Bauer sucht Politik: Staffel III, Folge 7

Schwarz-Blau in Niederösterreich: Im Zeichen der Distel

Nur 24 Stimmen für Mikl-Leitner, sogar Landbauer erhält mehr: War die Wahl der Landeshauptfrau schon der Anfang vom Ende?

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Der Sitzungssaal des niederösterreichischen Landtags liegt direkt an der Traisen. Ruhig fließt ihr Wasser, während am Donnerstagvormittag vor dem Landhaus in St. Pölten die Wogen hochgehen. „Omas gegen rechts“ und SOS-Mitmensch demonstrieren lautstark gegen die neue schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich. Eigentlich ist die konstituierende Sitzung des Landtags mit der Angelobung der 56 Abgeordneten ein Festtag. Doch heute passt nur die Hülle. Die SPÖ-Mandatare tragen rote Nelken am Revers, die freiheitlichen blaue Edeldisteln.

An der Front des Sitzungssaals befindet sich eine riesige Edelblechversion des niederösterreichischen Landeswappens mit seinen fünf Adlern. An einer Seitenwand prangt ein großes Kreuz, auf der Ehrengalerie darüber sitzt der St. Pöltner Bischof Alois Schwarz neben Altlandeshauptmann Erwin Pröll, der sechs Jahre nach seiner Abdankung wohl endlich seine Ahnung bestätigt sieht, dass ohne ihn Chaos herrscht im Land. Allerdings sieht es die Landesverfassung nicht vor, dass er per Akklamation vom Bischof wieder ins Amt gesetzt wird.

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Die Tagesordnung der konstituierenden Sitzung besteht aus Abstimmungen. Gewählt werden: der Landtagspräsident, der Zweite Landtagspräsident und die Dritte Landtagspräsidentin; die Landeshauptfrau sowie deren zwei Stellvertreter; plus die übrigen Mitglieder der niederösterreichischen Landesregierung. Damit die Abgeordneten nicht den Überblick verlieren, haben sie bereits vorsortierte grüne, weiße, gelbe, orange und blaue Stimmzettel auf ihren Pulten liegen. Damit sich keiner verwählt, finden die Abstimmungen offen statt. Die Wahlurnen, die zum Einsatz kommen, erinnern an Leibschüsseln. Während der Abstimmungen eilen drei Saaldiener zwischen den Bänken zu den Abgeordneten, die ihre Stimmzettel in die Urne, respektive Schüssel, werfen.

Ibiza an der Traisen

Im Jahr 2018 wurde Mikl-Leitner mit 53 Stimmen zur Landeshauptfrau gewählt. Diesmal erhält sie 24 von 41 gültigen Stimmen. Die ÖVP hat 23 Mandate. Vom wem die Troststimme kam, wird ein niederösterreichisches Landesgeheimnis bleiben. Udo Landbauer erhält bei der Wahl zum Landeshauptfrau-Stellvertreter 25 von 44 gültigen Stimmen, eine mehr als Mikl-Leitner. Sie blickt, als habe sie eine Edeldistel im Schuh. Die Freiheitlichen verbergen ihre Schadenfreude bis nach der Sitzung.

Nach ihrer eigenen Angelobung durch den Landtagspräsidenten obliegt es der Landeshauptfrau, die übrigen Mitglieder der Landesregierung anzugeloben. Bei Udo Landbauer hat sie es eilig: Handschlag, Übergabe des Dekrets, Foto. Dabei berührt Mikl-Leitner leicht Landbauers Rücken. Man könnte es als zartes Schulterklopfen interpretieren, aber auch als sachtes Beiseiteschieben. Ist das bereits der Anfang vom Ende der Koalition? 

In ihrer Regierungserklärung verspricht Mikl-Leitner, wieder für Ruhe im Land zu sorgen. Dann reden Udo Landbauer und die Klubobleute der Landtagsparteien. Wenn es etwas Restfeierstimmung gibt, wird sie von der grünen Klubobfrau Helga Krismer gekillt: Mikl-Leitner bringe die "Ibiza-Koalition" nach Niederösterreich; die FPÖ sei eine „rechtsradikale Truppe“; und der SPÖ-Vorsitzende und neue Landesrat Sven Hergovich habe es bei den Verhandlungen mit der ÖVP „ordentlich vergeigt“. In der Landesregierung wird Hergovich die Geschäftsbereiche kommunale Verwaltung und Baurecht verantworten. Unwichtiger wäre nur noch die Zuständigkeit für Kreisverkehre.

Hört man den Rednern der Neokoalitionäre von ÖVP und FPÖ zu, erfährt man, wo sie ihren gemeinsamen Feind verorten: in der Bundeshauptstadt. Sie lasse sich nicht von „Wiener Plattformen“ diffamieren, sagt Mikl Leitner. Vielleicht meint sie die „Omas gegen Rechts“. Die Politik in Niederösterreich werde in St. Pölten gemacht und nicht „an Wiener Kaffeehaustischen“, sagt ÖVP-Klubobmann Jochen Danninger. Die Wünsche der niederösterreichischen Wähler seien maßgeblich, und nicht, was ein Chefredakteur in Wien schreibe, sagt FPÖ-Klubchef Reinhard Teufel. All das wirkt ein wenig geschichtsvergessen. Immerhin war Wien einmal Hauptstadt von Niederösterreich.

Erwin Pröll und der Bischof haben die Sitzung zu diesem Zeitpunkt schon verlassen.

Sie lesen Folge 7/Staffel III einer Serie von Gernot Bauer über die heimische Innenpolitik. Alle bisher erschienen Teile von “Bauer sucht Politik” können Sie hier nachlesen.

Gernot Bauer

Der profil-Redakteur ergründet seit 20 Jahren Wesen und Unwesen der österreichischen Innenpolitik. 

Alle bisher erschienen Folgen von "Bauer sucht Politik" können Sie hier nachlesen. 

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.