Kein Schnickschnack: Karlsbader Bierbeisl
Bier in der Sauna

Bier in der Sauna: Karlsbad abseits der Kurfolklore

Die tschechische Stadt Karlsbad abseits der Kurfolklore

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Karlsbad hat sich herausgeputzt. Der Kaiser kommt! Und nicht irgendeiner. Sondern der "Stadtkaiser" Karl IV. Zum Leben erweckt, marschiert er zu Pferd mit seinem Hof in mittelalterlicher Garderobe gemütlich durch die Stadt und lässt sich feiern. 1370 erhob er den Kurort im Westen Tschechiens zur Königsstadt, aus "Vary" (Bad) wurde "Karlovy Vary" (Karlsbad). Und da der Namensgeber vor genau 700 Jahren auf die Welt kam, feiert die Stadt ihren Patron zur Eröffnung der diesjährigen Kursaison Anfang Mai an allen Ecken und Enden.

Karlsbad wirkt mit seinen pompösen Hotels, Warmwasser-Pavillons und Fiakern wie ein in die Zeit gemeißeltes Filmset. Darin tummeln sich russische Investoren, japanische Touristen und deutsche Partyausflügler. Aber die 50.000-Einwohner-Stadt hat neben der Kurfolklore auch andere spannende Seiten zu bieten: rostige Fußballstadien, kleine Bierbeisln und staubige Bazare. Ein Rundgang abseits der Kurpfade.

1.FC Karlovy Vary: Ein Leben im Unterhaus

Das Leben in Tschechiens 4. Fußballliga ist wenig glamourös, leidenschaftlich gekämpft wird aber auch beim 1.FC Karlovy Vary bis zur letzten Minute. Das Stadion ist mittlerweile schon recht baufällig und teilweise abgesperrt. Der Rost und die staubigen Bänke verleihen dem Platz am Hügel über der Stadt aber einen besonderen Charme. Der Bierpreis von unter einem Euro trägt ebenfalls zur gemütlichen Atmosphäre bei. Die Karlsbader Kicker teilen sich ihre Heimstätte mit den lokalen Warriors, dem American-Football-Team der Stadt.

Ristorante Italiano da Franco: Nudeln auf engstem Raum

Wenn der Kaiser vorbeireitet, müssen natürlich auch Chef, Koch und Kellnerin ihre Aufwartung machen und kurz vor die Türe schauen gehen. Die ausgezeichnete Bruschetta und Pasta samt feinem Merlot werden aber trotzdem umgehend aufgetischt und rasch verputzt. Hier geht es noch gemütlich zur Sache: Ein Dutzend Plätze und keine Kreditkarte. Obwohl es die meisten Touristen nur bis zum wenige Meter davor gelegenen Kaiserbad schaffen, empfiehlt sich vor allem für den Abend eine Reservierung.

Freiluftkino: Tanzende Farben

Bunte Sitze, eine alte Leinwand und ein Eingang im Stile alter Tanzveranstaltungen: Das kleine Amphitheater im Park am Tepla-Fluss unweit des mächtigen Hotels Richmond ist zwar derzeit nicht in Betrieb, ist aber alleine schon aufgrund der Eingangsarchitektur einen Besuch wert. Es wurde in der Vergangenheit auch für das Karlsbader Filmfestival genützt.

Street Art und Grafitti: Filme feiern

Seit 1947 bringt das Internationale Fillmfestival Karlovy Vary, eines von weltweit 13 A-Festivals, Hollywoodgrößen in den kleinen Kurort. Auch im Durchgang von der Innenstadt zum Bahnhof wird bekannten Filmen gewürdigt. Allerdings nicht mit Blitzlichtern und feinen Roben, sondern per Street-Art-Filmposter-Galerie umrahmt von Grafitti und Straßenmüll.

Bierstübchen: Zapfen ohne Schnickschnack

Drei Tische, ein Zapfhahn und ein alter Fernseher links oben im Eck: Im kleinen Bierbeisl in der Kurve nach dem Kaiserbad wird auf Schnickschnack keinen Wert gelegt. Hier wird ausschließlich feinstes Budweiser gezapft, obwohl die Stadt Pilsen nur 80 Kilometer entfernt liegt und Karlsbad mit dem Bier Karel IV. selbst über eine kleine Brauerei verfügt. Aber der Chef des Hauses, ordentlich tätowiert und das weiße Haar schnörkellos zusammengebunden, weiß ganz genau, was er tut und zapft. Kaiser hin oder her.

Kino Drahomira: Film ab das ganze Jahr

Das Karlovy Vary Filmfestival findet nur einmal im Jahr statt. Das Kino Drahomira spielt jedoch das ganze Jahre feine Arthousefilme. Dazu gibt es noch eine Galerie und ein gemütliches Filmcafé. So ein Kino braucht jede (Kur)Stadt!

Buslinie 2: Grüner Hügerl und staubiger Bazar

Keine Stadterkundung ohne öffentliche Verkehrsmittel. Die Buslinie 2 fährt vom Stadtheater den Hügel hinauf, vorbei am Kaiserbad und dem Hotel Imperial, gemütlich durch das Grün oberhalb der Stadt mit Blick auf die Hotels, Cafés und Quellen im Zentrum und der russisch-orthodoxen Kirche auf der gegenüberliegenden Seite, weiter in Richtung der neuen Spielstätte des lokalen Eishockeyclubs, vorbei am staubigen und versteckten Sonntagsbazar und endet vor dem Einkaufszentrum gegenüber des Golf- und Pferderennplatzes. Eine wunderbare Erkundungsfahrt für weniger als einen Euro.

Karlsbad gehörte bis 1918 zur k.u.k.-Donaumonarchie und hat heute 50.000 Einwohner. Das Internationale Filmfestival Karlovy Vary findet jedes Jahr Anfang Juli statt und gehört zu den 13 wichtigsten A-Festivals der Welt. Karlsbad liegt 120 Kilometer von Prag, 320 Kilometer von München und 420 Kilometer von Wien entfernt.