Eurovision Song Contest 2025: Gläsernes Mikrofon steht auf der Bühne

Warum Oberwart für den ESC nicht infrage kommt

2026 findet der Song Contest in Österreich statt. Kleine Gemeinden wittern ihre große Chance auf globale Aufmerksamkeit. Großstädte kämpfen mit logistischen und finanziellen Herausforderungen.

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Waren Sie schon einmal in der Stadtgemeinde Oberwart? Rund 8000 Menschen leben in der südburgenländischen Ortschaft – neben einer Handvoll Pfarrkirchen gibt es ein Dieselkino. Für Adrenalinbegeisterte bewirbt die Kleinstadt ein Freibad samt Wasserrutsche.

Der Name der drittgrößten Stadt des Burgenlands ist derzeit in aller Munde, denn Oberwart will den 70. Eurovision Song Contest austragen. Die Pläne des Bürgermeisters sind ambitioniert. Er bringt seine Gemeinde damit gegen Wien, Graz und Innsbruck in Stellung, die ebenfalls an der Austragung interessiert sind. „In Irland wurde der Song Contest in einer 1000-Einwohner-Gemeinde ausgetragen. Wir haben eine Location. Wir hatten den Silvesterstadl. Wir haben Erfahrung“, erklärte Bürgermeister Georg Rosner gegenüber einer burgenländischen Bezirkszeitung.

Aus Marketingsicht ist die Ankündigung Oberwarts als ESC-Austragungsort ein cleverer Schachzug – auch wenn die realen Chancen auf den Zuschlag gering sind. Die formalen Hürden sind für das Megaevent enorm: Die Europäische Rundfunkunion (EBU) stellt hohe Anforderungen an den Austragungsort. Allein die Eventhalle muss Platz für 10.000 Besucher bieten, klimatisiert und Bühnen-technisch auf dem neuesten Stand sein. Die St. Jakobshalle in Basel kämpfte zuletzt mit der Decke, die mehrere Tonnen Bühnentechnik tragen musste. Teure Adaptionen mussten die Schweizer dabei vornehmen. Outdoor-Arenen wie das Ernst-Happel-Stadion in Wien sind hingegen für die EBU grundsätzlich ausgeschlossen.

Hinzu kommt die notwendige Infrastruktur: Internationale Flughäfen, Bahnhöfe und ein gut ausgebautes Verkehrsnetz sind Pflicht. Auch genügend Hotelkapazitäten für Produktionsteams, Delegationen und internationale Presse müssen vorhanden sein. In Oberwart verweist man auf die umliegenden Pensionen in Bad Tatzmannsdorf.

Für die Austragungsorte geht es um viel Geld. 2015 hat der Song Contest in Wien gezeigt, welches wirtschaftliche Potenzial in einer solchen Großveranstaltung steckt. „Über 100.000 Gäste, internationale Berichterstattung und ein Werbewert in dreistelliger Millionenhöhe“, meint Staatssekretärin Elisabeth Zehetner (ÖVP). Das Institut für Höhere Studien bezifferte die Bruttowertschöpfung des ESC 2015 in Wien auf 38,1 Millionen Euro, davon rund 27,8 Millionen allein für die Bundeshauptstadt. Doch die Gastgeberstädte müssen auch mit erheblichen Kosten für die Ausrichtung rechnen. Für die Stadt Wien kostete der Song Contest 2015 rund 17 Millionen Euro, allein die Bereitstellung der Stadthalle belief sich auf neun Millionen Euro. 

Auch wenn Oberwarts Ambitionen ernst gemeint sind, dürfte die Erfahrung mit Großveranstaltungen – von Maturabällen bis hin zu Messeausstellungen – nicht ausreichen, um den Eurovision Song Contest zu stemmen. Tatsächlich kommen nur eine Handvoll Städte in Österreich infrage.

