Affäre Benko: Die Mama wird's schon richten
Schriftgröße
Mutter-Sohn-Beziehungen sind etwas Besonderes. Am 11. Mai, dem Muttertag, wird diese innige Liebe zelebriert – traditionell zeigt sich der Nachwuchs mit Pralinen und Blumen für Leben und Liebe erkenntlich. René Benkos Mutter Ingeborg hätte allen Grund, von ihrem Sohn verwöhnt zu werden. Nicht nur als Dank dafür, dass sie ihn zur Welt gebracht und großgezogen hat. Auch finanziell und geschäftlich war sie ihm stets eine große Stütze. Und jetzt ist sie, wie es aussieht, die letzte Bastion, die veritable Reste seines Vermögens mit Zähnen und Klauen verteidigt. Das Firmenimperium ihres Sohnes ist genauso pleite wie er selbst. Aber in den Stiftungen unter Mama Benkos Fuchtel befinden sich noch immer Vermögenswerte von Hunderten Millionen Euro.
An die kommen bisher weder Masseverwalter oder Staatsanwaltschaft, noch milliardenschwere klagsfreudige arabische Investoren ran. Am Mittwoch fanden wieder Razzien in Wien und Tirol statt, angeordnet von italienischen und deutschen Behörden, die neben der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermitteln. Erstmals wurden auch Räumlichkeiten einer Benko-Stiftung durchsucht, obwohl die Stiftung nicht als Beschuldigte gilt. profil liegen die Anträge der Behörden vor, wir berichteten online ausführlich.
René Benko muss das aus der Haft beobachten. Anfang der Woche wurde sein Entlassungsantrag erneut abgelehnt. Derzeit wird er tagelang von den Ermittlern befragt, auch diese Protokolle liegen profil vor. Er erzählt dort viele Geschichten – in nicht wenigen spielt seine Mama die Hauptrolle. Den Muttertag darf er nicht mit ihr verbringen, ebenso nicht seinen Geburtstag am 20. Mai. So sieht das die Tradition der Familie Benko nicht vor. Mama Ingeborg soll nun etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen.
Schlichte Kindheit
René Benko stammt aus einfachen Verhältnissen. Er wuchs in Innsbruck in einer schmucklosen Siedlung auf. Der Vater war Gemeindearbeiter, die Mutter, Ingeborg, war Kindergärtnerin. René hat eine vier Jahre jüngere Schwester. Auch gegen sie wird ermittelt. Der Bub war nicht immer einfach – er war ein Revoluzzer, hatte Dreadlocks am und Flausen im Kopf. Er brach die Schule ab. Man weiß, wie solche Karrieren meist enden. Zumindest werden aus solchen Menschen selten Milliardäre. Aus Ingeborg Benkos Sohn schon – er hatte einen guten Riecher fürs Geschäft, scheute keine Risiken und war obendrein ein Menschenfänger, der äußerst überzeugend sein konnte. Mit 20 Jahren soll er bereits seine erste Schillingmillion mit dem Ausbau von Dachböden verdient haben. Mit 40 war er Euro-Milliardär. Ingeborg Benko konnte zu Recht stolz auf ihren Sohn sein.
Dem war es wichtig, dass die Familie sah, was er leistete, seinen Erfolg honorierte. Sein Vater soll für die Luxus-Ambitionen seines Sohnes nicht allzu viel Anerkennung übrig gehabt haben. Er bevorzugte ein einfacheres Leben, fuhr lieber mit dem Campingwagen an den Gardasee, statt in der pompösen Villa seines Sohnes zu residieren, wie erzählt wird. Auch mit Renés Unternehmen wollte er offiziell nichts zu tun haben.
Die Frauen der Familie involvierten sich hingegen gerne und intensiv in das lukrative Business. Benko habe in seinem Leben genau zwei Frauen blind vertraut - und das waren nicht seine Ehefrauen. Das erzählen heute ehemalige Vertraute. Seine Schwester war als gut dotierte Assistentin von Beginn an an seiner Seite tätig. Immer da, immer im Bilde und nie im Scheinwerferlicht. Heute engagiert sie sich wie die Mama ebenfalls vorrangig im Bereich der Privatstiftungen, deren Vermögen der Familie zugutekommt.
