"Die Politiker verdienen zu wenig"

TV-Legende Peter Rapp: "Die Politiker verdienen zu wenig"

Sommergespräch. TV-Legende Peter Rapp über sein Comeback, seinen Vater und Auftritte bei der FPÖ

Drucken

Schriftgröße

profil: Herr Rapp, wie würden Sie Ihren Beruf bezeichnen? Showmaster?
Peter Rapp: Nein!

profil: Alleinunterhalter?
Rapp: Nein!! Ein Alleinunterhalter ist einer, der auf einer Hochzeit mit Orgel, Mundharmonika und automatischem Schlagzeug spielt. Entertainer ist noch der beste Begriff dafür, was ich mache, weil ich ja im Grunde auf allen Ebenen unterwegs bin. Mein jüngster Auftritt war ein Open Air am Zentralfriedhof vor 2000 Leuten.

profil: Dann gab's da noch ein Dirndl-Springen in Oberlaa, die Welser Messe, einen Auftritt auf der Leopoldauer Alm. Und immer ein Witzchen parat. Ist das nicht anstrengend?
Rapp: Nein, für mich nicht. Schon deshalb nicht, weil ich vor der Kamera und vor dem Mikrofon keinen Moderator "spiele". Ich mach dort dasselbe wie hier beim Interview. Nur: Als Moderator bekomme ich Geld für's Reden. Sie haben nicht zufällig ein Honorar dabei?

profil: Leider nein. Alle erwarten sich, dass es wahnsinnig lustig wird, wenn der Rapp reinkommt. Wie macht man das, wenn es einem einmal schlecht geht?
Rapp: Zu zeigen, dass es mir schlecht geht, wäre unprofessionell. Ich verlasse mich darauf, dass mir etwas einfallen wird, wenn es so weit ist.

profil: Dass man Sie vor drei Jahren als "Licht ins Dunkel"-Moderator abgesetzt hat, scheint eine Art zweiten Karrieresprung bedingt zu haben. Wie das?
Rapp: Das war nicht die zweite, sondern schon die dritte, vierte oder fünfte Karriere. Man hat mir damals im März mitgeteilt, dass man auf meine weitere Mitarbeit am Heiligen Abend verzichtet. Ich hatte kein Interesse, einen Wirbel zu machen. Ich habe mir gedacht: Gescheiter dieser Abgang, als ich muss weichen, weil ich ohne Rollator nicht mehr ins Studio komme. Im September hat mich dann eine Journalistin von "TV-Media" darauf angesprochen. Ich habe gefragt: "Woher haben Sie das?" Sie sagte: "Aus Ihrem Buch." Ich hatte in der gleichen Zeit mein Buch "Mein Versuch, niemals aufzugeben" geschrieben und das Thema "Licht ins Dunkel" hineingenommen. Sie war wahrscheinlich die einzige Journalistin, die mein Buch gelesen hatte.

profil: Und dann gab's plötzlich Publikumsproteste.
Rapp: Ja, und das hat mich gerührt und überrascht. Ein wesentlicher Schub war die Einladung zu Grissemann und Stermann in "Willkommen Österreich". Bei der Gelegenheit haben mich viele junge Zuschauer für sich "entdeckt". Einer hat gemeint, ich sei eine "coole alte Sau". Das habe ich als "Ehrentitel" aufgefasst. Zu Silvester war ich in der Sendung beim "Kaiser" Palfrader. Dann hat man mir "Die große Chance" angeboten. Und so war ich wieder "im Geschäft".

profil: Hat der Beruf des Entertainers noch Zukunft? Die großen TV-Shows gehen ja nicht mehr so wie früher.
Rapp: Das hängt davon ab, wie breitgefächert man den Job sieht. Ich empfinde die "Brieflos-Show" für eine ebenso legitime Aufgabe wie eine große Samstagabend-Show. Der Unterschied ist: Früher gab es keine Privatkanäle und wir hatten bei "Hoppala" im ORF bis zu 3,6 Millionen Zuseher. Ich glaube, dass die Zeit der großen Samstagabend-Shows vorbei ist. Die Droge Fernsehen ist nicht mehr so wirksam, wie sie es einmal war. Die Leute gehen essen, das Kino ist wieder auferstanden, das Internet ist da.