Wer wirklich Chancen hat

In Österreich gibt es nur drei Indoor-Eventhallen, die den EBU-Kriterien entsprechen: die Olympiahalle in Innsbruck (12.000 Personen), die Grazer Stadthalle (11.000 Personen) und die Wiener Stadthalle (16.000 Personen). Wien plant zwar eine neue Mega-Venue für 20.000 Besucher in Neu Marx – das Projekt ist allerdings politisch umstritten, doch könnte der ESC einen neuen Schub für die Befürworter bringen. Allerdings: die neue Halle ist für 2030 geplant.

Für Wien bleibt damit die Stadthalle die einzige Option – die Stadt müsste jedoch bereits gebuchte Veranstaltungen verschieben oder absagen. Dennoch spricht viel für die Hauptstadt: Wien hat Erfahrung mit Großveranstaltungen, die nötige Infrastruktur und ausreichend Personal. 2015 waren rund 900 Volunteers im Einsatz, um den reibungslosen Ablauf des ESC zu gewährleisten.

Auch für den ORF als Broadcaster wäre Wien als Standort logistisch und finanziell attraktiver: Technik und Personal sind bereits in Wien und ein Pressezentrum für 1500 internationale Journalisten lässt sich effizienter in der Hauptstadt einrichten. Der letzte ESC schlug sich beim öffentlich-rechtlichen Sender mit 15 Millionen Euro zu buche.

Innsbruck und Graz in der Warteschleife

Überraschend hat sich Innsbruck ins Gespräch gebracht. „Ich habe bereits den Auftrag gegeben, alle Unterlagen vorzubereiten. Es gab Gespräche mit dem Tourismusverband, auch in Richtung ORF führen wir Gespräche“, erklärt Bürgermeister Johannes Anzengruber (Liste Jetzt Innsbruck). Die Olympiahalle sei als Austragungsort prädestiniert, Tourismusinfrastruktur vorhanden. Innsbruck ist zudem per Flugzeug und Bahn bestens erreichbar. Die Innsbrucker Bergkulisse wäre ein Alleinstellungsmerkmal. Ob der Sicherheitsapparat der Stadt dieses Großereignis stemmen kann, bleibt offen.

Auch Graz könnte sich noch bewerben. Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) zeigte sich zurückhaltend: „Das Vorhaben ist nur dann umsetzbar, wenn es von allen mitgetragen wird und die Kosten für die Stadt zu bewältigen sind.“ Der freiheitliche Landeshauptmann Mario Kunasek liebäugelt derweilen, den ESC in die Steiermark zu holen.

Sein Parteikollege in Oberösterreich, der Welser Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ), bringt sich ebenfalls in Stellung. Er sieht im Song Contest die Möglichkeit, die neue Messehalle, die im März 2026 fertig sein soll, einer breiten (Welt-)Öffentlichkeit zu präsentieren. Doch der Haken: Wels verfügt laut Eigenangaben lediglich über 1000 Gästebetten. Zwar mag die neue Messehalle ESC-tauglich sein, doch ist der Song Contest weitaus mehr als ein abendliches TV-Konzert. Dem gleichen Problem stellt sich die niederösterreichische Landeshauptstadt St. Pölten, die ihr VAZ (bekannt durch das Frequency Festival) bewirbt. Solange die ESC-Fans nicht campen möchten, bleibt auch dort die Unterbringung der Gäste ein Problem. 

Klagenfurt und Salzburg haben hingegen bereits abgesagt – die Investitionen seien zu groß und es sei fraglich, wie viele Hotelkapazitäten während der Hauptsaison noch frei gemacht werden könnten. 

In Oberwart ist man sich bewusst, dass man nicht mit Wien oder Graz mithalten kann. Bürgermeister Rosner betont jedoch die „eigenen Qualitäten“ seiner Stadtgemeinde. Zum Gesprächsthema wurde Rosner damit, für mehr wird es nicht reichen.

Kevin Yang

Kevin Yang

seit November 2024 im profil-Digitalressort und Teil des faktiv-Teams. Zuvor bei der Wiener Zeitung und ORF.