Hausdurchsuchungen bei Signa und Benko: Wonach die internationalen Ermittler suchen
Dieses Mal sind die Ermittler sehr dezent. Wüsste man nicht, dass in diesen Minuten eine der umfassendsten Hausdurchsuchungen im mittlerweile insolventen Signa-Reich von René Benko läuft, man würde es hier, im Wiener Signa-Büro im Palais Ferstel, nicht sehen. Keine Polizeibusse. Keine uniformierten Beamten vor Ort. Kein abtransportierter Porsche. Nur ab und zu huschen Ermittler in zivil durch das prunkvolle Stiegenhaus von einem Signa-Büro ins andere.
Für die Mitarbeiter, die die zahlreichen insolventen Signa-Gesellschaften jetzt abwickeln müssen, ist es ein Déjà-vu. Um 9 Uhr morgens läuteten Beamte der Soko-Signa aus dem Bundeskriminalamt an. Schon wieder. Mitgebracht hatten sie diesmal eine europäische Ermittlungsanordnung und ein Rechtshilfeersuchen der Münchner Staatsanwaltschaft I und der Procura della Repubblica di Trento – Direzione Distrettuale Antimafia (DDA); die trentinische Staatsanwaltschaft. Ermittelt wird dort gegen Benko selbst, aber auch gegen zahlreiche Signa-Gesellschaften und -Manager. profil liegen exklusiv die Amtshilfeersuchen vor.
Die Hausdurchsuchungen fanden nicht nur hier im Palais Ferstel in der Wiener Herrengasse statt. Sondern zur selben Zeit auch in weiteren Signa-Büros in Wien, Innsbruck, in einem Signa-Lager in Korneuburg, in dem die Aktenberge rund um die nahezu unzähligen Signa-Projekte der vergangenen Jahre aufbewahrt werden. Entgegen ursprünglicher Informationen fanden keine Hausdurchsuchungen in den Signa-Büros in Südtirol statt.*** Eine Hausdurchsuchung fand auch im Büro der Laura Privatstiftung in Innsbruck statt sowie in René Benkos Zuhause. Es wurden Lagerräume und Tiefgaragen durchsucht, Dachböden und Kellerabteile. Die italienischen Behörden forderten Korrespondenzen, Aufzeichnungen über Zahlungsströme und Zugangsdaten. Und zwar im Zeitraum vom 1. Jänner 2013 bis heute.
Hausdurchsuchung bei Signa in Wien
Hinter dieser Tür im Wiener Palais Ferstel durchsuchten die Ermittler am Mittwoch erneut Büros der insolventen Signa.
Die Staatsanwaltschaft München wirft dem gefallenen Immobilienmogul Benko und sieben weiteren hochrangigen früheren Funktionsträgern von Signa Betrug und Untreue vor. Vorweg: Alle haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.
Die Münchner interessieren sich insbesondere für Akten im Zusammenhang mit einem Signa-Bauprojekt am Bahnhofsplatz der bayerischen Hauptstadt, das Signa-intern als „Projekt Franz“ bekannt war und offiziell unter dem Namen „Corbinian“ vermarktet wurde. Zurück blieb, wie beim Kaufhaus Lamarr in der Wiener Mariahilfer Straße, eine halbfertige Bauruine in Münchner Bestlage. Das in die Jahre gekommene Objekt, ein grauer Betonblock der Kette Karstadt, sollte geschliffen und durch einen schicken Neubau ersetzt werden. Finanzgeber des mittlerweile ebenfalls insolventen Bahnhofprojekts waren die Helaba Bank, die heimische Raiffeisen und der saudische Staatsfonds „Public Investment Fund“ (PIF).
Mit dem Projekt hat sich das Signa-Establishment jedenfalls mächtige Feinde im Nahen Osten gemacht. Auf Basis einer Strafanzeige prüfen die Ermittler nun den Verdacht, dass Benko und andere Signa-Manager Gelder des saudi-arabischen Staatsfonds zweckentfremdet haben könnten. Benkos eingesetzte Verhandlungsführer sollen dem PIF das Projekt Franz schmackhaft gemacht haben und sie im Jahr 2022 zu einem Anleihen-Investment in der Höhe von 187 Millionen Euro bewegt haben. Unter der – so der Verdacht – bewusst tatsachenwidrigen Vorspiegelung, dass die Summe zum überwiegenden Teil für das Projekt Franz verwendet werden sollte. Tatsächlich aber gehen die Ermittler davon aus, dass die Weitergabe der Gelder bereits vor Abschluss der Verhandlungen geplant gewesen sein soll, um es anderen Gesellschaften im Signa-Reich zuzuführen.
