Über die Unabhängigkeit des profil: Was wir tun und lassen können

Das Ende ihrer profil-Kolumne machte Barbara Blaha in der vergangenen Woche zur Grundsatzfrage: Wie unabhängig ist das profil von seinen Eigentümern? Das lässt sich beantworten.

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Barbara Blaha, Gründerin und Chefin des Momentum Instituts – eines ökosozialen Thinktanks mit Sitz in Wien –, veröffentlichte auf ihrer eigenen Plattform Moment.at und auf den daran hängenden Social-Media-Kanälen einen Kommentar, in dem sie die Absetzung ihrer monatlichen Kolumne im profil thematisierte.

Dieser Kommentar hat – vor allem in den sozialen Medien – einiges Aufsehen erzeugt. Insbesondere die von Blaha infrage gestellte Unabhängigkeit des profil stand dabei zur Debatte. Die Tatsache, dass die Kolumne einer dezidiert linken Publizistin endete, wurde in dieser Interpretation zur Grundsatzfrage: Welche politische Ausrichtung hat das profil, welche Agenda steckte hinter dieser Personalie, kurz: Wer hat hier das Sagen?

Wir haben uns dazu entschlossen, an Blahas Stelle eine neue (und übrigens ebenso dezidiert linke) Stimme zu engagieren. Wir halten das nicht für einen Skandal, sondern für eine ganz normale redaktionelle Entscheidung.

Auf eine etwas verkorkste Art eignet sich dieser Fall tatsächlich für eine grundlegende Betrachtung. Denn die – wie wir gleich ausführen werden – stark verkürzte und leider in wesentlichen Teilen auch verdrehte Darstellung Blahas fiel in den sozialen Medien auf fruchtbaren Boden. Und erwies mit der Behauptung, profil sei von seinen Eigentümern inhaltlich steuerbar, dem unabhängigen Journalismus in Österreich insgesamt einen echten Bärendienst.

Zum Hintergrund: In ihrer Reaktion auf die Kündigung ihrer profil-Kolumne stellte Blaha einen ursächlichen Zusammenhang mit einem wenige Tage zuvor in profil veröffentlichten Text her, in dem sie für die Einführung von Vermögenssteuern argumentiert hatte. Blaha schreibt: „Die fristlose Absetzung meiner Kolumne im profil erfolgte still, sachlich, per E-Mail. Man wolle künftig Kolumnist:innen, die ‚einigermaßen exklusiv‘ für das Haus schreiben. Ich sei, so hieß es mit höflicher Umschreibung, ‚sehr allgegenwärtig‘ – was wunderbar für mich sei, aber eben schwierig fürs Alleinstellungsmerkmal. Es war ein Schlussstrich, gezogen mit ruhiger Hand. Dass bereits Kolumnen bis zum Sommer vereinbart waren? Geschenkt. Nur wenige Tage zuvor hatte ich im profil geschrieben, ‚wie lange wir uns die Reichen noch leisten wollen‘. Danach wollte man sich mich offenbar nicht mehr leisten.“

Diese Kausalität lässt sich auch mit viel gutem Willen nicht erhärten.

Tatsächlich stellt die Chefredaktion des profil gerade ihre Kolumnen in Teilen neu auf – übrigens keineswegs „fristlos“, sondern mit angemessenem Vorlauf, und freilich wurde auch mit Blaha persönlich gesprochen. Barbara Blahas Kolumne, die in den vergangenen Monaten immer wieder in abgewandelter Form auch als Gastkommentar im „Kurier“ und der „Kleinen Zeitung“ publiziert wurde (sowie auf der Website des Momentum Instituts), erschien uns tatsächlich nicht mehr „exklusiv“ genug. Das inhaltliche Problem, das Blaha unterstellt, hatten wir nicht. Im Gegenteil: Sie wurde ja genau mit diesem thematischen Hintergrund – als linke Stimme, die insbesondere für ökonomische Verteilungsgerechtigkeit argumentiert – überhaupt erst zur profil-Kolumnistin.