profil: Deshalb veranstaltet die private Konkurrenz immer absurdere Sachen. Würden Sie im "Dschungelcamp" Käfer fressen?
Rapp: Nein. Ich bin von gestern. Obwohl: Die bieten ja ein Schweinegeld. Wer weiß, ob ich ab einer gewissen Summe nicht doch ein paar Mehlwürmer verdrückte. Etwas Protein könnte mir nicht schaden.

profil: Wer war in Ihren 51 ORF-Jahren Ihr Lieblingsgeneralintendant?
Rapp: Ich habe sie alle genossen. Beginnend mit Gerd Bacher, der viel für diesen Sender getan hat. Es gibt heute viele in leitenden Funktionen, die irgendwann einmal meine Aufnahmeleiter oder Studioassistenten gewesen sind. Die derzeitige Fernsehchefin Kathrin Zechner war zu Beginn des "Millionenrads" meine liebenswerte Redakteurin. Kathrin Zechner hat mich im Programm gehalten, als...

profil: ... Sie Ihren Privatkonkurs hatten.
Rapp: Na ja, fast.

profil: Darüber sprechen Sie nicht gern.
Rapp: Es ist 20 Jahre her und sicher nicht mein Lieblingsthema.

profil: Dass Sie in Ihrem Beruf lustig geworden sind, würde man bei Ihrer Biografie gar nicht annehmen. Zuerst bei den Sängerknaben, dann 15 Monate freiwillig beim Bundesheer
Rapp: Ich war schon in der Schule sehr lustig. Das hieß damals allerdings "vorlaut" und hat mir in "Betragen" ziemlich schlechte Noten eingebracht. Und zum Bundesheer bin ich gegangen, weil ich Panzerfahrer werden wollte.

profil: Warum will man unbedingt Panzerfahrer werden?
Rapp: Vielleicht, weil ich ungern zu Fuß gehe. Mir haben diese Riesendinger bei den Paraden am Ring imponiert, und ich habe ja nie damit gerechnet, dass Österreich in einen Krieg verwickelt wird. Ich hab dann so ziemlich für jede Panzertype den Führerschein gemacht.

profil: In einem "Falter"-Interview haben Sie darüber gesprochen, dass Ihr Vater früher ein illegaler Nazi und später ein Sozialdemokrat war.
Rapp: Da bin ich erst viel, viel später dahintergekommen. Mich hat interessiert, wieso er während der NS-Zeit der jüngste Amtsleiter war, nämlich im Arbeitsamt in der Singerstraße. Mir wurde erzählt, dazu kam es, weil er sich schon vor 1938 in die NSDAP hat einschreiben lassen. Und ich hab mich auch immer gewundert, warum einfache Menschen wie wir in der Rotenturmstraße wohnten, gleich ums Eck vom Stephansplatz. Ich fürchte, meine Eltern haben sich da einfach hineingesetzt.

profil: War das eine arisierte Wohnung?
Rapp: Keine Ahnung. Ich bin 1944 geboren. Aber nach dem Krieg sind etliche vertriebene Österreicher jüdischen Glaubens zurückgekommen und haben ihre Wohnungen im Haus wieder beansprucht.

profil: Ihre Familie durfte bleiben?
Rapp: Ja. Ich fürchte, die Familie, die da vorher gewohnt hat, erlitt ein schlimmes Schicksal.

profil: Haben Sie mit Ihrem Vater einmal darüber geredet?
Rapp: Nein. Nach dem Krieg war er zunächst sieben Jahre arbeitslos. Er musste, vermute ich, erst entnazifiziert werden. Damit er wieder ins Geschäft kam, hat er sich ein Parteibuch der SPÖ besorgt und kassierte Mitgliedsbeiträge. Später bekam er dann wieder eine Anstellung als Beamter im Parteienverkehr in einem Arbeitsamt.

