Ulla Kramar-Schmid

Ulla Kramar-Schmid Die Meischi­-Falle

Leitartikel. Die Meischi­-Falle

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Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass Marsmännchen vom Himmel purzeln, für den noch unwahrscheinlicheren Fall, dass diese das Selbstverständnis der PR-Branche unter Schwarzblau interessierte - es genügten vier Worte, um diese Generation zu charakterisieren: "Wo woar mei Leistung?"

Millionen von Euros waren im vergangenen Jahrzehnt auf Basis schwindeliger Verträge und luftiger Studien gezahlt worden, um windige Geschäfte mittels ebenso windiger Lobbyisten zu unterfüttern. Walter Meischberger war einer von ihnen. 700.000 Euro kassierte er rund um den Verkauf einer Immobilie in der Wiener Nordbergstraße. Und doch musste er Geschäftspartner Ernst Karl Plech fragen: "Wo woar mei Leistung?"
Die Auszüge aus dem Protokoll einer Telefonüberwachung waren ein Gassenhauer, von der breiten Öffentlichkeit in Folge taxfrei als Geständnis interpretiert.

Nun hat es sich ausgelacht. Die Ermittlungen rund um diesen Immobiliendeal, das vermeldete der "Standard" vergangene Woche, wurden eingestellt. Jetzt riecht es streng. Das Odeur ist einmal mehr politisch verursacht. Den Schlendrian bei der Umsetzung angekündigter "Meilensteine" wie der Abschaffung des Weisungsrechts sowie das mangelnde Fingerspitzengefühl an der Spitze des Justizressorts fällt "der Justiz" – diffus und allgemein – auf den Kopf. Kollateralschaden nennt sich das gemeinhin. Der ist politisch verursacht.

Festzuhalten ist: Auch für Walter Meischberger, Strizzi von Ruf, gilt alles, was Recht ist. Die Ermittler konnten im Fall Nordbergstraße den Vorwurf des Betrugs nicht erhärten, Zeugen waren und sind nicht vernehmungsfähig. Das sind die Fakten – unabhängig vom Ansehen und Nachrede einer Person. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) empfahl daher im Juni die Einstellung des Verfahrens. (Um es gleich vorwegzunehmen: Der unabhängige Rechtschutzbeauftragte hat die Fakten zwischenzeitlich geprüft und die Vorgangsweise der WKStA bekräftigt.)

Im Justizministerium wurde dem Antrag der Korruptionsermittler stattgegeben. Der Minister griff also nicht ein, Das ist ausdrücklich festzuhalten. Es ist aber ebenso festzuhalten: Er griff hin.
Das war ein politischer Fehler.

Wolfgang Brandstetter, Strafverteidiger a. D., Justizminister i. D., muss an seinen eigenen Ansprüchen gemessen werden. Diese legte er zu Amtsantritt fest: Er werde das Weisungsrecht des Ministers, das für "Fälle von öffentlichem Interesse" gilt, abschaffen; er setzte einen "Weisenrat" ein, um Kollisionen mit Causen und Klienten aus seinem früheren Brotberuf zu vermeiden.

Über 20 Vorhabensberichte landeten im ersten Halbjahr bei den "Weisen" des Ministeriums. Die Causa Nordbergstraße aber? War nicht darunter. Mangels Befangenheit, wie es heißt: Brandstetter hatte weder Meischberger noch den Immobilienfachmann Plech rechtsfreundlich vertreten.

Das ist formal richtig. Aber leider. In der Politik gelten strengere Maßstäbe, zumal in der Justizpolitik.

Brandstetter war Anwalt des ehemaligen Immofinanz-Vorstandes Karl Petrikovics, der in der Causa rund um den Verkauf der Buwog-Wohnungen ebenso eine Anklage gewärtigt wie Karl-Heinz Grasser, Plech und eben auch Meischberger. Der Anwalt von Meischberger hatte zwangsläufig Kontakt mit Brandstetter, man tauschte sich aus, heckte Strategien aus. So steht es in Protokollen, die dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorlagen. Brandstetter, der ebenso gewiefte wie erfolgreiche Strafverteidiger, hatte sich voll hineingekniet. Mit Recht.

Und genau deshalb hätte Brandstetter, der Minister, den Akt Nordbergstraße gar nicht erst angreifen dürfen. Er hätte ihn umstandslos an den Weisenrat durchwinken müssen, um gar nicht erst in den Geruch der Einmischung zu kommen.

So viel Fingerspitzengefühl muss von einem Minister erwartet werden. Vor allem dann, wenn ein zentrales Vorhaben, das er zu Amtsantritt ankündigte, noch immer nicht umgesetzt ist. Um die versprochene Abschaffung des Weisungsrechtes ist es sehr sehr ruhig geworden. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Soll es - die Maximalvariante - ein Bundesstaatsanwalt sein, der nur dem Parlament verpflichtet ist? Reicht ein Oberstaatsanwalt, der nur noch generellen Weisungen des Ministers unterliegt (etwa politische Vorgaben von Schwerpunkten in der Strafverfolgung)? Oder, die Minimalvariante, soll der provisorische Weisenrat institutionalisiert werden? Diese Fragen beantworten sich nicht von selbst. Hier muss Tempo gemacht und politisch verhandelt werden; es müssen Kompromisse ausgelotet, Mehrheiten gesucht - kurz: die Mühen der Ebenen beschritten werden. Wenn es denn ein wirkliches Anliegen ist.
Brandstetter hat bei Amtsantritt erkannt, dass das Weisungsrecht, in allen Facetten, seinen Vorgängern - und auch der Republik im internationalen Korruptionsrankings - ein ewiges Ärgernis war. Er wollte nicht in diese Falle tappen, und ist nun doch, über Umwege, gestolpert.

Die Bilanz des amtierenden Justizministers wird sich daran messen, ob er sein ambitioniertes Vorhaben umsetzt.

Noch glauben wir daran.

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