EZB-Kurs bleibt intakt: Auswirkungen für Kreditnehmer

Am 8. Dezember traf die Europäische Zentralbank (EZB) erneut eine Entscheidung zur zukünftigen Geldpolitik in der Euro-Zone. Die Beibehaltung des lockeren Kurses stößt auf Zustimmung und Ablehnung innerhalb der Fachkreise. Eine ähnliche Spaltung der

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Frankfurt, Dezember 2016. Der zukünftige EZB-Kurs spricht eine deutliche Sprache: Die Krise ist noch nicht überwunden. Der Hauptrefinanzierungssatz bleibt auf dem historischen Tiefstand von 0,00 %, der Einlagezins für Banken bleibt bei minus 0,4 % und das Programm für Anleihenkäufe (APP) wird bis Dezember 2017 fortgesetzt. Dabei soll sich das Volumen ab April von 80 Milliarden auf 60 Milliarden monatlich reduzieren. Doch für Nicht-Experten sind dies nur fiktive Zahlen mit wenig Aussagekraft. Eine Reduktion von 80 auf 60 Milliarden pro Monat? Welche Auswirkungen implizieren diese Maßnahmen?

Der nicht-existente Leitzins soll über Investitionen die Wirtschaft ankurbeln. Diesem Plan steht jedoch die geringe Inflation im Euro-Raum entgegen (0,6 % im November laut eurostat). Wenn die Geldentwertung nicht ausreichend stark voranschreitet, dann fehlt der Anreiz, heute anstatt erst morgen zu investieren. Aus diesem Grund strebt die EZB ein Inflationsziel von 2 % an. Da sich der Hauptrefinanzierungssatz nicht mehr weiter senken lässt, muss auf außergewöhnliche Maßnahmen (Quantitative Easing) zurückgegriffen werden.

Dieser Notfallplan umfasst den groß angelegten Kauf von verschiedensten Anleihen. Dadurch werden zusätzliche Euros in den Markt gepumpt. Wenn sich das Angebot erhöht, sollte eine Preisminderung folgen, die sich bei Geld eben Inflation nennt. Experten kritisieren jedoch diese offizielle Begründung.

Die aktuelle Inflation wird nämlich durch den niedrigen Ölpreis künstlich gedrückt. Die jüngst beschlossenen Drosselungen der OPEC-Fördermengen im November 2016 und Dezember 2016 könnten diesen künstlichen Druck auf die Inflation sehr schnell beenden. Die Anleihenkäufe nur gering zu reduzieren, aber noch ein ganzes Jahr fortzuführen, gilt aus dieser Perspektive als ein sehr gewagter Schritt. Eine zweite, politische Überlegung darf dabei nicht außer Acht gelassen werden.

Der exzessive Ankauf von Bundesanleihen der verschiedensten Staaten führt zu einer Geldschöpfung für die jeweiligen Staatshaushalte (Seigniorage-Effekt). Die Staaten müssen weniger Kredite aufnehmen, wenn sich alle möglichen Projekte direkt über Anleihen, als eine Form der Schuldverschreibung, finanzieren lassen, die umgehend einen Käufer finden. Diese oft erwähnte Kritik brachte auch der Reporter Francesco Canepa während der Pressekonferenz von Draghi am 8. Dezember 2016 auf. Die Antwort verwies auf ausbleibende Veränderungen in dieser Hinsicht und die Aktivität auf dem Sekundärmarkt. Eine klare Zurückweisung sieht anders aus.

Darüber hinaus wurde „Tapering“, sprich das Abbremsen des „Asset Purchase Programme“, noch gar nicht im Komitee zur Diskussion gestellt, um die anhaltende Präsenz der Zentralbank zu signalisieren. Der Kurs der extrem lockeren Geldpolitik bleibt im Wesentlichen unverändert. Dies sollte aber nicht nur Auswirkungen auf die Finanzentscheidungen von Staaten, sondern ebenso von Verbrauchern haben.

Rein aufgrund der Leitzinsen können Kredite seit März 2016 nicht mehr günstiger werden. Trotzdem sollen die Maßnahmen der EZB zu einer Ausweitung der Finanzierungsangebote führen. Die Anleihen im Besitz der Banken werden durch die Europäische Zentralbank angekauft. Wie bei jedem Kauf wird dabei Geld an den Verkäufer, die Privatbanken, ausgeschüttet. Da die Einlagezinsen weiterhin mit minus 0,4 % als Strafzins bezeichnet werden können, müssen die privaten Geldinstitute einen Weg finden, dieses zusätzliche Kapital zu verwenden. Eine der offensichtlichsten Einsatzmöglichkeiten ist die Vergabe von Krediten.

