Thrash-Metal-Band Kreator
Die Apokalypse hat erst begonnen

Neue Alben: Kreator, Cherry Glazerr

Kreator und Cherry Glazerr schreiben den Soundtrack zur aktuellen Weltlage.

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Kreator: Gods of Violence (Nuclear Blast)

Bei Kreator gibt es keine alternativen Fakten. Hier kommt die Wahrheit noch mit dem Vorschlaghammer um die Ecke. „Gods of Violence“, Götter der Gewalt, heißt das neue Album der Thrash-Metal-Titanen. Das kann ja was werden. Wer hier zu früh urteilt – oder Heavy Metal im Jahr 2017 noch immer nicht verstanden hat – den soll der Satan holen! Als geneigter Metalversteher könnte man meinen, die Herren aus Essen haben hier den Soundtrack zur aktuellen Weltlage geschrieben: „World War Now“, „Totalitarian Terror“ und „Satan Is Real“ heißen die apokalyptischen Songtitel, die hier zwischen Ziegenbockschädel- und blutigem Klauen-Cover in Reih und Glied stehen. Als Hörer befindet man sich blitzartig mitten im Krieg. Kein Wunder, dass die Metal-Band um Mastermind Mille Petrozza mit ihren Weltuntergangsgeschichten in Zeiten von Trump, Le Pen und globalem Terrorismus aktueller denn je wirken. Vergessen sind auch die Zeiten, als sich die Band in den Neunzigern in experimentelleren Gefilden versuchte. Das 14. Album in der 35-jährigen Bandgeschichte bietet somit alles, was man in der traditionellen Thrash-Metal-Schule liebt und schätzt: Schmetternder Gesang, Genickbruch-Schlagzeug, Stakkato-Riffs, Pathos, hymnenhafte Opulenz. Die vermeintlich einfach gestrickten Songs entfalten in ihrer vordergründigen Schlichtheit eine unerhörte Doppelbödigkeit. „Gods of Violence“ ist kollektive Frustbewältigung, ein Faustschlag gegen all die Blödheit. Kreator beziehen Stellung.

Kreator gastieren (zusammen mit Sepultura) am 16. Februar im Wiener Gasometer.

Cherry Glazerr: Apocalipstick (Secretly Canadian)

„Nothing is all pure, nothing is all dirty“, singt Clementine Creevy auf ihrem neuen Album „Apocalipstick“ und zeigt, dass man als Rockstarheldin auch im Jahr 2017 nicht seine Unterwäsche wechseln muss. Ein bisschen Apokalypse, ganz viel Lippenstift, dazu krachende Gitarrenriffs, viel Groove und Synthie-Versatzstücke. Musikalisch klingen die Songs des Trios vertraut, dabei aber auch höllisch melodisch. Cherry Glazerr bedienen sich einmal bei aktuellen Lieblingen der Indie-Szene (The War On Drugs), um dann in den Mottenschrank (The Cure) zu greifen. Dazu kommt: Creevy, die ihre Band nach einer Moderatorin des hippen Westcoast-Radios KCRW benannt hat, spiegelt den aktuellen L.A.-Sound (Meine Garagenband, meine verbeulte Karre, meine zerzauster Frisur!) wie keine zweite Frau mit Gitarre wider. Kein Wunder, dass die 19-jährige Kalifornierin aktuell in der großartigen Amazon-Serie „Transparent“ zu sehen ist. Diese Karriere hat definitiv erst begonnen. Actionheldin, Wonder Woman, Präsidentin? Alles ist möglich!

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.