profil: Waren Sie bei der Sozialistischen Jugend?
Rapp: Nein. Ich war bei der Katholischen Jungschar und Ministrant in St. Stephan. Dann habe ich erfahren, dass die "Roten Falken" schöne Völkerballturniere machen und bin auch dorthin. Und die Kommunisten haben kostenlose Kinovorstellungen angeboten. Die habe ich auch besucht.

profil: Wo waren Sie am liebsten?
Rapp: Bei der Katholischen Jungschar. Da gab es Zeltlager, Ausflüge und Ping-Pong-Turniere.

profil: 1968 waren Sie 24. War Ihnen die damalige Protestbewegung wichtig?
Rapp: Auf meine Art, ja. Ich war kein Student, aber meine Musik, der Rock 'n'Roll, den ich mit meiner Band gesungen habe, und auch das Freiheitsdenken - das hat schon dazu gepasst. Auch ich hatte das Gefühl, dass hier eine Generation gegen die Altvorderen revoltiert: Die wollten alles verbieten, wir wollten alles haben. Diesem Verlangen habe ich mich zugehörig gefühlt.

profil: Waren Sie einmal bei einer Demo gegen den Vietnam-Krieg?
Rapp: Nein.

profil: Würden Sie sich als politischen Menschen bezeichnen?
Rapp: Nichts ist unpolitisch. So gesehen bin ich ein politischer Mensch. Ich bin auch einer der wenigen, die die Meinung vertreten, dass unsere Politiker zu wenig Geld verdienen. Die sollten so bezahlt werden, dass kluge Köpfe der Universität Interesse daran haben, in die Politik zu gehen und nicht gleich in die Wirtschaft. Typen wie Minister Kurz, den ich als intelligenten Menschen mit Visionen ansehe, sollte es mehr geben.

profil: Und zu welcher Partei tendieren Sie?
Rapp: Mir geht es um Personen und nicht um Parteien. In Wien gehören meine Sympathien der SPÖ, weil ich den Kinderfreunden mit ihren Freibädern und Sommerlagern viel verdanke. In Niederösterreich stehe ich zu meiner Freundschaft mit Erwin Pröll. Deshalb gefällt es mir, dass Häupl und Pröll, so wie ich das wahrgenommen habe, gut miteinander auskommen. Ich stamme aus einer Zeit, in der sich der Wirtschaftskammerpräsident Sallinger und der ÖGB-Präsident Benya beim Schnapsen ausgemacht haben, wie es weitergehen soll. Das halte ich für die optimale österreichische Politik: den freundschaftlichen Dialog.

profil: Sie treten als Moderator bei Veranstaltungen verschiedener Parteien auf. Kleine Auswahl: SPÖ und ÖVP Oberösterreich, SPÖ Salzburg, ÖVP Niederösterreich, ÖVP Niederösterreich, SPÖ Wien, ÖVP Steiermark...
Rapp: Ein Installateur fragt seine Kunden ja auch nicht, ob sie ein rotes oder schwarzes Parteibuch haben. Der macht nur seine Arbeit.

profil: Bei der FPÖ sind Sie nie aufgetreten?
Rapp: Ein Mal irrtümlich im Parkhotel Schönbrunn.

profil: Irrtümlich? Wie geht das?
Rapp: Da wurde ich engagiert, um eine Podiumsdiskussion zu leiten. War recht informativ. Mir wurde erst auf der Bühne klar, dass es eine parteipolitische Veranstaltung war. Auf die Art habe ich auch ein Mal irrtümlich ein Puff eröffnet. Als Moderator!

