöden Vorurteil ansetzt, in Wahrheit seien ja alle Politiker belämmert. Wem ist denn das eingefallen?
25 Michael Spindelegger mit einer Uroma zu plakatieren und daneben das Wort "weltoffen zu schreiben, hat schon wieder was.
26 Hätte "Frank bloß einen Plakatwahlkampf gemacht, wäre er besser ausgestiegen. Auf dunklem Braun kam er gut.
27 Kathrin Nachbaur hätte bei der "Wahlfahrt nicht Mini tragen sollen. Am Mercedes-Rücksitz ständig zwischen Rockzupfen und SMS-Schreiben hin- und hergerissen, hätte sie fast überhört, dass ihr Frank am Beifahrersitz eben die Einführung der Todesstrafe gefordert hat.
28 Heinz-Christian Strache und Eva Glawischnig hatten bei der "Wahlfahrt jeweils einen Nick-Hund am Heckfenster. Sagt uns das was - und wenn ja, was?
29 Warum war Werner Faymann gar so grantig, als ihm Heinz-Christian Strache ein Taferl mit SPÖ-Werbung in türkischer Sprache unter die Nase hielt? Und warum betonte er den Umstand, "dass alle unsere Plakate auf Deutsch sind, gar so sehr? Vermutung: Er wollte die Dumpfgummis unter potenziellen SPÖ-Wählern nicht vergraulen.
30 Bemerkenswert Heinz-Christian Straches Chuzpe, sich über SPÖ-Werbung in türkischer Sprache zu erhitzen, wo er doch selbst im Jänner des Vorjahrs bei einer Serbenveranstaltung "Kosovo je srve Srbije! gedonnert hatte. Was soviel heißt wie: "Kosovo ist das Herz Serbiens!
31 Frauen früher in Pension, zwölf Stunden arbeiten ohne Überstundenzuschlag, das Land als "abgesandelt bezeichnen und das dann auch noch durch offenbar nicht existierende Studien belegen wollen - wie konnte das der ÖVP passieren?
32 Am Wahltag sicher gewählt wird Monika Lindner, die von der Stronach-Partei erst absprang, als die Bundesliste bereits eingereicht war. Wird die ehemalige ORF-Chefin als "Wilde im Nationalrat sitzen?
33 Trotz alledem: Wahlkämpfe sind Teil der Demokratie und keine lästige Mühsal. Tausende sind im Kampf für das Wahlrecht gestorben. Bitte hingehen.