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Wie Facebook seine User ködert

Plattformen wie Facebook nutzen ein verhaltensökonomisches Modell, um User an sich zu binden.

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Guten Morgen!

Ein Artikel im aktuellen profil ist mir als gelernte Ökonomin besonders aufgefallen. Darin wird erklärt, dass zu viele E-Mails „den Menschen in den Wahnsinn” treibt. Zurückgeführt wird das auf den folgenden Trieb:

Tatsächlich hat der Mensch als soziales Tier einen neuronal tief verwurzelten und leider nicht rational wegzudenkenden Drang, auf soziale Interaktionen reagieren zu müssen.

Wussten Sie, dass Firmen dieses Wissen nutzen, um Sie an ihre Produkte zu binden? Einer der bekanntesten Vertreter dieser verhaltensökonomischen Disziplin ist Nir Eyal mit seinem Hook Modell. Darin erklärt er, wie man Millionen von Usern dazu bringt, ein Produkt regelmäßig zu nutzen. Ohne dass es Ihnen bewusst ist, wird das vierstufige Modell tagtäglich bei Ihnen angewendet.

Facebook etwa hat dieses Prinzip so weit perfektioniert, dass Sie sich jedesmal, wenn Ihnen langweilig ist, Sie einsam oder einfach nur neugierig sind, unterbewusst an Facebook erinnern. Haben Sie bereits einmal eine Benachrichtigung erhalten, dass Sie eine Freundschaftsanfrage oder eine Nachricht auf Facebook erhalten haben? Das ist einer der Köder-Mechanismen der Plattform, durch die Ihr Unterbewusstsein trainiert wird.

Leider hilft Facebook nicht tatsächlich gegen Einsamkeit, auch wenn das Unterbewusstsein diesen Zyklus eingespeichert hat. Im Interview mit profil spricht die britische Ökonomin Noreena Hertz von einer „globalen Einsamkeitskrise”, und verbindet diese mit dem Phänomen Social Media. Lesen Sie das Interview in der aktuellen profil-Ausgabe.

Nicht nur Unternehmen versuchen, die Einsamkeit als Mittel für sich zu verwenden: Als Reaktion auf den geplanten Oster-Lockdown spricht die FPÖ von einer „Einsamkeitsverordnung”, durch die Kurz „Familien nicht nur politisch, sondern auch privat” spalte. Leider werden solche verhaltensbasierten Strategien durch digitale Plattformen wie Facebook immer geschickter, denn sie basieren darauf, dass man seine Zielgruppe gut kennt. Und die meisten von uns sind nicht besonders zurückhaltend mit unseren Daten im Netz.

Das nächste Mal, wenn Sie eine E-Mail oder eine Benachrichtigung erhalten, die Sie an eine App erinnert, wissen Sie jetzt zumindest warum.

Einen selbst bestimmten Tag wünscht Ihnen

Isabel Russ

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Isabel Russ

Isabel Russ

Zuvor in der Startup-Szene tätig, u.a. beim Venture Capital Fonds Speedinvest und als selbstständige Beraterin im Bereich Startup-Investments und Digitalisierung. VWL und Finance Studium. Durch Studium und Beruf umzugserfahren: vom Bodensee nach Freiburg, Warwick, St. Gallen und Zürich, Shanghai, Wien, San Francisco, Berlin und nach über 10 Jahren wieder zurück an den Bodensee.