profil: Glauben Sie, dass die heutigen Politiker schlechter sind als jene früherer Generationen?
Rapp: Ich glaube, dass ihre Aufgabe wesentlich schwieriger geworden ist. Nehmen Sie nur einen sogenannten Shitstorm. Ein User kann sich 20 Accounts unter verschiedenen Namen zulegen. Auf diesen 20 Accounts gibt er sich dann "gegenseitig" Recht, diskutiert sogar mit sich selber. Die gefräßigen BoulevardPrintmedien schreiben aus dem Internet ab. Und schon hat man einen Shitstorm, den unterm Strich vier oder fünf User verursacht haben. So geht man heute auch mit Politikern um.

profil: Ihr Aufstieg begann in den 1970er-Jahren, der große Politiker dieser Zeit war Bruno Kreisky. Haben Sie ihn einmal getroffen?
Rapp: Ja, das ist mir heute noch peinlich. Ich bat ihn um ein Interview für Radio NÖ zum Thema "Frühling" und wundere mich immer noch, dass ich damit zum Kanzler gehen konnte. Aber Kreisky behandelte mich unheimlich liebenswürdig und erklärte ausführlich, was für ihn Frühling bedeutet. Für mich war er einer der wirklich weisen Männer.

profil: Vor knapp zehn Monaten hatten Sie einen Herzinfarkt, der wohl auf zu viele Zigaretten und einen unsteten Lebensstil zurückzuführen war.
Rapp: Das sind die Ideen, auf die der Küchenmediziner kommt.

profil: Was sagt Dr. med. Peter Rapp?
Rapp: Dr. med. Google. Die Ursachen für einen Herzinfarkt sind sehr vielfältig. Da gibt es Blutfette, Bauchfett und vieles mehr. Dass Rauchen nicht vernünftig ist, muss man einem Raucher nicht erklären. Aber ich dachte mir, warum sollte ich irgendetwas ändern? Wenn es ein Zeichen Gottes war, wird er schon nachlegen.

profil: Sie traten zehn Tage später schon wieder bei einem Promi-Pokerturnier in Pasching auf - nicht unbedingt der klassische Rehab-Ort.
Rapp: Statt vier Wochen lang in ein "Camp" zu fahren, entschied ich mich für eine ambulante Rehab in der PVA. Mit nur einem Stent war ich dort "Unterklasse". Da waren bedauernswerte Patienten mit Aortariss, Bypässen und eingebauten Defibris.

profil: Sie haben einen spielerischen Umgang mit der Vergänglichkeit. Vor zwei Wochen haben Sie gemeinsam mit Dieter Chmelar am Zentralfriedhof die Veranstaltung "Klassiker der Trauermusik" moderiert. War's lustig?
Rapp: Ja, war es. Das musikalische Programm wurde vom Verein der Friedhofssänger gestaltet. Der Mensch sollte vor dem Sterben keine Angst haben. Beim Geborenwerden fragt einen ja auch keiner, ob man Angst hat. Das Einzige, wovor ich mich fürchte, ist, ein Pflegefall zu werden. Ich hoffe, dass mir das erspart bleibt.

profil: Wenn es einmal so weit ist: Kommen Sie in den Himmel, in die Hölle oder ins Fegefeuer?
Rapp: Ich war zwei Minuten lang herztot. Man fragt mich immer wieder, ob ich das berühmte weiße Licht gesehen habe. Nein, sage ich, ich sah eine gewaltige Muschi und wollte hineinkriechen, weil sich damit mein Lebenskreis geschlossen hätte. Da kam ich raus, da gehöre ich wieder hinein. Mein Freund Viktor Gernot hat darauf gesagt: "Also kommst in den Himmel, sonst hättest ein riesiges Arschloch gesehen."

Zur Person
Peter Rapp, 70. Er begann seine Karriere als Reporter beim "Express". 1963 trat Peter Rapp erstmals im Fernsehen auf - bei Willy Kraliks "Teenagerparty". Seither hat ihn das Medium nicht mehr losgelassen. Derzeit ist er Juror bei der "Großen Chance" und Moderator des "Millionenrads".

Foto: Walter Wobrazek

+++ Sommergespräch I. Cornelius Obonya: „Das Kreuz hat im Klassenzimmer nichts verloren“ +++