Banken: Do-it-yourself und zahl dafür

Automaten statt Betreuer, Überweisungen via Tablet, Kontoauszüge am Smartphone. Die schöne neue Bankenwelt begeistert nicht alle - und die Institute tun sich oft schwer, die Umrüstungen positiv darzustellen.

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"Herzlich willkommen!" In dieser Bankfiliale geht es übertrieben freundlich und extrem kundenorientiert zu: Die drei Mitarbeiter sind offen für alle Aufträge, obwohl es längst nach 17 Uhr ist - kein Wunder, denn sie sind aus Blech. Und sie werden nicht umsonst "Manager" genannt: Einer kümmert sich um die gewünschten Kontoauszüge, ein anderer um das Bargeld, ein Dritter um die Einzahlung. Bisweilen stellen sie sich zwar etwas begriffsstutzig an, und dann braucht es zwei, drei Versuche, bis sie die Bankkarte wieder herausrücken - aber sonst scheint das Leben zwischen Kistl und Kunde doch recht in Ordnung zu sein im Jahr 2015: Selbstbestimmt und autonom ist man, weitgehend unabhängig von menschlicher Einflussnahme oder gar Stimmungslage. "Danke und auf Wiedersehen", schreiben die drei netten Bank-Manager zum Abschied auf ihre Displays. Man ertappt sich dabei, beim Hinausgehen ein "Auf Wiedersehen!" auf den Lippen zu haben. Ein klein wenig menschliche Interaktion wäre nett gewesen, aber man kann eben nicht alles haben im modernen Selbstbedienungsladen der Finanzgeschäfte.

Schwierige Umstellung

Automaten in den Filialen, Kontoauszüge am Handy, Beratung am Telefon, Überweisungen am Tablet - die Beziehung zwischen Privatkunden und ihren Banken ändert sich gerade grundlegend. Die österreichischen Banken, gebeutelt vom niedrigen Zinsniveau, von anspruchsvolleren Kunden und steigendem Kostendruck, tun sich bisweilen schwer mit dieser Umstellung. Zunehmend sehen sie sich einer kritischen Masse an Konsumenten gegenüber, die hochwertige Betreuung und Online-Services bei mindestens gleichbleibenden Gebühren verlangen. Haben die Banken die passende Antwort auf die Frage, wie sich technische Aufrüstung, Kostendruck und Dienstleistungsversprechen zugleich erfüllen lassen?

Die Antwort ist - zumindest auf den ersten Blick - eine Automatisierungswelle in den Filialen sondergleichen . Statt zum Mitarbeiter an der Kassa oder am Schalter sollen die Kunden gefälligst einen der Automaten (die hoffentlich funktionieren; auch das ist nicht immer selbstverständlich) nutzen oder ihre Geschäfte via Internet erledigen. Es ist Ironie des Branchenschicksals, dass in manchen Bankfilialen derzeit die Mitarbeiter die meiste Zeit mit der Erklärung ihrer Automatenkollegen beschäftigt sind. "Der Kunde ist heute ein IBAN, kein Mensch mehr", sagt Bernd Lausecker, Projektleiter Finanzdienstleistungen beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). Die persönliche Betreuung gehe mit der Automatisierung verloren, glaubt er. Dieter Scharitzer, Assistenzprofessor am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien, hat in einer Studie für den Finanzmarketing-Verband die Einstellung zum Abschluss von Finanzgeschäften im Internet untersucht. Das Ergebnis: Persönliche Berater sind unverzichtbar. "Es geht heute nicht um Online oder Offline, sondern darum, dass wirklich ein Verständnis für die Kunden notwendig ist." Facebook-Likes und ein hübsches Web-Portal seien da nicht genug, meint Scharitzer. "Es braucht einen tiefgreifenden Change-Prozess in den Banken."

Spagat zwischen Automatisierung und Individualisierung

Ob dieser "Change" tatsächlich im Hintergrund abläuft, ist den Kunden da draußen herzlich egal. Ein Wechselbad der Gefühle erleben diese aber dann, wenn 08/15-Dienstleistungen nicht mehr selbstverständlich sind. Bankomatkarte verloren oder kaputt? PIN-Code vergessen? Girokonto-Umsatz vom Vorjahr finden? Was bisher mit einem Anruf oder einem Besuch beim Bankmitarbeiter der Wahl erledigt war, kann heute zum aufwendigen und bisweilen kostenpflichtigen Missvergnügen werden. Dabei wäre der Spagat zwischen Automatisierung und Individualisierung nicht schwieriger als in anderen Branchen, glaubt Bernd Nolte, Chef der Stuttgarter Beratungsfirma 4P Consulting und auch als Consulter für österreichische Banken tätig. Für Helmut Bernkopf, für Privat-und Firmenkunden zuständiger Vorstand der Bank Austria, stecken Kunden derzeit in einer Lernphase: "Denken Sie an den Flughafen, der Check-in beim Automaten musste auch erklärt werden." In Phasen der Umrüstung gebe es erhöhten Erklärungsbedarf.