Insgesamt gründete Benko vier solche Stiftungen – Mutter Benko war von Anfang an Co-Stifterin. Zwei davon sind in Österreich registriert: Die Familie Benko Privatstiftung ist mit der Signa untergegangen, sie hielt veritable Anteile an den Gesellschaften der Gruppe. Die andere ist nach seiner ältesten Tochter benannt: die Laura Privatstiftung. Hier hat die Familie einige Schätze gebunkert, ihr Vermögen wird von Insidern auf 150 bis 200 Millionen Euro geschätzt. Darunter ein Immobilienportfolio in Innsbruck und Deutschland. Zwei Ferraris. Ein Warhol.
Zwei weitere Stiftungen sind in Liechtenstein. Eine heißt Arual – Laura rückwärts. Über sie weiß man wenig – bekannt ist aber, dass sie über Zwischengesellschaften die Villa Ansaldi am Gardasee halten soll. Eine Immobilie, die Benko persönlich viel wert sein dürfte und die über das Stiftungskonstrukt gut vor externen Zugriffen geschützt ist.
Dann wäre da noch die INGBE Stiftung, offensichtlich nach der Frau Mama benannt. Mutter und Sohn gründeten sie zusammen im Jahr 2014. Wie hoch ihre Vermögenswerte sind, ist unbekannt. Aber die Luxuschalets der Villa Eden in Gardone am Gardasee gehören ebenso dazu wie Gold und Bargeld in beträchtlicher Menge, wie die Benko-Ermittler vermuten.
An sich sind Stiftungen ein angenehmes Finanzvehikel vieler reicher Familien. Sie können dazu dienen, das Vermögen über einen Generationswechsel hinweg zusammenzuhalten und Erbstreitigkeiten vorzubeugen. Da sieht das Recht einige Kniffe vor.
Der Strohmama-Verdacht
Aber das ist nicht der einzige Vorteil der von außen meist schwer zu durchblickenden Konstrukte. Sie können auch für jene äußerst praktisch sein, die rechtliche oder steuerliche Probleme fürchten und ihr Vermögen vor Zugriffen schützen wollen. Die gesetzlich gewährte Intransparenz hilft, Schätze zu verstecken. Stiftungen müssen etwa – im Unterschied zu normalen Holding-Firmen – keine Jahresabschlüsse veröffentlichen.
Ein Schelm, wer Böses denkt: Aber die INGBE Stiftung wurde im August 2014 gegründet – ein Jahr, nachdem Benko rechtskräftig strafrechtlich wegen Korruption verurteilt worden war (die Strafe ist mittlerweile getilgt). Sicher rein zufällig: Im Herbst 2023, als Benkos Firmenimperium in den Abgrund schlittert und ihm wieder Ungemach droht, wird Ehefrau Nathalie als Begünstigte der INGBE Stiftung eingetragen. Darüber berichtete die „Kronen Zeitung“ aus nichtöffentlichen Dokumenten. Zu jener Zeit beschäftigte sich die Republik Österreich gerade intensiv mit der Frage, wie man die Kika/Leiner-Pleite und Hunderte Arbeitslose abfedern könnte. Genau 51 Tage später wird die Signa Holding, der Überbau des gesamten Signa-Imperiums, Insolvenz anmelden.
Mutter Benko hat diese Änderung im sogenannten Beistatut unterschrieben. Dass plötzlich Ehefrau Nathalie als Begünstigte einer Familienstiftung geführt wird, wirkt in diesem Familiengefüge eher ungewöhnlich. Bis dahin zählten – so weit bekannt – neben der Mutter, die Stifterin ist, nur Benkos Kinder zum Begünstigtenkreis. Und im Fall des Ablebens aller anderen die Schwester. Mitunter sei auch das Verhältnis zwischen Ehefrau Nathalie und Benkos Mutter sowie der Tochter aus erster Ehe – Laura – angespannt und nicht immer besonders herzlich gewesen, ist zu hören.
Aber zurück zu den Stiftungen: René Benko hat mittlerweile bei der in Österreich besonders wichtigen Laura Privatstiftung keine Entscheidungsfunktion mehr. Wer offiziell nichts hat, dem kann man auch nichts nehmen – so lebte er es auch bei der Signa, wo der Firmengründer rund um die strafrechtlichen Probleme im Jahr 2013 nach und nach seine gesellschaftsrechtlichen Funktionen abgab und sich in Beraterrollen zurückzog. Tätigkeiten, die mit Millionen dotiert waren. Ein Scheinrückzug? Blieb Benko faktisch Geschäftsführer der Signa-Gruppe? Das ist heute Gegenstand von Ermittlungen. Benko bestreitet das.