Die Erzählung, dass Medien ganz prinzipiell von ihren ökonomischen Strukturen geprägt seien, missversteht grundsätzlich, wie seriöser Journalismus funktioniert – und erinnert unangenehm an die „Systemmedien“-Verschwörungsmythen rechter Influencer. Die Redaktion des profil entscheidet unabhängig von ihren Eigentümern und alleinverantwortlich darüber, was sie für berichtenswert hält. 

Seit dem Frühjahr 2020 schrieb Barbara Blaha zunächst eine Reihe von Gastkommentaren für das profil, ab Juni 2022 diskutierte sie regelmäßig mit Lukas Sustala vom Neos Lab in unserer Debatten-Serie „Streiten wir!“. Wir wussten also schon seit Längerem ziemlich genau, wie ihre Positionen zu Verteilungsfragen aussehen – sie hat sie in dem besagten Text nicht zum ersten Mal im profil publiziert. In vollem Bewusstsein ihrer Haltung zu Reichensteuern oder Bankenabgabe boten wir Blaha Anfang April 2023 (ein Monat nach Thalhammers Antritt als Chefredakteurin) eine fixe, monatliche Kolumne an – abwechselnd mit Elfriede Hammerl, Franz Schellhorn und Wolf Lotter. Dieses „Radl“ wird gerade neu erfunden.

Wir haben uns dazu entschlossen, an Blahas Stelle eine neue (und übrigens ebenso dezidiert linke) Stimme zu engagieren. Wir halten das nicht für einen Skandal, sondern für eine ganz normale redaktionelle Entscheidung.

Blaha schreibt nun aber, „das Problem“ sei „strukturell: Wer Kontrolle über Medien hat – direkt oder über Umwege –, kontrolliert, welche Stimmen bleiben – oder wiederkommen – dürfen. Und welche nicht. Wer den Eigentümern nützt, wird eingeladen. Wer sie stört, wird verabschiedet.“

Dieser Vorwurf erscheint uns nun wirklich problematisch. Die Erzählung, dass Medien ganz prinzipiell von ihren ökonomischen Strukturen geprägt seien, missversteht grundsätzlich, wie seriöser Journalismus funktioniert – und erinnert unangenehm an die „Systemmedien“-Verschwörungsmythen rechter Influencer. Die Redaktion des profil entscheidet – so wie auch die anderen Qualitätsmedien des Landes – unabhängig von ihren Eigentümern und alleinverantwortlich darüber, was sie für berichtenswert hält. Diese Unabhängigkeit ist übrigens in unserem Redaktionsstatut verbrieft und wird von unseren Eigentümern garantiert.

Entscheidend ist nicht, welche Parteifarbe ein Skandal hat – sondern welche Substanz die Vorwürfe haben. Wir haben über den blauen Spesenskandal berichtet, über die rote Silberstein-Affäre, über das türkis-schwarze Beinschab-Tool, über grüne Überförderungen und über pinke Freunderlwirtschaft. 

Niemand schreibt uns vor, was wir zu schreiben haben. Und die Redaktion nimmt ihrerseits auch keinen Einfluss auf die Beiträge unserer Kolumnistinnen und Kolumnisten.

Der Versuch, profil politisch in ein Eck zu stellen, ist so alt wie das Magazin selbst. Schon in der Erstausgabe von 1970 erklärte Gründer und Herausgeber Oscar Bronner die Äquidistanz zur Maxime der Berichterstattung: „profil ist also unabhängig, überparteilich und wie diese in Österreich so inflationär verwendeten Schlagworte sonst noch lauten, nicht aber neutralistisch. Ohne präjudizieren zu wollen, wage ich vorauszusagen, daß wir in nächster Zeit zum Beispiel die SPÖ kritischer untersuchen werden als die ÖVP. Und zwar nicht, weil wir der ÖVP positiver gegenüberstehen, sondern weil sich jeweils die Partei, die die Regierungsverantwortung trägt, automatisch stärker der Kritik aussetzt.“

profil blieb dieser Linie bis heute treu. Entscheidend ist nicht, welche Parteifarbe ein Skandal hat – sondern welche Substanz die Vorwürfe haben. Wir haben über den blauen Spesenskandal berichtet, über die rote Silberstein-Affäre, über das türkis-schwarze Beinschab-Tool, über grüne Überförderungen und über pinke Freunderlwirtschaft. Wir leuchten dorthin, wo der Verdacht auf Machtmissbrauch besteht, weil das Licht der Öffentlichkeit dafür sorgen kann, dass Missstände abgedreht werden.

