„Schuldspruch aus Mangel an Beweisen“

Schuldspruch für 23-jährigen Josef S. - Pressestimmen und Einschätzungen

Akademikerball. Pressestimmen und Einschätzungen zum Schuldspruch von Josef S.

Drucken

Schriftgröße

In den deutschen Medien stößt das Urteil auf wenig Verständnis. Von den Prozessbeobachtern wird vor allem die dünne Beweislage kritisiert. „Schuldspruch aus Mangel an Beweisen“, titelte etwa „Spiegel Online“, dessen Resümee vernichtend ausfällt: „Sachbeweise gab es nicht, der Staatsanwalt polemisierte statt zu argumentieren.“ „Ein Zeuge reicht [für eine Verurteilung, Anm.]“, meint die Berliner „tageszeitung“. Die „Sächsische Zeitung“ bekam den Eindruck, dass in Österreich „Im Zweifel gegen den Angeklagten“ Recht gesprochen werde. Gleich mehrere Medien bezeichneten den Fall als „kafkaesk“ und „Welt Online“ glaubt, dass man „Josef zum Sündenbock machen wollte“. Nach dem Motto: „Getroffen hat es Josef, gemeint sind wir alle!“

„Demonstrieren in Wien ist gefährlich geworden“
Auch in Österreich wird das Urteil kritisiert. „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk glaubt in der „ZiB24“, dass dem „Rechtsstaat kein guter Dienst erwiesen wurde“. Der Richter habe, alles was man für den Angeklagten verwenden hätte können, immer gegen ihn verwendet habe. Ein Beispiel: Die Teilnehmer des „Schwarzen Blocks“ haben sich alle schwarz angezogen, um unkenntlich zu sein. Josef S. hingegen trug eine Jacke mit leicht erkennbarer Reflektorenschrift. Für den Richter war das nicht entlastend, sondern ein Indiz dafür, dass Josef S. der Rädelsführer war. Dieses Vorgehen ist laut Klenk ein „Taschenspieler-Trick“ der Justiz, der aus „rechtstaatlicher Sicht bedenklich“ ist. Auch die Tageszeitung „Neues Deutschland“ glaubt, dass das Urteil nicht nur den Beschuldigten trifft: „Demonstrieren in Wien ist gefährlich geworden.“

In einem Gastkommentar der „Presse“ bemängelt Richter Oliver Scheiber die Anklageschrift: Nicht wie üblich ist von Tatverdächtigen die Rede, sondern von „Demonstrationssöldnern“, von „Manifestanten“ und „Chaoten“, die sich „zusammenrotten“. Das weiche von der sachlichen Amtssprache ab, die verwendeten Begriffe sind jene „der Polemik und Dramatisierung, die zur politischen Agitation eignen.“ Die Anklage liest sich, „als wäre sie mit Schaum vorm Mund verfasst worden“, meint auch „Spiegel Online“.

Reaktionen der Politik
Aufgrund des enormen (internationalen) Echos dieses Prozesses, sieht es SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim notwendig, über den Tatbestand des Landfriedensbruchs zu diskutieren. Schützenhilfe dafür bekommt er von seinem grünen Pendant Albert Steinhauser: „Die Verurteilung nach dem Strafparagraphen Landfriedensbruch stellt eine Gefahr für die Zivilgesellschaft da.“ Er habe deshalb bereits einen Antrag auf Streichung aus dem Strafgesetzbuch eingebracht. Während „Amnesty International“ ein „hohes Lernpotential“ bei der Polizei ortete, zeigt sich die ÖH bestürzt über die „katastrophalen Auswüchse des (Un-)Rechtsstaates“.
All das weist Manfred Juraczka, Landesparteiobmann der Wiener ÖVP, zurück: Das Urteil „ist ein positives Zeichen dafür, dass Gewalt nicht toleriert wird und die Verursacher schlussendlich zur Verantwortung gezogen werden.“ Auch der Landesparteisekretär der FPÖ Wien, Hans-Jörg Jenewein, sieht den Rechtsstaat nicht bedroht, sondern „bestätigt“: „Nun ist gerichtlich verbrieft, von welcher Seite die Gewalt auf die Straße gebracht wird - es ist immer die extreme Linke!“
Indes bekunden auf der Seite „Freiheit für Josef“ zahlreiche Menschen ihre Solidarität mit dem (nicht rechtskräftigen) Verurteilten und sammeln Spenden, um eine Berufung zu erleichtern.

C. S.