Zufällige Zeitpunkte
Die Zeitachse der Laura Privatstiftung schaut jedenfalls so aus: 2006 gründete Benko sie mit seiner Mutter als Mitstifterin. Zunächst kam die Ausübung der sogenannten Stifterrechte Benko allein zu, ab 2010 dann beiden gemeinsam. 2013 wurde vereinbart, dass die Mutter die Stifterrechte allein ausüben würde. ,,Er brauchte jemanden, dem er bedingungslos vertrauen konnte“, sagen ehemalige Wegbegleiter heute. Einen Rest von Kontrolle behielt Benko: Die Stiftung verfügt auch über einen Beirat, der den Stiftungsvorstand beraten soll. Da blieb er an Bord und legte diese Funktion erst Anfang März 2024 zurück – nur drei Tage, bevor der Signa-Gründer selbst Insolvenz anmeldete. Zufall? Wollte man hier auf Nummer sicher gehen, dass Gläubiger keinen Zugriff auf die Stiftung haben würden?
Dazu ein paar erklärende Worte, wie Stiftungen funktionieren: Es gibt Stifter, die das Vermögen in die Stiftung einbringen. Sie haben auch gewisse, an sie persönlich gebundene Rechte. Zum Beispiel können sie Änderungen der Stiftungsurkunde vornehmen, die grundlegende Regelungen enthält. Wer zu den Begünstigten zählt, wird meist in einer Stiftungszusatzurkunde festgeschrieben, die nicht im Firmenbuch veröffentlicht werden muss. Die operativen Geschäfte der Stiftung führt wiederum ein Vorstand, der aus mehreren Personen besteht.
Je nachdem, wie die Rechte der Stifter genau ausgestaltet sind, können sie einen möglichen Knackpunkt für eine Exekution durch Gläubiger darstellen. Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Stifterrechte gepfändet wurden. Letztlich lässt sich so ein Zugriff aufs Stiftungsvermögen erreichen. Und genau das haben bei René Benko manche vor Augen.
Auf die Reste von Benkos Vermögen haben es viele abgesehen: Allen voran reiche arabische Investoren, die nun mittels internationalem Schiedsgerichtsverfahren versuchen, die Stiftung zu knacken. Immerhin will man eine Milliarde Euro zurück. Darum wird einfach einmal alles geklagt, wo man verstecktes Benko-Geld vermutet – neben der Stiftung und Benko selbst auch etliche Signa-Beteiligungen. Interessanterweise hat die Laura Privatstiftung für mehrere dieser Schiedsverfahren zugesagt, die Prozesskosten zu übernehmen, obwohl sie beileibe nicht die einzige Beklagte auf Benko- beziehungsweise Signa-Seite ist.
Die Signa-Pleite und die gänzlich offene Frage, wem das Stiftungsvermögen gehört und wer darauf zugreifen kann, wird also nicht nur in Österreich juristisch ausgestritten, sondern eben auch vor dem internationalen Schiedsgericht nach gänzlich eigenen Regeln. Kurz nach der Pleite der großen und besonders werthaltigen Signa-Gesellschaften Ende 2023 brachten der emiratische Staatsfonds Mubadala und die „AM 1 Real Estate“ des katarischen Investors Hamad Jassim Al-Thani Klagen vor einem internationalen Schiedsgericht ein. Mubadala, hinter dem auch eine emiratische Herrscherfamilie steht, fordert mehr als 700 Millionen von Signa, von René Benko persönlich und von der Laura Privatstiftung. Der katarische Investor will weitere 296 Millionen zurückhaben. In Summe also eine Milliarde Euro.
Sollten die internationalen Schiedsrichter zum Schluss kommen, dass René Benkos Schulden an die Investoren aus der Stiftung beglichen werden müssen und diese geknackt wird, könnte es schon bald „game over“ heißen – und zwar nicht nur für Benko, sondern auch für dessen andere Gläubiger in Österreich und Deutschland. Theoretisch gleicht ein internationaler Schiedsspruch einem Exekutionstitel. Dann ist gänzlich offen, ob und wie viel davon für Benkos Gläubiger in Österreich übrig bleibt.