Die Banken tun sich mit dieser Umstellung mindestens so schwer wie ihre Kunden, denn Zeit, Geld und Geduld sind auf beiden Seiten nicht unbegrenzt vorhanden. Und so kommt die Automatisierung in Bankfilialen bisweilen mit dem Aufdruck "Derzeit außer Betrieb" daher, viele Umstellungen - etwa im Online-Banking - funktionieren nach dem Trialand-Error-Prinzip. Die Gründe sind vielfältig: "Die Banken haben im Moment drei Probleme", sagt Nolte: Rückgang der Zinsüberschüsse, steigender Regulierungsdruck und Vormarsch neuer Anbieter. Vor diesem Hintergrund sind sie gezwungen, Kosten zu senken (etwa bei Filialen) und gleichzeitig zu investieren (vor allem in Automatisierung und Online-Banking)."Geld verdienen Banken aber nur mit persönlicher Beratung und passenden Produkten", sagt Nolte. Das gelte vor allem im ländlichen Raum, wo der Anteil älterer Kunden größer sei.

Billiger wird es für die Kunden nicht werden.

"Es finden tatsächlich große Umbrüche in unserer Branche statt", bestätigt Peter Bosek, Privatkunden-Vorstand der Erste Bank. Strengere Auflagen für Banken, etwa was die Höhe des Eigenkapitals betrifft, sind ebenso ein Problem wie die extrem niedrigen Zinsen. So wie ihre Privatkunden sehen sich also Banken der Herausforderung gegenüber, zugleich sparen und investieren zu müssen. Zunächst kostet die Automatisierung Geld, Einsparungen ergeben sich durch Ausbau von Online-Services und Abbau von Filialen, wenn überhaupt, dann erst langfristig. Einfacher wird das Umfeld jedenfalls nicht: "Aufgrund der aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen im wirtschaftlichen Umfeld sind weitere Belastungen für den österreichischen Bankensektor nicht auszuschließen", heißt es in einem Bericht der Nationalbank.

Wer das bezahlen wird? "Billiger wird es für die Kunden nicht werden", glaubt Scharitzer. Davon ist ohnedies keine Rede, die Kontogebühren für Privatkunden stehen nicht umsonst in der Kritik. Zwischen 50 und 85 Euro verlangen die großen Banken jährlich für ihre Girokonten, die Auswahl an günstigeren Produkten - beispielsweise für Jugendliche und Studierende - ist überschaubar. Dazu kommen teils horrende Überziehungszinsen von bis zu 13 Prozent, was angesichts des derzeitigen Zinsniveaus immer wieder Anlass für Proteste von Arbeiterkammer und VKI ist. Zudem sorgt die Praxis, für Zusatzleistungen Geld zu fordern, für Ärger. "Die Banken verlangen heute Extragebühren für Leistungen wie Bestätigungen fürs Finanzamt oder die Suche nach bestimmten Umsätzen am Konto", moniert VKI-Experte Bernd Lausecker. Früher habe das der Betreuer im Rahmen der üblichen Dienstleistungen in der Filiale erledigen können. "Heute ist die Tendenz, dass jede sogenannte bediente Buchung extra kostet."

Wachsende Unzufriedenheit mit Kontogebühren

"Es ist nicht richtig, das Kundenverhalten über Preise zu steuern", weiß Peter Bosek. Die wachsende Unzufriedenheit mit den Kontogebühren ist ihm durchaus bewusst. "Leider herrscht bei den Kunden oft das Gefühl, dass sie zu wenig bekommen für ihr Geld." Dies gelte es zu berücksichtigen. "Ich muss halt Dienstleistungen rund ums Konto darstellen, für die Kunden bereit sind, zu zahlen." Bank Austria-Vorstand Helmut Bernkopf verteidigt die Banken: "Wir können gar nicht mehr verlangen, weil bei den meisten Gebühren nicht mehr als eine jährliche Inflationsanpassung erlaubt ist." Die Gebühren seien im internationalen Vergleich ohnehin niedrig. Mit Angeboten wie einem Online-Konto um knapp zwei Euro habe die Bank Austria zudem günstige Angebote parat.

VKI-Experte Lausecker vermisst dennoch die Kostenwahrheit gegenüber den Kunden. "Die Banken haben wenig Alternativen zum klassischen Girokonto-Paket." Die Kunden sollten entscheiden können, was sie wollen und brauchen -ist etwa Handy-Banking wirklich für jeden eine Alternative? Es wird auch zu einer Differenzierung der Angebote kommen, glaubt Bernd Nolte. "Es wird beispielsweise mehr Angebote speziell für ältere Personen geben müssen." Als "viel zu kompliziert und umfangreich" kritisierte die Arbeiterkammer vor Kurzem die Kontoverträge - hier scheinen die Banken zunächst ausprobieren zu wollen, was machbar ist.