Als Indiz dafür werten die Ermittler, dass nach dem Zahlungseingang aus Saudi Arabien noch am selben Tag eine Summe von 180 Millionen Euro Signa-intern weitergereicht worden sein soll – für Projekte, bei denen dringend Geld gebraucht wurde. Damit hätten die Signa-Manager gegen die Zweckbindung von mindestens 113 Millionen Euro sowie gegen die vertraglich geregelte Bildung einer Liquiditätsreserve von sechs Millionen Euro verstoßen, vermuten die Ermittler.
Dasselbe Projekt Franz kommt in den Ermittlungen noch einige Male vor. Auf der eiligen Suche nach Liquidität sollen die Signa-Manager – gemäß Verdachtslage – alle Register gezogen haben. Die Eigentümerin der Immobilie, die Projektgesellschaft MBI GmbH & Co. KG, soll demnach in Verkaufsverhandlungen mit einem Immobilienentwickler außerhalb des Signa-Reichs, der Thüringer Grund und Boden GmbH (TBG), getreten sein. Zum Beweis ihrer Zahlungsfähigkeit überwies die TGB der Signa-Projektgesellschaft MBI 120 Millionen Euro; unter der Bedingung, dass die Summe zurückgezahlt wird, sollte der Deal platzen.
Die 120 Millionen Euro sollen von der MBI aber noch am selben Tag an die Signa Prime Selection mit Sitz in Wien überwiesen worden sein. Die Liegenschaft wechselte dann doch nicht den Besitzer, weshalb die deutsche Projektgesellschaft MBI die 120 Millionen wieder an die TGB zurückzahlen musste. Nur hatte diese das Geld gar nicht mehr und musste dafür einen Kredit aufnehmen. Weil sie diesen aber letzten Endes nicht bedienen konnte, musste MBI Insolvenz anmelden.
Zusammengefasst vermuten die Ermittler, dass es den Verantwortlichen zunächst hauptsächlich darum ging, frisches Geld für die Signa-Gruppe zu beschaffen. Aus der Insolvenz soll dann jedoch ein entsprechender Vermögensschaden entstanden sein.
Ebenfalls in München soll ein Signa-Manager übrigens auch noch einen Cateringanbieter getäuscht haben. Der Verdacht: Obwohl die Signa-Gesellschaft Alte Akademie Immobilien GmbH & Co. KG bereits mit Zahlungsschwierigkeiten kämpfte, soll sie im Oktober 2023 ein Catering für 130 Personen im Gesamtwert von mehr als 12.500 Euro bestellt haben. Im Wissen, diese Rechnung nicht mehr bedienen zu können, vermuten die Ermittler. Zwei Monate später beantragte die Signa-Tochtergesellschaft die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, bezahlt wurde die Zeche nicht mehr.
Die Italien-Connection
Nicht nur die deutsche, auch die italienische Staatsanwaltschaft richtete ein Rechtshilfeersuchen an Österreich, das zu zahlreichen Hausdurchsuchungen führte – in der Benko-Villa in Igls, südlich von Innsbruck, sowie in Büroräumlichkeit von ehemaligen Signa-Beteiligungen in der Innenstadt der Tiroler Landeshauptstadt. Die italienische Durchsuchungsanordnung ist besonders umfangreich und umfasst absolut alle Unterlagen, Datenträger, Korrespondenzen in Zusammenhang mit allen italienischen Projekten von Signa der vergangenen Jahre.
Die italienische Justiz erließ Ende des Vorjahres sogar einen europäischen Haftbefehl gegen Signa-Gründer René Benko. Ab Dezember konnte Benko somit nicht mehr das Land verlassen, weil er Gefahr lief, im Ausland festgenommen und nach Italien überstellt zu werden. Die Staatsanwaltschaft in Trient ortet Unstimmigkeiten bei zahlreichen Immobilienprojekten in Norditalien ab dem Jahr 2018. profil berichtete ausführlich.
