Zugehört – Jede Stimme zählt

Hier reden ganz normale Menschen, die sonst selten zu Wort kommen. Eine Serie zur Nationalratswahl. Diesmal mit dem Pensionisten Kurt Baumgartner.

Drucken

Schriftgröße

KURT BAUMGARTNER, 66

Ich bin in Steyr aufgewachsen und zur Schule gegangen. Dort gab es, wie damals üblich, eine strikte Trennung zwischen Burschen und Mädchen. Nach der Matura bin ich gemeinsam mit meinem Bruder zum Studieren nach Wien gezogen. Dort hatten meine Eltern eine Wohnung in Pötzleinsdorf. Ich war lange beim Verbund tätig, wo ich für Stromhandel und Osteuropa zuständig war. Im Zuge dessen bin ich damals viel gereist. Mittlerweile bin ich Pensionist und wohne im 19. Bezirk.

Wien ist heute viel weltstädtischer als seinerzeit, das finde ich sehr gut. Was sich allerdings zum Negativen gewandelt hat, ist die Politik. Früher hatte man noch eine gewisse Achtung vor den Politikern. Die Glaubwürdigkeit war höher. Heute ist das ganz anders. Immer nur vor Wahlen große Reformen anzukündigen, um nach der Wahl wieder Klientelpolitik zu betreiben, das ist einfach nicht mehr überzeugend.

Immer nur vor Wahlen große Reformen anzukündigen, um nach der Wahl wieder Klientelpolitik zu betreiben, das ist einfach nicht mehr überzeugend.

Deshalb wünsche ich mir auch mehr direkte Demokratie, so wie sie in der Schweiz stattfindet. Mein Bruder, der mittlerweile in der Schweiz lebt, profitiert auch von einem sehr unbürokratischen Staat. Auch im Bereich Steuerwettbewerb dient die Schweiz als Vorbild. Denn autonome Steuergesetze in gewissen Bereichen würden die Bundesländer zwingen, Steuern zu senken. Und das kann einem Land, das vor allem für Unternehmer nicht sehr attraktiv ist, nur guttun.

Rot-Schwarz hat über zehn Jahre lang Zeit gehabt, die Dinge zu ändern. Ich finde, dass sie absolut nichts weitergebracht haben. Wir haben zu viel Verwaltung, zu viele Regelungen. Für jede Regelung die abgeschafft wird, kommen zwei neue nach. Da ließe sich so viel einsparen, dass man Steuersenkungen vornehmen könnte, ohne anderswo kürzen zu müssen. Auch im Pensionssystem ist nach wie vor ein großes Einsparungspotenzial vorhanden. Ich glaube aber, dass man im Sinne der sozialen Gerechtigkeit den wirklich Bedürftigen helfen muss. Allerdings muss dann auch die Treffsicherheit im Sozialsystem steigen.

Ich kenne Christian Kern als früheren Chef von mir beim Verbund. Er ist ein sehr guter Manager, aber die SPÖ zu retten, ist eine Herkulesaufgabe. Eine freiheitliche Regierungsbeteiligung sehe ich auch nach dem Intermezzo mit Kanzler Wolfgang Schüssel kritisch, auch wenn ich sie für sehr wahrscheinlich halte. Ich könnte mir eine Koalition bestehend aus einer der Großparteien, NEOS und Herrn Pilz vorstellen. Für die Grünen wird es dieses Mal sehr knapp, nicht nur wegen der Kandidatur von Peter Pilz. Sie haben viel Glaubwürdigkeit eingebüßt, nicht zuletzt wegen ihrer Politik in Wien.