Publikumsbeschimpfung

Wie sehr schadete sich Hillary Clinton, indem sie die Wähler von Donald Trump beleidigte?

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Da empörte sich Donald Trump freudig: "Wow, Hillary Clinton war so BELEIDIGEND gegenüber meinen Unterstützern, Millionen von wunderbaren, hart arbeitenden Menschen. Das wird sie in den Umfragen so einiges kosten“, twitterte der republikanische Präsidentschaftskandidat.

Hillary hatte vorvergangene Woche in einer Wahlkampfveranstaltung geätzt: "Die Hälfte der Trump-Anhänger sind in einem Korb von Beklagenswerten (basket of deplorables) - das sind Rassisten, Sexisten, Homophobe, Xenophobe, Islamophobe. Unglücklicherweise gibt es solche Leute. Und Trump mobilisiert sie.“ Im anderen "Korb“ der "Trumpisten“ seien jene, die das Gefühl hätten, dass sie vom Staat und von der Wirtschaft abgehängt wurden und niemand sich darum kümmert, was mit ihnen passiert. Gegenüber dieser Gruppe müsse man Verständnis und Empathie zeigen.

Die Mehrheit der Medien stimmt mit Trump überein, dass die als "Wählerbeschimpfung“ interpretierte Äußerung Hillarys ein fataler Ausrutscher war, der ihr bei der Wählerschaft schaden wird. Aber war das wirklich ein Fauxpas?

Zunächst: Sie sagte nur, was in den vergangenen Monaten in unzähligen Artikeln geschrieben und in vielen Umfragen und Analysen herausgefunden wurde. Der harte Kern der Trump-Fans ist in der Tat so unappetitlich, wie Clinton meinte. Das ist empirisch abgesichert.

Sie machte am Tag danach zwar einen halben Rückzieher: Auf die "Hälfte“ wolle sie sich nicht kaprizieren, das sei eine zu grobe Generalisierung gewesen. Am Kern der Aussage hält sie freilich fest.

Bleibt die Frage, ob sie dies tatsächlich noch bereuen müssen wird.

"Gaffe"-Obama-Statement aus 2008

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Präsidentschaftskandidat sich nicht nur über seinen Kontrahenten, sondern auch über dessen potenzielle Wähler abfällig äußerte. Allgemein als "Gaffe“ wurde 2008 ein Statement von Barack Obama über Kleinstädter des Mittleren Westens gewertet. Diese seien bitter, sagte er: "Sie klammern sich an Gewehre oder an die Religion, an die Antipathie gegen Menschen, die nicht so sind wie sie, oder an Gefühle gegen Einwanderer als eine Möglichkeit, ihre Frustration zu erklären.“

Und vier Jahre danach machte auch Mitt Romney mit einem Wähler-Bashing Furore. Der republikanische Kandidat hatte öffentlich räsoniert, dass 47 Prozent der Amerikaner vom Staat lebten, also abhängig, zu keiner Initiative fähig seien und sich als Opfer fühlten. Deswegen würden sie von vornherein Obama wählen. Romney musste sich entschuldigen.

Nun hat Nate Silver, einer der Star-Demoskopen Amerikas, analysiert, wie sich solche "Ausritte“ auf die Wählermeinung auswirken. Bei Weitem nicht so stark, wie die Medien annehmen, meint Silver: Obamas "Bittergate“ produzierte keine Veränderungen in den Umfrageergebnissen. Und Romneys "47 Prozent“ kosteten ihn maximal einen Prozentpunkt.

Noch kann nicht eingeschätzt werden, was Hillarys Aussage über den "Korb der Beklagenswerten“ tatsächlich für ihre Wahlchancen bedeutet. Vielleicht war sie sogar Ausdruck einer wohlüberlegten Strategie: der Versuch, einen Keil in die Trump-Wählerschaft zu treiben und gleichzeitig mit dem Denunzieren von Rassisten und Frauen-, Fremden- und Schwulenfeinden ihre Wahlklientel zu mobilisieren und fester an sich zu binden.

Georg Hoffmann-Ostenhof