Auch Andreas Grabenweger, Masseverwalter von René Benko, versucht seit geraumer Zeit Zugriff auf das Stiftungsvermögen zu bekommen. Er hat in einem Zivilprozess Klage gegen Benkos Mutter eingebracht und forderte, dass die Stifterrechte an der Laura Privatstiftung und der INGBE Stiftung im Insolvenzverfahren an ihn übertragen werden. Dabei nannte er Ingeborg Benko eine „Strohmama“, die von ihrem Sohn lediglich vorgeschoben sei. Grabenweger blitzte vor Gericht vorerst aber ab und hat nun Berufung angemeldet.
Sein Name ist Hase
„I sogs glei, i woars net.“ Das berühmte Zitat aus dem österreichischen Film „Muttertag“, passt doch irgendwie. Die Ermittler versuchen, aus dem Signa-Gründer herauszukitzeln, welche ganz konkrete Rolle er im Unternehmens- und Stiftungsgeflecht gespielt hat. Er wurde dazu zuletzt mehrfach in der Justizanstalt Wien-Josefstadt befragt.
Dort sitzt er bekanntlich, weil er – gemäß Verdachtslage – unter anderem Signa-Investoren im Rahmen einer Kapitalerhöhung betrogen, Vermögen aus der Signa in eine seiner Stiftungen verschoben und Vermögensbestandteile vor seinen Konkursgläubigern verheimlicht haben soll. Benko hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Das behält er auch bei seinen Einvernahmen bei. Und am Ende geht es auch hier immer wieder um die Mama.
Liest man die Einvernahmeprotokolle des einst mächtigen Immobilienmanns, könnte man meinen, ohne seine Mutter wäre er nicht einmal imstande gewesen, sein eigenes Haus mit Möbeln auszustatten. Neben der schon berühmt gewordenen Luxusvilla in Innsbruck-Igls samt nachgebauter Capri-Grotte im Keller bewohnen die Benkos ein zweites Luxushaus im Norden der Stadt, auf der Hungerburg. Die wohl komplizierteste Möbelschenkung Österreichs samt Mietvorauszahlung ist ein Paradebeispiel für die mit Millionen hinterlegte Mutter-Sohn-Beziehung, um die es in dieser Geschichte geht.
Lesen Sie hier besser langsam: Besitzerin des Hauses ist die RB Immobilienverwaltungs GmbH & Co KG, die über eine Zwischenfirma im Wesentlichen zur Laura Privatstiftung gehört. René und Nathalie Benko haben im Oktober 2023 einen zehnjährigen Mietvertrag für dieses Haus abgeschlossen. Am 6. Oktober überwies René Benko – Erkenntnissen der Ermittler zufolge – von seinem Girokonto 360.000 Euro als Mietvorauszahlung an die RB Immobilienverwaltungs GmbH & Co KG. Zufall oder nicht: Am 5. Oktober, also einen Tag zuvor, hatte die Laura Privatstiftung ihm eine halbe Million Euro zukommen lassen. Ein paar Tage nach Leistung der Mietvorauszahlung überwies die Vermieter-Firma dann 340.000 Euro an ihre eigene Gesellschafter-Firma, die RB Immobilien GmbH – und diese übertrug in der Folge 300.000 Euro an die Laura Privatstiftung. Von Ermittlern zu diesen Transaktionen gefragt, erklärte Benko wortreich, warum es sich aus seiner Sicht nicht um ein Geld-Karussell gehandelt habe. Er betonte unter anderem, dass es sich bei der halben Million von der Stiftung um ein Darlehen – also geborgtes Geld – gehandelt habe.
Möbel von der Mama
Noch komplizierter wurde es, als die Ermittler mit Benko klären wollten, wie die Bezahlung für neu angeschaffte Einrichtungsgegenstände des Hauses abgelaufen ist. Diese kosteten Ermittlungsergebnissen zufolge immerhin fast 400.000 Euro. Eine Anzahlung von rund 175.000 Euro leistete Benko selbst. Die restlichen 257.000 Euro zahlte aber Mutter Ingeborg. Wie sich aus dem Einvernahmeprotokoll ergibt, verkaufte Ingeborg Benko die betreffenden Möbel und die technische Ausstattung dann aber um 395.000 Euro an die Vermieter-Firma aus dem Reich der Laura Privatstiftung.