Aus mikroökonomischer Sicht gehört zu jedem Preisniveau eine entsprechende Sättigungsmenge. Sobald jeder ein Auto besitzt, der sich einen PKW zum Preis X leisten kann, lassen sich nur zu einem niedrigeren Preis zusätzliche Kraftwagen verkaufen. Diese Überlegung trifft uneingeschränkt auf den Kreditmarkt zu. Die Banken können mit ihrem zunehmenden Bedarf, Kredite zu vergeben, nur Kreditnehmer für ihre Angebote finden, wenn sie ihre Preise, sprich die Effektivzinsen, weiter senken.

Die aktuellen Niedrigzins-Darlehen von Direktbanken wie der Ing DiBa oder der SWK Bank dürften also keinesfalls die Talsohle darstellen. Der Effektivzins wird bei ausgezeichneter Bonität die Marke von 4 % noch unterschreiten. Durch die Fortführung der lockeren Geldpolitik der EZB wird der Markt für Ratenkredite neue Top-Konditionen erleben. Die Voraussicht der Santander Consumer Bank auf diese EZB-Entscheidung und deren erneute Senkung der Kreditzinsen im Oktober 2016 stellt beispielsweise einen Beweis für diese Zukunft auf den Kreditmärkten dar. Das Bankhaus senkte schon im Vorfeld den Zinssatz auf 3,75 Prozentpunkte. Verbraucher können sich auf noch günstigere Finanzierungen für den Ankauf von Autos, Wohnungssanierungen oder den Bau von Häusern einstellen. All dies wären sinnvolle Investitionen in die Wirtschaft. Aber Mario Draghi betont auch, dass Strukturreformen in den Mitgliedsstaaten der Union umgesetzt werden müssen, um die positiven Effekte der lockeren Geldpolitik für Unternehmer wie Konsumenten wirklich spürbar zu machen.

Die Europäischen Zentralbanker fordern zwei Arten von Reformen, damit aus einer einfachen Finanzierung tatsächlich arbeitendes Kapital werden kann. Zum einen sollen monopolähnliche Strukturen aufgebrochen und Innovationen noch stärker gefördert werden. Nur so lassen sich die Gewinne aus dem Wirtschaftstreiben weiter streuen und zusätzliche Anreize für sinnvolle Investitionen schaffen. Der „Juncker-Plan“ mit all seinen Vorteilen und Nachteilen soll darauf abzielen.

Die zweite Forderung betrifft „Externe Effekte“, welche bei vielen wirtschaftlichen Planungen ignoriert werden. Für eine leichte Erklärung kann das Beispiel der Umweltverschmutzung herangezogen werden. Eine Fabrik, die einen Fluss verschmutzt, hat ohne gesetzliche Vorgaben keine zusätzlichen Kosten durch ihre Vorgehensweise zu erwarten. Dem Fischer weiter unten am Fluss entstehen jedoch extrem hohe Kosten durch große Fangausfälle. Jetzt sollte eigentlich der Staat dafür sorgen, dass diese Zusatzkosten fair auf alle beteiligten Parteien aufgeteilt werden. Diese faire Aufteilung muss in der EU angekurbelt werden.

Fazit

Die Europäische Zentralbank stellt keine Straffung der Geldpolitik in Aussicht. Davon profitieren hochverschuldete Staaten, Unternehmen, aber auch Privatleute dank niedriger Kreditzinsen, die noch weiter sinken werden. Damit für kleine Sparer die Hoffnung auf höhere Zinsen am Horizont aufflackert, müssen jedoch noch Strukturreformen folgen. Nur damit lässt sich die Konjunktur ausreichend ankurbeln und ein beständiges Inflationsziel erreichen. Auf diesem Weg wird ein Zinsniveau erreicht, mit dem sowohl Anleger als auch Investoren zufrieden sein können. Damit zwischen diesen beiden Gruppen eine Versöhnung erzielt wird, muss eine gewisse Einigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten vorangehen. Dafür kann Mario Draghi als EZB-Chef nur eingeschränkt sorgen.

Autor: Patrick Berger, 1983 in Rum geboren, studierte an der Universität Innsbruck Wirtschaftswissenschaften und verfasst seit 8 Jahren Beiträge für Finanz- und Wirtschaftsblogs bzw. Webseiten. Seit mehreren Jahren verfolgt er diverse Entwicklungen im nationalen und internationalen E-Sport und schreibt für Magazine und Webseiten Beiträge zu verschiedenen Events und Entwicklungen. Außerdem organisiert und moderiert er selbst E-Sport-Veranstaltungen in Österreich.