Benko wurde in der italienischen Anordnung immer wieder als Leiter einer kriminellen Vereinigung bezeichnet, der korrupte Straftaten verübt haben soll, um Bauprojekte zu realisieren. Die italienischen Behörden behaupten etwa, dass Benko mit hohen Spenden Wahlen beeinflusst haben könnte, um dort willfährige Amtsträger zu fördern, die ihm später bei der Umsetzung seiner Projekte helfen sollten. Da steht etwa: „… um das Jahr 2018 im Rahmen der Provinzwahl (Landtagswahl von Südtirol) in der Provinz Bozen im Jahr 2018 an Amtsträger und Wahlkandidaten der Südtiroler Volkspartei (SVP), unter anderem an den damaligen amtierenden Präsidenten der Provinz (Landeshauptmann) Arno Kompatscher, einen Betrag in Höhe von insgesamt 500.000 Euro.“
Die SVP streitet das ab. "Die SVP hat im Jahr 2018 keine Wahlkampfspenden oder andere Zuwendungen von Herrn Benko erhalten. Sämtliche Spenden, die im Zuge des Landtagswahlkampfes 2018 an die SVP gingen, wurden ordnungsgemäß und nach geltendem Recht abgewickelt." heißt es in einem Schreiben an profil. Man wolle rechtlich gegen jene vorgehen, die das behaupten.
Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Auch bei weiteren Gemeinderatswahlen in den Folgejahren, sollen Geldbeträge als Schmiergelder geflossen sein, um später Bauprojekte zu begünstigen. Genannt wird da etwa das städtebauliche Projekt „Gries Village“ in Bozen – es wurden dort Hunderte Wohnungen errichtet. Bozen war das Südtiroler Zentrum der Signa-Aktivitiäten: In den Ermittlungen geht es auch um ein Sanierungsprojekt eines Kaufhauses im Herzen der Stadt – der Waltherpark. Weiters genannt wird ein Studentenheim und der Ausbau des Flughafens. Und wo ortet die Staatsanwaltschaft hier Korruption? Ein Beispiel: Im Jahr 2022 soll dem Sekretär des Vizebürgermeisters von Bozen „für die wohlwollende Behandlung der Anliegen des Signa-Konzerns“ ein Vorteil versprochen worden sein, „nämlich einen Anstellungsvertrag bei Signa nach Beendigung seines Dienstverhältnisses mit der Gemeinde, der dann auch gewährt wurde“. Weitere Details müssen noch ermittelt werden, die Verdachtslage ist vage - das italienische Gesetz erlaubt aber auch dann schon strenge Maßnahmen wie eben Razzien.
Weiters glauben die italienischen Behörden, dass Benko eine Art Statthalter in Südtirol gehabt haben soll – ein gewisser Dr. Heinz Hager. profil berichtete bereits über den Mann, er wurde – wie Benko – verhaftet, und ist tief mit der Laura Privatstiftung verflochten.
Hager und Benko – die beiden sollen im Gespann in Südtirol auf Werbetour für ihre Projekte unterwegs gewesen sein und so, glaubt die Staatsanwaltschaft, dabei auch einige Geschenke bei sich gehabt haben. Das habe geholfen, um etwa vertrauliche Informationen aus Vergabeverfahren zu beschaffen, noch bevor diese öffentlich waren. Die Signa Group erhielt dann etwa auch in der Gemeinde Verona den Zuschlag für die Sanierung des Bahnhofgeländes.
Besonders pikant: Auch die Räumlichkeiten der Laura Privatstiftung wurden durchsucht. Hier sollen noch Vermögenswerte in der Höhe von 150 bis 200 Millionen Euro liegen – an die man bisher nicht herankommt. Denn Benko hielt es mit seinen Stiftungen wie mit der Signa selbst: Nur keine gesellschaftsrechtlichen Funktionen übernehmen, dann kann man auch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Vorgeschoben wurde seine Mutter, die auch seit der Pleite ihres Sohnes Millionen an die Familie auszahlt und die Stiftungen mutmaßlich hohe private Rechnungen Benkos begleichen.
Masseverwalter wie Geschädigtenvertreter konzentrieren sich darauf, diese Stiftung, sowie zwei weitere in Liechtenstein, zu knacken. Ein schwieriges Unterfangen. Die Laura Privatstiftung wird im Verfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bisher nicht als Beschuldigte geführt – rein rechtlich können Hausdurchsuchungen aber auch bei „Zeugen“ vorgenommen werden.
René Benkos Haftentlassungsantrag wurde einen Tag vor diesen Durchsuchungen abgelehnt.
*** Transparenzhinweis: In einer ursprünglichen Version schrieb profil, dass auch Razzien in Bozen stattfanden. Auf Hinweis der Signa Italien (heute Landmark Real Estate Solutions ) wurde die ursprüngliche Fehlinformation korrigiert. Wir entschuldigen uns für den Fehler.