„Die Möbel haben aus meiner juristischen Laien-Sicht meiner Mutter gehört.“
sagt René Benko zu den Ermittlern
befragt nach seiner Einrichtung im Wert von hunderttausenden Euros
Die Ermittler wollten wissen, wem – Benkos Meinung nach – die Möbel für das von ihm bewohnte Haus gehört haben. Die Antwort: „Die Möbel haben aus meiner juristischen Laien-Sicht meiner Mutter gehört.“
Über die Rolle von René Benkos Mutter haben schon zahlreiche Signa-Investoren und ehemalige Mitarbeiter in Zeugeneinvernahmen Auskunft gegeben. Investor und Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner äußerte gegenüber der WKStA die Vermutung, Benkos Mutter habe alles unterfertigt, was ihr Sohn ihr vorgeschlagen habe. Benko habe ihm gegenüber gemeint: „Das macht die Laura Privatstiftung beziehungsweise das macht die Mama.“ Oder: „Die Mama kriegt immer von der Laura Privatstiftung das Geld, und die Mama schenkt es mir.“
„Die Mama kriegt immer von der Laura Privatstiftung das Geld, und die Mama schenkt es mir.“
soll Benko gesagt haben
berichtet Baumogul Hans-Peter Haselsteiner
Glaubt man dem schwerreichen Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner, hat Benko die Mama also nur gelenkt. Was stimmt nun? Geht es hier um blinde Mutterliebe? Was hat sie gewusst? Was hat sie verstanden? Und wer ist Ingeborg Benko?
„Liebe Oma“
Der Kontrast könnte kaum überraschender ausfallen: Einmal ums Eck und ein paar Dutzend Schritte bergauf von Benkos Luxusrefugium steht eine unscheinbare Doppelhaushälfte. Laut Grundbuch kostete diese etwas mehr als 500.000 Euro – nicht übertrieben viel für Tiroler Verhältnisse. Während solche Beträge bei René Benko fast schon für die Einrichtung draufgehen, ist bei diesem Haus kein Protz erkennbar. Das gilt auch für den fahrbaren Untersatz: Der schwarze Audi, der im Carport an der Seite des Gebäudes parkt, mag grundsätzlich aller Ehren wert sein. Mit einem benko’schen Fuhrpark aus Ferraris und Porsches kann sich dieses Gefährt aber nicht einmal im Ansatz messen.
In dieser Doppelhaushälfte hat die sagenumwobene Mutter René Benkos ihren Hauptwohnsitz gemeldet. profil hat sich im Rahmen der Recherche dazu entschieden, ihr nicht nur über einen Anwalt zahlreiche Detailfragen zukommen zu lassen, sondern auch aktiv das Gespräch zu suchen. Schließlich könnte es durchaus aufschlussreich sein, einen unmittelbaren Eindruck von ihr zu erlangen – und aus ihrem eigenen Mund Antworten auf die vielen offenen Punkte zu erhalten, die mittlerweile rund um dieses ganz spezielle Mutter-Sohn-Verhältnis kursieren.
,,Sie ist eine sehr herzliche Person. Einfach eine liebe Oma”,
ein Bekannter von René Benko
über seine Mutter
Die Frau, die bereits nach einmaligem Klingeln die Tür öffnet, passt zum Haus. Leger gekleidet, Pullover. Auch wenn sie über den unangekündigten Journalisten-Besuch wohl kaum begeistert ist, wirkt sie nicht unfreundlich. Jedenfalls nicht wie eine unnahbare Geldadelige. Ist das wirklich die Mutter des gefallenen Immobilien-Tycoons? Nun: Die Frau, die hier im Eingang steht, könnte durchaus zum einzigen öffentlich bekannten Foto passen, das von Ingeborg Benko existiert (siehe Seite 34). Als „Frau Benko“ angesprochen, bestreitet sie auch nicht, die Nämliche zu sein. Benkos Mutter verwendet genau diese Adresse in geschäftlichem Zusammenhang. Und sowohl an der Tür als auch am Briefkasten findet sich der Name „Benko“. Ganz falsch dürfte profil hier also nicht sein.
Der Wortwechsel dauert gerade einmal ein paar Sekunden, dann schließt die Frau wieder die Tür – Fragen will sie nicht beantworten. Zusammengefasst bleibt der Eindruck: Diese mutmaßliche Benko-Mutter wirkt eigentlich nicht wie jemand, der routinemäßig mit Millionen jongliert. Also doch eine falsche Fährte? Nicht unbedingt: Von einem derartigen Eindruck erzählen hinter vorgehaltener Hand nämlich auch manche Personen, die ganz unzweifelhaft mit der echten Ingeborg Benko zu tun hatten. Und das ist umso frappierender, als die Mutter des Signa-Gründers praktisch im Zentrum eines riesigen, in Privatstiftungen geparkten Vermögens steht. Ungeklärt ist freilich, ob sie die entsprechenden Entscheidungen selbst trifft – oder bisher weitgehend auf Anweisung ihres Sohnes gehandelt hat.
