Bundespräsidentenwahl hinterlässt gespaltenes Land

Ein Wahltag für die Geschichtsbücher. Im Rennen um die Hofburg war der Abstand zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer so klein, dass die Briefwahlstimmen entscheiden. Nur eines ist schon am Sonntagabend klar: Der nächste Präsident wird ein Mann sein, dem die Hälfte der Bürger nicht über den Weg traut. Keine leichte Ausgangslage für den neuen Kanzler.

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Es sind nur 0,2 Prozentpunkte, wenig mehr als ein Hauch von Wählerwille, aber sie machen den Unterschied aus zwischen höchstem Glück und ziemlich übler Laune: Kurz nach 17.30 Uhr kommt die zweite Hochrechnung zur Bundespräsidentenwahl. Alexander Van der Bellen liegt erstmals vorne, und zwar bei 50,1 Prozent. FPÖ-Konkurrent Norbert Hofer hat nur 49,9 Prozent. Im Wiener Palais Auersperg, bei der Wahlparty des Teams Van der Bellen, brandet Jubel auf, Menschen fallen einander in die Arme. „Geh schleich dich“, sagt im selben Moment FPÖ-Pressesprecher Karl-Heinz Grünsteidl in der Hofburg. Er meint niemand bestimmten. Man muss wohl von einer allgemeinen Unmutsäußerung sprechen.

„So etwas lässt einen nicht kalt”

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte wenige Minuten zuvor aufgekratzt und schwitzend den Raum betreten. Selbst für einen alten Polit-Haudegen wie ihn bietet dieser Wahlsonntag etwas zu viel Spannung: „So etwas lässt einen nicht kalt. Ich bin ja generell eher auf der nervösen Seite.“ Obwohl Van der Bellen bald darauf seinen Mini-Vorsprung in der Sora-Hochrechnung wieder verliert und beide Bewerber mit je 50 Prozent durch die Nacht gehen, bleiben die Grünen fröhlicher. Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou bejubelt das „fulminante“ Ergebnis in der Bundeshauptstadt, Alexander Van der Bellen erinnert zufrieden an den Wahlsonntag vor vier Wochen: „Die wenigsten haben geglaubt, dass das aufholbar ist.“

Das gab es noch nie

Die FPÖ war offenbar von klaren Verhältnissen ausgegangen und hatte zur Feier des Wahlsiegs Vertreter der Lega Nord und der AfD eingeladen. Als klar ist, dass eine allfällige Siegesfeier vertagt werden muss, verlegt man sich aufs Jammern: „Die gesamten politischen, medialen, kulturellen und ökonomischen Eliten haben gegen Hofer kampagnisiert. Hier wird ein Volk pädagogisch gegängelt“, meint der frühere EU-Abgeordnete der FPÖ, Andreas Mölzer. Das „Alpendorf“ im Wiener Prater, eigentlich vorgesehen für eine richtige Sause, ist am frühen Abend keine erstklassige Partyzone. Kaum jemand will tanzen, einige Tische sind leer. Und die John-Otti-Band singt, unfreiwillig zweideutig: „Ich fang nie mehr was an einem Sonntag an.“

Ein glattes 50:50-Patt am Wahlabend: Das gab es noch nie ...

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