Solange es dafür eine menschliche Dienstleistung gab, waren Gebühren kein großes Thema - doch heute lautet das Motto: Selbstbedienung statt Bedienung. Heute hat sich der Kunde gefälligst selbst um seine Überweisungen zu kümmern. Mutiert der Filialmitarbeiter demnach zur aussterbenden Spezies? Laut einer Ernst & Young-Untersuchung will jede zweite österreichische Bank heuer Stellen abbauen. Rund 75.000 Mitarbeiter haben die heimischen Kreditinstitute insgesamt, vor drei Jahren waren es noch mehr als 79.000. Die Auslagerung an Tochtergesellschaften, eine weitere Möglichkeit des Sparens, wird von Gewerkschaften als Flucht aus dem Kollektivvertrag kritisiert -und trägt nicht eben zum Image der Banken bei.

Banken können nicht nur too big to fail sein, sondern auch zu groß, um noch kundenorientiert zu handeln.

Ein weiteres Problem: Wenn Kunden statt mit ihrem persönlichen Betreuer in Zukunft mit ihrem Handy, dem Automaten im Bank-Foyer oder einem (ihnen unbekannten) Experten in einem der neuen "Informationszentren" sprechen sollen, könnte das Folgen haben: Was wissen diese schon über ihr Gegenüber, um passende Informationen und Angebote unterbreiten zu können? Dieses Wissen, das derzeit in den Köpfen der Betreuer in den Filialen vorhanden ist, droht zu verschwinden. Technologie ist da nur schwacher Ersatz, findet auch Dieter Scharitzer: "Können Daten überhaupt so genau analysiert werden? Wie weit gelingt die Personalisierung?" Das ist tatsächlich ein Problem - schon jetzt scheint in vielen Banken die rechte wenig von der linken Hand zu wissen. Etwa wenn zwei Wochen nach einem Beratungsgespräch in der Filiale ein Brief aus der Zentrale eintrudelt, der wiederum ein völlig anderes Produkt beschreibt. "Banken können nicht nur too big to fail sein, sondern auch zu groß, um noch kundenorientiert zu handeln", meint Bernd Nolte. "Das könnte eine Chance für kleine Genossenschaftsbanken sein", glaubt er. Erste-Vorstand Bosek wiederum sagt: "Der größte Informationsschatz ist das Girokonto." Dort würden die wichtigsten Informationen über den einzelnen Kunden liegen. Doch mit Big Data allein kann es nicht getan sein, weiß auch Bosek: "Man braucht persönliche Ansprechpartner." Also ist die Filiale unverzichtbar, selbst wenn die Mitarbeiter dort in Zukunft online-affin sein müssen. Bank Austria-Vorstand Helmut Bernkopf: "Wir erwarten, dass sich alle Mitarbeiter mit der neuen Welt der Online-Services auseinandersetzen."

Auch mit längeren Öffnungszeiten müssen sich die Mitarbeiter österreichischer Banken in Zukunft anfreunden. Auf den ersten Blick erscheint das für den Kunden positiv, auf den zweiten sieht man oft aufgrund bereits erfolgter personeller Einsparungen Schlangen vor der einen verbliebenen Kassa - nur mit Automaten geht es eben doch nicht.

Kann es die Bank denn niemandem recht machen? "Wir müssen die Veränderung des Kundenverhaltens erkennen und verstehen", sagt Bosek. Die Erste Bank habe den Ansatz, die "Kunden nicht in eine bestimmte Richtung zu steuern". Bei der Bank Austria unterscheidet man zwischen "Basisbank" und "Beraterbank": Der erste Teil dient der "finanziellen Grundversorgung", wie es so schön heißt. "Auf der anderen Seite investieren wir massiv in die Beratungsqualität", so Bernkopf. Jedenfalls werde es auch in "vielen Jahren noch Filialen geben".

Automaten hat jede Bank, die Qualität der Dienstleistung wird den Unterschied ausmachen.

Bloß sicher nicht mehr an jeder Ecke. "Doch wie kommt dann die Leistung zum Kunden?", fragt WU-Professor Dieter Scharitzer und liefert gleich die Antwort: "Es wird ein schlauer Mix sein müssen, unter anderem aus Online- und Offline-Angeboten."

Nach den Konzepten der Banken ist die Filiale der Zukunft eine Mischung aus Kaffeehaus, Hotel-Lobby und Technik-Hangar: Menschliche "Empfangsmanager" begrüßen die Kunden und weisen sie an den zuständigen Experten weiter. Der Grundgedanke: Die Basisarbeit erledigt jeder selbst, entweder am eigenen Gerät oder am Bankmitarbeiter aus Blech. Wer mehr verlangt, soll mehr bekommen. Peter Bosek von der Erste Bank: "Die Zielgruppen-Segmentierung ist überholt, Schwarz-Weiß-Denken hilft heute nicht mehr." Die Banken würden noch immer in Kanälen denken, die Kunden längst nicht mehr. Die Filiale werde eine erste Anlaufstelle für den Kontakt zu Experten sein, glaubt auch Dieter Scharitzer, der Betreuer der Zukunft eher Vermittler sein und nicht alle Produkte selbst kennen. "Automaten hat jede Bank, die Qualität der Dienstleistung wird den Unterschied ausmachen." Bleibt zu hoffen, dass es den Kunden dann nicht wie in manchem Baumarkt geht: riesiges Angebot, aber selten jemand da, der es einem erklärt.