Blaha schreibt: „profil gehört – so nüchtern muss man es sagen, zu 100 % dem KURIER, der wiederum mehrheitlich im Besitz des Raiffeisen-Konzerns ist. In diesem Kontext wird deutlich, warum ich gehen musste. Ich habe zu den Themen geschrieben, die im Eigentümerumfeld ungern gesehen sind.“

Was man an dieser Stelle vielleicht noch einmal betonen muss: Blaha schrieb alle diese Texte über die Jahre hinweg ohne jede Einflussnahme unsererseits. profil gehört auch nicht dem Kurier, sondern dem Kurier-Medienhaus, ist somit keine Submarke, sondern eigenständig.

Die professionelle Distanz zum Eigentümer prägt auch die redaktionelle Berichterstattung des profil. Wir schrieben in der Vergangenheit immer wieder über Unternehmen des Raiffeisen-Konzerns, und wir werden das auch weiterhin tun.

Weil wir Jubelberichterstattung nicht für unsere Aufgabe halten, dafür aber die Aufdeckung von Missständen, waren diese Berichte für die darin vorkommenden Personen und Unternehmen meistens nicht sehr erfreulich. Der Griff ins Archiv fördert eine klare Linie zutage. Allein in der jüngsten Vergangenheit haben wir über Raiffeisen-Geschäfte in Russland, ungewöhnliche Entscheidungen im Zusammenhang mit René Benkos Signa oder dubiose Offshore-Konstrukte der Raiffeisen Bank International berichtet. Bisweilen vernehmen wir in solchen Fällen auch den Unmut des Raiffeisen-Managements. Dieser wird in der Regel in der Chefredaktion deponiert, die der Redaktion dann zu ebendiesen Geschichten gratuliert.

profil-Gründer Bronner schrieb bereits 1970, dass einige „Kammern und Verbände zur Ansicht gelangen, daß ihre Meinungen der Öffentlichkeit nicht prononciert genug kundgetan werden, also gründen sie eine Zeitschrift und versorgen sie mit Subventionen.“ Ähnliches könnte man im Jahr 2025 über das Momentum Institut schreiben. Es ist vollkommen legitim, wenn Arbeiterkammer und ÖGB dieses Projekt ermöglichen. Mit Unabhängigkeit hat das aber nur wenig zu tun.

Trotzdem heißt es auf der Website des Mediums: „Moment.at ist (…) unabhängig von politischen Parteien, Konzernen, Banken und dem Einfluss von Institutionen und Großspender:innen.“ Im Jahr 2024 kamen mehr als zwei Drittel der „Moment“-Spenden von einer ÖGB-Stiftung und der Bundesarbeiterkammer. Weitere zwölf Prozent steuerte Großspenderin Marlene Engelhorn bei. Der Rest stammt von Klein- und Großspendern, darunter etwa die Linz AG und deren Betriebsrat. Anders formuliert: Ohne Gewerkschaft und Kammer gäbe es „Moment“ in dieser Form nicht. Das ist das Gegenteil von Unabhängigkeit.

In profil werden Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch in Zukunft Kommentare lesen können, die für Vermögenssteuern plädieren – und auch solche, die dagegen argumentieren. Das ist Unabhängigkeit.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur. Ist seit 2020 Textchef und seit 2025 stellvertretender Chefredakteur dieses Magazins.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef und seit 2025 Mitglied der Chefredaktion bei profil. Gründete und leitet den Faktencheck faktiv.