Sicherheit

Interview mit Historiker Harrison: Wird die EU zur besseren NATO?

Entwickelt sich die EU von der Wirtschafts- zur Sicherheitsunion? Dick Harrison, „Schwedens Hugo Portisch“, im Interview.

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Herr Professor, im März ist Schweden als 32. Mitgliedstaat der NATO beigetreten. Seit Napoleons Zeiten war Ihr Land neutral. Aber offenbar hat der Beitritt keine Emotionen ausgelöst. Warum nicht?
Harrison
Wenn Sie eine kurze Antwort hören wollen: Es ist die Angst vor Russland. Über die Jahrhunderte hat Russland Schweden regelmäßig überfallen. Natürlich ist das schon eine Zeit lang her, aber die russische Aggression bleibt im kollektiven Gedächtnis der Schweden. Diese latente Angst kann sehr leicht akut werden. Der zweite Grund, warum der NATO-Beitritt so einfach über die Bühne ging, ist Finnlands Beitritt. Nachdem unser Nachbarland Mitglied geworden war, ist allen klar gewesen, dass wir folgen müssen. Finnland war immer unser Partner, hat einst sogar zu Schweden gehört. Es gibt dort eine schwedische Minderheit, und Schwedisch ist eine offizielle Sprache. Alles zusammengenommen gab es für Schweden keine Alternative zur NATO-Mitgliedschaft.
Es gab auch unter den Parteien keinen nennenswerten Widerstand gegen den NATO-Beitritt?
Harrison
Ich war von der breiten politischen Mehrheit für den NATO-Beitritt selbst überrascht. Sechs von acht Parlamentsparteien befürworten die Mitgliedschaft. Noch vor wenigen Jahren gab es eine ebenso deutliche Mehrheit gegen den Beitritt. Und jetzt ist es den Gegnern nicht einmal gelungen, eine politische Diskussion darüber anzuzetteln. Die Geschwindigkeit dieses Meinungsumschwungs ist beinahe rätselhaft. Von links bis rechts wird die NATO unterstützt, Sozialdemokraten, Christdemokraten, Liberale.
Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.