SPÖ

Zwischen Billa und Partei: Kann ein Roter für REWE sprechen?

Marcus Schober ist SPÖ-Gemeinderat in Wien – und neuerdings auch Pressesprecher der Supermarktkette Billa. Seine Partei ist für Preisdeckel auf Lebensmittel, sein neuer Arbeitgeber dagegen. Geht sich das politisch aus? Innerhalb der Wiener Roten keimt Kritik auf.

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Seit Anfang Oktober zeigt sich eine gewisse Zwiespältigkeit auf den Social Media Accounts von Marcus Schober. Der SPÖ-Abgeordnete zum Wiener Landtag und Gemeinderat hat am 2. Oktober einen neuen Job angenommen: Der frühere Direktor der roten Wiener Bildungsakademie vertritt jetzt die Supermarktkette Billa als Pressesprecher. Billa gehört zum deutschen REWE-Konzern.

Auf Schobers Politiker-Fanpage wechseln sich seither Postings vom roten Bundesparteitag und solche von der Eröffnung eines veganen Billa-„Pflanzilla“-Shops ab. Auch die Positionen des Handelskonzerns vertritt Schober auf seiner Fanpage. Zu den teuren Lebensmittelpreisen schrieb er Anfang November: „Der Wettbewerb funktioniert hierzulande gut, und der Lebensmittelhandel ist nicht der Verursacher, sondern selbst von der Teuerungskrise betroffen.“

Wie passt das mit der Position der SPÖ-Bundespartei zusammen, die Preisdeckel auf Grundnahrungsmittel fordert?

Wer sich in der Wiener SPÖ umhört, erfährt, dass Schobers Karriereschritt für „Irritationen“ gesorgt habe. Ein bekannter Roter formuliert es drastisch, will aber namentlich nicht genannt werden: Die SPÖ stehe auf der Seite jener, die keine politische Lobby haben, „also kann niemand aus der Partei Lobbyist sein“. Spätestens bei der nächsten Wahl müsse sich Schober entscheiden, so der Tenor.

Der SPÖ-Klub im Wiener Rathaus beruft sich auf profil-Anfrage auf das geltende Recht. Gemäß dem Bundes- und Gemeindegesetz steht Abgeordneten „grundsätzlich die Freiheit zu, Nebenbeschäftigungen auszuüben“. Aber: „Diese Tätigkeiten dürfen weder ihre Hauptaufgabe als Volksvertreter:innen noch die Integrität und Unabhängigkeit ihrer politischen Entscheidungsfindung beeinträchtigen.“ 

Tatsächlich sind Nebenjobs von Abgeordneten in allen Fraktionen üblich – im Falle Schobers stellt sich allerdings die Frage nach möglichen Interessenskonflikten. 

Der SPÖ-Klub hält dazu nur allgemein fest: „Bei Abstimmungen, die im Konflikt stehen können, muss der Abgeordnete sich als befangen erklären und darf nicht an der Abstimmung teilnehmen.“ Das ermögliche „eine ausgewogene Balance zwischen der persönlichen Berufsausübung und der öffentlichen Verantwortung eines Abgeordneten“, heißt es. Einer erneuten Kandidatur bei den nächsten Gemeinderatswahlen 2025 stellt sich die Wiener SPÖ nicht dagegen.

Schober selbst findet seine beiden Rollen keinesfalls widersprüchlich. Er habe in seiner Laufbahn öfter für Verwunderung gesorgt, etwa als Offizier beim Bundesheer und Sozialdemokrat. Abwechslung habe der frühere Mitarbeiter von Michael Ludwig in seinem bisherigen Berufsleben schon immer gesucht: „Kein Tag war wie der andere.“ 

Dass er Pressesprecher geworden sei, entspreche seiner Ausbildung, schließlich hat Schober Kommunikationswissenschaft studiert. Zwischen REWE und der Stadt Wien sieht er kaum Überschneidungen. Schober will weiterhin Gemeinderat bleiben und auch bei der Wienwahl 2025 wieder antreten: „Ich werde mein Mandat mit voller Leidenschaft erfüllen.“

Groß kommuniziert wurde der Job- und Branchenwechsel nicht, sagen einige aus der Partei. Laut Schober hätten jedoch „hunderte“ Gespräche stattgefunden. Die meisten Parteikollegen bekamen davon auf der Karriereplattform LinkedIn Wind. Dass es zu „Irritationen“ führte, überrascht Schober. Er habe aber bemerkt, dass er „im Fokus gestanden“ habe.

Die schiefe Optik auf sozialen Medien ist dem langjährigen Wienpolitiker bewusst. Er will etwa seine politische Facebook-Seite in Zukunft nicht weiter für Billa-Postings nutzen. Inhaltlich sieht er aber keine Widersprüche. Für seine Themen, Sicherheit und Bildung, stehe er noch immer ein. 

Die teuren Supermarktpreise erzürnen die SPÖ immer wieder. Parteichef Andreas Babler lässt keine Gelegenheit aus, die Bundesregierung dafür zu kritisieren, zu wenig gegen die Teuerung zu unternehmen. Wie kann es diesen Werten entsprechen, einen Handelskonzern medial zu vertreten? „Die Teuerung ist ein gemeinsamer Kampf“, sagt Schober. Der Lebensmittelhandel betreffe „alle“, die Frage nach der Leistbarkeit sei eine politische.

Was Schober nicht dazu sagt: Die SPÖ will einen Preisdeckel in den Verfassungsrang heben, damit Grundnahrungsmittel um maximal zwei Prozent pro Jahr steigen. Das ist eine Position, gegen die sich Handelskonzerne wie REWE in der Vergangenheit immer wieder ausgesprochen haben. 

Schober verspricht, der roten Linie treu zu bleiben. "Niemand freut sich über die Teuerung. Die Gesellschaft funktioniert nur mit leistbaren Preisen", sagt er und fügt hinzu: "Ich würde nie aufhören, die Armut zu bekämpfen." An Verhandlungsrunden würde er aber nicht teilnehmen - es sei ein reiner Kommunikationsjob.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.