,,Sie ist eine sehr herzliche Person. Einfach eine liebe Oma“, erfährt profil. ,,Sie war ja Kindergärtnerin, und sie ist genau so, wie man sich seine eigene, liebe Kindergärtnerin vorstellt.“ Die Kinder und Enkelkinder seien ihr immer sehr wichtig gewesen.
Was heißt „lieb“?
„Lieb“ muss nicht „unwissend“ bedeuten – also was wusste die Frau Mama? Soweit bekannt, wird von den Behörden bisher jedenfalls nicht gegen Ingeborg Benko ermittelt. Dennoch geht die WKStA davon aus, dass „die Stiftungskonstruktion nur zum Schein besteht und vorrangig dazu dient“, Vermögen dem Zugriff von Behörden und Gläubigern zu entziehen – und Benko „über seine Mutter als Strohfrau“ erhebliche finanzielle Zuwendungen zu gewähren.
Ingeborg Benko bekleidete unbestritten wichtige Funktionen, die Meinungen darüber, wie aktiv ihre Rolle war, gehen aber auseinander. Die Steuerberaterin Karin Fuhrmann, die jahrelang im Vorstand der Familie Benko Privatstiftung saß, sagte laut Magazin „News“ bei einer Einvernahme: ,,Ich habe Ingeborg Benko nur ein Mal in meinem Leben gesehen.“
Doch nur eine Strohmama also? Aus dem Mitarbeiterumfeld der Privatstiftungen wird die Rolle von Benkos Mutter gegenüber profil wieder anders dargestellt. Ja, sie habe grundsätzlich nichts ohne ihren Sohn entschieden. „Aber sie war sehr wohl immer wieder im Büro (der Laura Privatstiftung, Anm.) und hat auch immer gewusst, was sie da genau unterschrieben hat“, erzählt eine Quelle, die anonym bleiben möchte. Demnach sei Frau Benko ein, zwei Mal im Monat gekommen. Dort sei sie mit ihrer Tochter, die bei der Stiftung tätig war, alle Verträge, Genehmigungen und Urkunden genau durchgegangen, die zur Unterschrift bereitstanden. Und: Sohn René habe sie von allen Vorhaben, die die Stiftungen und damit sie als Stifterin betroffen haben, informiert. Sehr oft unter vier Augen oder im Beisein seiner Schwester, der zweiten sehr wichtigen Frau in seinem Geldleben.
Eine ganz besondere Angelegenheit aus dem Bereich der Laura Privatstiftung sollte im Vorjahr politische Wellen schlagen – und auch hier kommt Benkos Mutter ins Spiel: nämlich als ein SPÖ-Tirol-Parteichef nach einer Pirsch bei Benko den Jagdhut ziehen und die Bühne räumen musste.
Auf einen Hirsch auf der Pirsch
Im September 2024 war Signa pleite, René Benko angeblich auch, aber trotzdem konnte in der Steiermark, am „Stüblergut“, das der Laura Privatstiftung gehört, dem Weidwerk gefrönt werden. Georg Dornauer war da. Ein Tiroler Hotelier war da. René Benko war zumindest auf dem Gelände. Und alle waren gemeinsam auf einem fröhlichen Foto mit einem nicht mehr fröhlichen, weil toten Hirsch zu sehen. Ein Problem: Dornauer hatte ein aufrechtes Waffenverbot. Und das Jagen bei Benko war zu diesem Zeitpunkt auch längst politisch nicht mehr opportun. Davon ganz abgesehen, dass Benko ein Immobilienentwickler ist und Dornauer für das Themen „Bauen“ im Land zuständig war. Mit anderen Worten: Die Gesellschaft schoss einen Hirschen – und mit dem Foto, das davon aufgenommen wurde und an die Medien gelangte, einen ziemlichen Bock.
