Raabs Leitkultur-Test: Wer durchfällt, verliert
Das Wort Lederhose ist kein einziges Mal gefallen. Und das, obwohl Tracht, Blasmusik und der Maibaum „unsere Art zu leben“ darstellen sollten. Zumindest wenn es nach den Vorstellungen der ÖVP aus dem Frühjahr dieses Jahres geht. Damals wurde jene Studie zur sogenannten Leitkultur angekündigt, deren erste Ergebnisse am Donnerstag im Bundeskanzleramt präsentiert wurden. Auch ohne Lederhose liefern sie einen Vorgeschmack darauf, welche Linie die ÖVP im Herbst in möglichen Koalitionsverhandlungen vertreten will.
Susanne Raab schwebt eine Reihe neuer Maßnahmen vor – darunter Staatsbürgerschaftskurse, längere Wertekurse inklusive Abschlussprüfungen und potenzielle Streichungen von Sozialhilfen.
Weniger Blasmusik, mehr Wahlkampf
Je konkreter die Ideen für die Leitkultur werden, desto strenger lässt Susanne Raab die Migrationslinie ihrer Partei durchklingen. In Raabs Maßnahmen spiegeln sich auch Formulierungen aus Nehammers Österreich-Plan wider: Mit der Leitkultur solle „sichergestellt werden, dass Symbole und Verhaltensweisen, die unseren Grundwerten entgegenstehen, rechtlich differenziert behandelt werden können“.
Für letzteres wären Änderungen im Integrationsgesetz notwendig – für die es einen gemeinsamen Beschluss mit dem Koalitionspartner bräuchte. Geht es nach der Integrationsministerin soll es beispielsweise vor dem Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft eine weitere Station geben: ein verpflichtender Staatsbürgerschaftskurs. Details dazu wollte die Ministerin auf profil-Nachfrage nicht nennen.
Auch bisher sind Integrationsmaßnahmen an Sozialleistungen gekoppelt. So werden etwa Sozialleistungen gekürzt, wenn Zugewanderte nicht an Werte- und Orientierungskursen teilnehmen. Nun plädiert Susanne Raab aber für mehr Schärfe. Von den Bundesländern, die für die Auszahlung der Gelder verantwortlich sind, „erwarte ich mir, dass sie das Integrationsgesetz hier umsetzen“, betonte die Ministerin. Ihr Büro würde „jeden Verstoß (wie etwa eine Nicht-Teilnahme, Anm.) melden“. Zudem soll eine verpflichtende Abschlussprüfung des Grundlagenkurses eingeführt werden. Wer durchfällt, dem würden weitere Sanktionen drohen.
Holprige Vorgeschichte
Wie hat sich aber die angestoßene Leitkultur-Debatte der Volkspartei vom Frühjahr bis heute inhaltlich verändert? Die ÖVP-Ideen zur Leitkultur hatten im März ja für einigen Wirbel gesorgt. Die ÖVP warb in einer begleitenden Kampagne nicht nur für „gleiche Rechte für Mann und Frau“ und „Meinungsfreiheit und Demokratie“. Unter den Sujets fand sich auch der Slogan „Tradition statt Multikulti“, der kurze Zeit später zurückgezogen wurde.
Weil in der Bewerbung des Projektes das Bild einer Blaskapelle verwendet wurde, hatte sich gar der Präsident des Österreichischen Blasmusikverbands Erich Riegler vom Begriff der Leitkultur distanziert. Der Soziologe Kenan Güngor hatte den Expertenrat nach der ersten Sitzung verlassen. Er befand, dass die Kampagne der Schwarzen mehr polarisiere, als zusammenführe.
Bei der aktuellen Präsentation der ersten Ergebnisse darauf angesprochen verteidigt Raab den Leitkultur-Begriff. „Ich glaube, er hat seine Berechtigung. Die Menschen, die zu uns kommen, sollen die Gegebenheiten kennen.“ Und dennoch ist heute weniger die Rede von Blasmusik und Multikulti. Auch wird betont, dass Menschen in ihrer neuen Heimat Österreich nicht an allen Traditionen und Bräuchen aktiv teilnehmen müssten – diese jedoch kennen sollten. Zur Wertevermittlung gehören außerdem der respektvolle Umgang mit der Polizei und die Trennung von Staat und Religion.
Vorzeige-Migrantin präsentiert
Die ehemalige Wertekurs-Teilnehmerin Hala Tlas war am Donnerstagvormittag eingeladen, ein Resümee über ihre Erfahrungen darin zu ziehen. In dem Kurs habe sie wichtige Informationen über die Rechte erfahren, die sie und ihre drei Kinder hierzulande haben. Die 31-Jährige erzählte am Donnerstag von ihrer gelungenen Integration. Sie engagiere sich ehrenamtlich, übe mit ihren Kindern täglich Deutsch, außerdem arbeite sie als Verkäuferin. Diesen Erfolg führt sie auf den Wertekurs des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) zurück, in dem sie lernte, wie sie in Österreich einen Job finden könne.
Eine Abschlussprüfung hat sie dafür nicht gebraucht.