Dornauer zog die Konsequenzen und trat als Parteichef zurück. Mittlerweile ist ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt worden – es gebe keine ausreichenden Beweise, dass Dornauer trotz Waffenverbots geschossen habe. Der Tiroler Hotelier soll der Schütze gewesen sein. Alle anwesenden Personen wurden als Zeugen befragt. Der Hotelier sagte aus, er sei von Benko zur Jagd eingeladen worden, Dornauer habe ihn dann begleitet. Aber wie kann der insolvente Signa-Gründer jemanden bei der Laura Privatstiftung auf einen Hirsch-Abschuss einladen? Nun: profil-Informationen zufolge gab Benko selbst eine differenzierte Version zu Protokoll. Demnach habe seine Mutter ihm gesagt, dass er den Hotelier einladen solle.
Auch zu diesem Punkt wollte Ingeborg Benko auf profil-Anfrage nicht Stellung nehmen. Abermals sei ausdrücklich festgehalten: Es wird derzeit weder gegen Ingeborg Benko noch gegen die Laura Privatstiftung als juristische Person ermittelt.
Welche Mutter würde ihrem Kind nicht ein wenig unter die Arme greifen, wenn Probleme am Horizont auftauchen? Am 22. November und am 12. Dezember 2023 – rund um die Pleite der Signa Holding – wurden von der INGBE Stiftung insgesamt fünf Millionen Euro auf das Konto von Ingeborg Benko überwiesen. Rund vier Millionen Euro davon reichte sie – Erkenntnissen der WKStA zufolge – in der Folge an ihren Sohn weiter. „Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich von meiner Mutter eine erste Schenkung in Form einer Banküberweisung im November 2023 erhalten und aus diesem Geld diverse laufende Kosten (…) geleistet“, gab der Signa-Gründer zu Protokoll.
Die INGBE Stiftung als potenzielle Ursprungsquelle für finanzielle Hilfeleistungen von Ingeborg Benko an ihren Sohn dürfte noch länger nicht versiegen. Laut Recherchen von „Kronen Zeitung“ und „News“ verfügte die Stiftung Ende 2021 über Goldbestände im Wert von 81 Millionen Euro. Erst vor Kurzem wurden daraus 360 Kilo verkauft (= 30 Millionen Euro). Bei der Vaduzer Anti-Geldwäscheaufsicht läuteten die Alarmglocken, sie schickten eine Verdachtsmeldung nach Österreich. Die WKStA argumentierte in der Folge bei der Haftprüfung Benkos eine mögliche Fluchtgefahr, da damit sein Lebensunterhalt auch im Ausland gesichert wäre. Das Gericht teilte diese Besorgnis nicht, ließ Benko aber weiterhin wegen des Haftgrunds der Tatbegehungsgefahr in U-Haft.
Warum der Verkauf? Die Verteidiger des einstigen Immobilien-Tycoons argumentierten, dass der Goldpreis eben gerade gut gewesen sei und man die lukrierten Millionen in Wertpapiere umgewandelt habe. Mit Notverkäufen hätte das nichts zu tun gehabt.
Dagegen spricht ein anderer Verkauf aus dem Mama-kontrollierten Stiftungsuniversum. Dort befindet – oder befand sich – auch ein Teil der Kunstsammlung. Darunter ein Basquiat und ein Picasso. Der Picasso wurde 2021 bei Christie’s in London für 17,1 Millionen Euro ersteigert – zu einem Zeitpunkt, als die Signa für Galeria Kaufhof 460 Millionen Euro an Covid-Hilfen bezog. Das Bild namens „L’Étreinte“ wurde Anfang 2025 wieder verkauft – mit elf Millionen Euro deutlich unter Wert. Der Verkauf wurde von einer Tochtergesellschaft der Laura Privatstiftung beauftragt. Offensichtlich brauchte man das Geld.
Was die Stiftung in der Vergangenheit mit ihrem Vermögen gemacht hat? Darlehen vergeben, zum Beispiel. 2022 kaufte Nathalie Benko über eine Firma eine Villa Ibiza. Die Laura Privatstiftung soll für einen Teil des Kaufpreises sowie für die Um- und Ausbauten ein Darlehen von insgesamt mehr als fünf Millionen Euro gewährt haben, das berichtete das Magazin „News“. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich schon ab, dass die Signa-Gruppe wirtschaftlich ins Strudeln kam.
Eine Villa in Ibiza, zwei in Innsbruck – Benko in der Zelle, und das noch länger. Wir haben übrigens nachgefragt, wie Geburtstage und Muttertage in der Justizanstalt gefeiert werden. Gar nicht.

Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".

Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil und seit 2025 auch Herausgeberin des Magazins. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.